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Baby-Tagebücher

Hautnah. Intensiv. Liebenswert. Folgt hier den Babytagebuch-Bloger:innen und erlebt regelmäßig, wenn frischgebackene Mütter und Väter ihr Leben mit euch teilen. Jede Woche lassen sie euch an ihrer neuen Lebenszeit mit Baby teilhaben und geben ganz persönliche Einblicke: Was hat der Sprössling diese Woche Tolles gelernt? Wie geht es den jungen Eltern mit dem kleinen Knirps? Welche Herausforderungen begegnen den Neu-Mamas und Neu-Papas mit ihrem Neugeborenen? In den Baby-Tagebüchern seid ihr live dabei, von ersten Arztbesuchen bis zu holprigen Gehversuchen. Ob liebenswert chaotisch oder rührend besinnlich: Immer erhaltet ihr einen unverfälschten, authentischen und persönlichen Einblick in das aufregende Leben einer Jungfamilie.
42. Woche

Platt

Ich wünsche mir equal care und kämpfe mit dem System: Eine Woche in der einfach die Luft entweicht!

Jeppe freut sich auf seine Babyfreunde in der Krabbelgruppe. Die neue Woche hat begonnen. Typisches Hamburger Schietwetter. Zudem ist unser Auto bereits gut zwei Wochen defekt und bislang nicht wieder vollends instandgesetzt. Seither fahren wir täglich mit dem Rad. Heute werden mindestens 20 Kilometer zusammenkommen. Regenhose, Gummistiefel, dicke Jacke und blinkende Reflektoren – dieses Grau in Grau macht wirklich alles und jeden unsichtbar, der nicht quietschbunt und leuchtend ist.

Das Geburtstagsgeschenk für eine Freundin steckt mit unserem Tagesgepäck in der Transportkiste, Jeppe in seinem Maxi Cosi, schön cozy mit Kuscheldecke und Babycracker in der Hand. Heute ist ein Tag, an dem ich alles positiv sehen kann. Während mir der Wind den Regen ins Gesicht peitscht erzähle ich Jeppe, wie gut wir es haben. Ein tolles Fahrrad, was uns so zuverlässig von A nach B bringt. Und außerdem gäbe es ja nur falsche Kleidung, kein schlechtes Wetter. Ich reiße die Mundwinkel ganz weit nach oben und strahle mein Baby an. Kein Sarkasmus, ich bin echt gut drauf.

Irgendwas klappert. Ich vermute einen mitgeschleiften Ast an einem der Vorderräder und schaue an der nächsten Ampel nach. Der linke Reifen ist platt. Unser Rad liegt mit etwa 60 Kilogramm Gewicht auf der Felge. Absteigen und schieben. Auf der nächsten Verkehrsinsel googele ich Fahrradläden. Es gibt zwei. Jeppe ist eingeschlafen und ich schiebe angestrengt das Rad durch den Matsch. Mir wird heiß, aber ich sehe noch immer das Positive, schließlich gibt es gleich zwei Werkstätten. Irgendwo im Nirgendwo hätte das auch schlechter laufen können.

Der erste Laden ist geschlossen. Ich fluche, obschon das natürlich nichts bringt. Auch das nächste Geschäft sieht verdächtig dunkel aus. Es ist 10.30 Uhr, überall geschäftiges Treiben. Ich drücke mir selbst die Daumen und drücke die Ladentür auf: Sie öffnet sich.

Wenige Minuten später stehe ich mit Sack und Pack auf der Straße. Jeppe schläft in seinem schweren Maxi Cosi. Den kann ich nicht bis zum nächsten Bäcker tragen. Gegenüber erspähe ich italienische Feinkost. Sieht auch geschlossen aus, aber ich probiere mein Glück. Laut Schild öffnet der Laden um 11 Uhr. Wir bleiben unter der Markise stehen und ich tippe einige Nachrichten in mein Handy. Hier gibt es sicher guten Kaffee. Keine Ahnung, wie schnell der Fahrradschrauber sein wird, aber ich habe keine Wahl. Für Jeppe habe ich keine alternative Transportlösung dabei. Wir könnten ein Taxi nehmen, aber dann müsste ich ja trotzdem das Rad abholen. Ich denke alle Möglichkeiten im Kreis, aber alles klingt nach noch mehr Stress. Dann lieber italienischer Cappuccino und eine kleine Auszeit.

Pünktlich öffnet sich die Tür und ich erkläre mein Anliegen. Denn natürlich ist die Lady an der Tür verwundert über so zeitige Kundschaft. Um 12 kommen die Mittagspäusler, davor nur der Briefträger. Jeppe krabbelt über den Steinfußboden, ich sortiere Listen und beantworte E-Mails.

Am nächsten Tag schaffen wir es zur Babygruppe. Noch während wir in trauter Runde Kaffee schlürfen, bekomme ich einen ad hoc Termin beim Kinderarzt. Aus den Babyohr kommt grünliches und gelbliches Sekret. Das ansonsten topfitte Baby und ich sitzen also eine gute halbe Stunde später bei unserem Kinderarzt.
Geschockt und mit Rezepten bewaffnet verlassen wir die Praxis: Entzündung, Riss, Medikamente – alles nicht so wild und heilt schnell wieder, lautet das Fazit. Aber das mit dem gerissenen Trommelfell muss ich doch erstmal verdauen. Als nächstes reißt mir die Hose. Das verbuche ich unter Künstlerpech und weiter geht’s. Diese Woche hat das Tempo einer Berg- und Talbahn auf der Kirmes.

Großes Kind aus der Kita abholen, Paket zur Post, die dritte Ladung Wäsche an diesem Tag, Espresso für kurzfristige Energie, Wutanfall großes Kind, Wutanfall kleines Kind, stressige Genervtheit Partner. Der knallt die Tür zum Homeoffice zu, während der Wocheneinkauf geliefert wird. Geschenke bestellen, Termine eintragen, mit einem Holzlöffel rühre ich im Abendessen und rechne mir die Zeit aus, die noch für meinen wöchentlichen Artikel auf kidsgo.de übrigbleibt. Keine!

Dreiviertel habe ich zwischen Tür und Angel geschrieben. Für den Rest gibt es keine Kapazitäten. Wenn die Kinder schlafen, beschließe ich weiterzuschreiben. Ich schlafe mit ein und wache am nächsten Morgen gestresst und panisch auf. 45 Minuten, bis alle anderen aufwachen. Das könnte ich schaffen. Ach ne, doch nicht. Ich fühle mich so platt wie der Fahrradreifen am Montag. Tim hat noch aufgeräumt. Ich sammele die Badetiere vom Vorabend aus der Wanne, bevor ich selbst eine Dusche nehmen kann.

Ich habe bereits entstresst: Einen Arzttermin habe ich abgesagt, außerdem meinen Yogakurs, die Musikstunde und das Kinderturnen. Trotzdem wird die Aufgabenliste länger und länger. Im Pyjama packe ich Geschenketütchen für den Abschied aus der Krippengruppe. Wenn das Baby schläft, kümmere ich mich um mein ehrenamtliches Engagement beim Equal Care Day Festival, denn auch hier gibt es Deadlines. Das Auto muss zur anderen Werkstatt. Ich zähle nicht mehr mit, wie oft ich mich am Tag nassregnen lasse.

Inzwischen ist es Freitagmorgen. Ich stille und schreibe. Jeppe haut immer wieder mit seiner kleinen Patschhand auf die Tastatur. Eine unabsichtliche Amy Winehouse Gedächtnisfrisur, jede Menge Concealer gegen die Augenringe, Abschiedsfeier in der Kita, viele Aufgaben bis zum Mama-Feierabend. Diese Woche hatte locker 15-Stunden-Tage. Natürlich ohne großartige Entlohnung, echte Pausen, Anerkennung, oder gar ein echtes Gehalt. Jedem Vorgesetzten würde ich einen Vogel zeigen, sollte so etwas gefordert werden. Und ganz ehrlich: In der Theorie hatte ich mir das Elternsein auch nicht ganz so hart vorgestellt. Denn die Care Arbeit ist ein herausfordernder Job. Für alle weiteren Aufgaben fehlt mir die nötige Zauberkraft, um diese mit einem kleinen HexHex zu erledigen. Energiespender wie gemeinsame Zeit mit Freunden, Hobbys und Wellnesspausen passen kaum in den straffen Zeitplan. Und jede Art von Erwerbsarbeit ist da noch nicht wirklich mitgerechnet. Alles muss parallel laufen, nichts darf schief gehen. Ein patriarchales System, das typische Ungleichgewicht, wenngleich man permanent bestrebt ist dies auszugleichen, ein riesiger Workload. Ich bin gespannt, inwiefern sich die Strukturen verändern, wenn auch ich wieder richtig erwerbsarbeite.

Während wir mit unseren Laptops am Tisch sitzen, trommelt Jeppe gegen die Balkonfenster und macht zombieähnliche Geräusche. Tim ist mit seinen Noise-Cancelling-Kopfhörern in einem Meeting. Natürlich kümmere ich mich parallel ums Baby, um die Beantwortung von Nachrichten und um das hier. Bereit zum Upload? Ja, denn ein Ende der Geschichte gibt es ohnehin nicht: Never ending story on repeat.



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In diesem Beitrag geht's um:

equal care, Care Arbeit, Mental Load, Elternsein, Stress, Erschöpfung, To Do, Listen, Überlastung