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Single Moms by Choice: Wenn Frauen sich den Kinderwunsch ohne Partner erfüllen

Der Wunsch, ein Kind zu bekommen, ließ Maggie Schwarz nicht mehr los. Sie entschied sich bewusst für ein Kind, aber gegen einen Vater. Eine egoistische Entscheidung? Keineswegs, sagt Soziologin Christina Mundlos im Interview und erklärt warum.

In diesem Artikel:

Single Mom by Choice: Bewusste Entscheidung

Die vierjährige Lena liebt ihre Puppe Annabell über alles. Sanft wiegt sie Annabell in ihren Armen und flüstert ihr beruhigende Worte ins Ohr. Natürlich wird Lenas Baby auch gefüttert, gewaschen und gewickelt – früh übt sich, wer später selbst Kinder haben will. Nicht nur für Lena, auch für andere kleine Mädchen ist die Sache klar: Man wird groß, findet einen netten Mann und bekommt mit ihm ein, zwei, drei oder gar vier Kinder.

Mit dieser Vorstellung wurde auch Maggie Schwarz groß: „Wie die meisten Menschen bin auch ich mit dem Familienmodell Vater-Mutter-Kind aufgewachsen und hatte immer das Ziel vor Augen, eine eigene Familie zu gründen.“ Doch leider klappte es in der Liebe nicht. „Nach einer langjährigen Beziehung, von der ich mich lange erholen musste, hatte ich keine Kraft mehr, an der Hoffnung auf die große Liebe festzuhalten. Der Kinderwunsch aber blieb“, erzählt sie im Rückblick. Hinzu kamen gesundheitliche Probleme, die eine natürliche Schwangerschaft in weite Ferne rücken ließen: „Ich leide unter Endometriose, bei der sich Teile der Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutterhöhle befinden. Nach mehreren Unterleibsoperationen besitze ich nur noch einen funktionsfähigen Eierstock.“ Als sie das mit Mitte Zwanzig erfuhr, wurde Maggie Schwarz´ Kinderwunsch nur noch stärker. Sie fing an, sich mit den Möglichkeiten, die ihr als Single blieben, zu beschäftigen.

Samenspende statt fauler Kompromisse

Heute ist Maggie 37 Jahre alt und nicht bereit, sich auf irgendeine Beziehung einzulassen, nur um einen potenziellen Vater für ihr Kind zu haben. „Diese Form der Beziehung halte ich auch für keine gute Basis, um Kinder miteinander zu bekommen.“ Dass sie heute dennoch Mutter eines zweijährigen Jungen ist, verdankt sie dem medizinischen Fortschritt. „Über mehrere Jahre habe ich mich mit diesem Thema auseinandergesetzt: Über One-Night-Stand, Samenspende einer Samenbank im Ausland oder die sogenannte Becherspende, Familiengründung mit einem guten Freund, eine Regenbogenfamilie bis hin zur künstlichen Befruchtung informierte ich mich über alle Optionen, die mir als Single in Deutschland zur Verfügung stehen“, berichtet Maggie Schwarz. Letztendlich entschied sie sich für eine künstliche Befruchtung mit Hilfe einer Samenspende.

In Deutschland sind sogenannten Single Moms by Choice wie Maggie Schwarz enge Grenzen gesetzt: In 14 von 16 Bundesländern ist die künstliche Befruchtung für Singlefrauen verboten, lediglich in Berlin und Bayern dürfen künstliche Befruchtungen bei alleinstehenden Frauen durchgeführt werden. Im europäischen Ausland ist es fast überall erlaubt, weiß Soziologin und Autorin Christina Mundlos, die für ihr Buch „Dann mache ich es halt allein“ mit alleinstehenden Frauen gesprochen hat, die sich für die Erfüllung ihres Kinderwunsches künstlich befruchten ließen (siehe Interview). So fand Maggie Schwarz‘ künstliche Befruchtung in Spanien statt. Dort suchte der behandelnde Arzt den genetisch geeignetsten Samenspender aus. Bereits der zweite Versuch glückte. Maggie war überglücklich und dankbar. 

Kein Tabu: Von Anfang an ehrlich sein

In ihrem privaten Umfeld spielte Single-Mom Maggie von Anfang an mit offenen Karten. Ihre Familie und Freunde begleiteten sie durch Kinderwunschbehandlung und Schwangerschaft. Ihre Mutter war sogar bei der Geburt ihres kleinen Sohnes sowie im Wochenbett an ihrer Seite. Negative Reaktionen hat die 37-Jährige bis heute keine erfahren. Und selbst wenn – ihr Sohn ist es wert: „Er hat mein Leben um so viel mehr bereichert, als ich mir je hätte erträumen können. Er vervollständigt mich.“ Wie in anderen Familien auch, sei es auch bei ihnen nicht immer einfach. Zurzeit habe die Trotzphase ihren Sohn fest im Griff. „Trotzdem: Er macht mich unsagbar glücklich“, sagt Maggie Schwarz. „Seit dem Tag des positiven Schwangerschaftstests bin ich einfach nur froh und dankbar, dass ich Mutter sein darf.“

Selbstverständlich ist das Vater-Thema dennoch im Alltag präsent, schließlich begegnet man Papas überall. Maggie Schwarz hält sich hier an die Empfehlung der Familienberaterin, die sie noch während der Schwangerschaft aufgesucht hatte: Sie möchte ihrem Sohn die Situation so früh wie möglich erklären, damit diese nichts Außergewöhnliches für ihn darstellt. „Er ist jetzt zwei Jahre alt, und ab und an fällt das Wort ‚Papa‘. Dann sage ich ihm, dass wir keinen Papa haben und es nur uns und Oma und Opa gibt. Bisher reicht das.“ Später, so Maggie Schwarz´ Plan, wolle sie ihm erklären, dass ein netter Mann ihr geholfen habe ihn zu bekommen, weil sie sich ihn, ihren Sohn, so sehr gewünscht habe. „Er hat nun mal keinen Papa, wie seine Freunde aus der Kinderkrippe und der Nachbarschaft.“ Sie hofft, dass er das eines Tages verstehen kann und sie dafür nicht hassen wird. Laut Familientherapeutin werde das nicht eintreffen, da er damit aufwachse und mit Liebe überschüttet werde. Doch ein Hauch von Zweifel bleibt: „Hoffentlich“, so Maggie Schwarz, „behält die Familienberaterin Recht.“

Zuwendung wichtiger als Familienkonstellation

Für ihren Sohn ist ihr eigener Vater die männliche Bezugsperson. „Ich hoffe, dass er noch lange sein Held sein kann. Ansonsten versuche ich so viel wie möglich Kontakt mit Vätern aus dem Bekanntenkreis herzustellen, damit er einige Männer im Umfeld hat, von denen er lernen kann.“

Dr. Sandra Lentzen, leitende Kinder- und Jugendtherapeutin an der Wiesbadener Akademie für Psychotherapie, weist darauf hin, dass Kinder Alleinerziehender eher auf die Persönlichkeit des Elternteils als auf das Geschlecht reagieren. „Die Mehrzahl der Kinder, die von Alleinerziehenden großgezogen werden, entwickelt sich völlig normal. Die Qualität der Zuwendung ist natürlich wichtiger als die der Familienform. Wünschenswert wären allerdings mehr männliche Bezugspersonen in Kindergärten und Grundschulen.“

Auch Soziologin Christina Mundlos, selbst Mutter zweier Kinder, betrachtet die Sorge, dass Kinder von Single-Moms unter dem abwesenden Vater leiden, als eher unbegründet. „Zum einen leben inzwischen sehr viele Kinder bei alleinerziehenden Frauen. Einige der Väter lassen sich viel zu wenig oder gar nicht blicken. Zum anderen zeigen Studien, dass die Kinder sogar verhaltensoffener sind: Sie sind weniger stark in Geschlechterrollen gepresst als Gleichaltrige aus traditionellen Familien.“

Kritikern von Single-Mums entgegnet sie außerdem, dass es ziemlich anmaßend sei, das Leben eines Kindes bei einer alleinerziehenden Mutter als lebensunwert darzustellen. Zumal Studien zeigten, dass Mütter mit einem derart starken Kinderwunsch sich besonders liebevoll um den Nachwuchs kümmern, ihnen sehr viel Wärme und Geborgenheit schenken.

Ohne Vater: eine egoistische Entscheidung?

Singlefrauen, die sich ihren Kinderwunsch ohne Partner erfüllen, werden oft von der Gesellschaft kritisiert und als egoistisch bezeichnet. Ein Kind, so heißt es, brauche doch unbedingt seinen Vater.

Dieser Egoismus-Vorwurf sei auch spannend, sagt Christina Mundlos. Er werde nicht den Männern gemacht, die seltener einen Kinderwunsch hegten – sondern eher den Frauen, die sich von der Abwesenheit der Väter nicht beeindrucken ließen. „Zudem müssen sich Frauen wohl immer Egoismus vorwerfen lassen: wenn sie kinderlos bleiben wollen oder wenn sie auf eigene Faust Kinder bekommen möchten oder wenn sie Kinder und Job unter einen Hut bekommen wollen.“

Maggie Schwarz steht voll hinter ihrer Entscheidung „Ich bereue nichts, ganz im Gegenteil und ja, ich würde es wieder machen!“ Um anderen Frauen in einer ähnlichen Situation Mut zu machen, hat sie ihre Erfahrungen in ihrem Buch „Wunschkind. Wie sich eine Singlefrau ihren größten Wunsch erfüllt“ unter dem Pseudonym Maggie Schwarz aufgeschrieben.

Experten-Interview: „Single-Mums sind sehr reflektiert und abwägend“

Christina Mundlos
Die Soziologin und Buchautorin Christina Mundlos hat zahlreiche Frauen kennengelernt, die sich ihren Kinderwunsch ohne Partner erfüllt haben. Sie selbst ist zweifache Mutter.

kidsgo: Für Ihr Buch haben Sie mit vielen Single-Mums gesprochen. Wie haben Sie Ihre Gesprächspartnerinnen erlebt?
Christina Mundlos: Frauen, die über eine künstliche Befruchtung als Single nachdenken, sich dafür interessieren oder den Schritt gewagt haben, erlebe ich allesamt als sehr reflektiert und abwägend. Sie befassen sich mit ihrer Entscheidung deutlich länger als die meisten Frauen in Beziehungen, wenn es um die Frage geht, ob sie Mutter werden möchten.

Es gibt zahlreiche alleinerziehende Mütter, bei denen die Kindsväter von der Bildfläche verschwunden sind. Worin besteht der Unterschied zu einer Frau, die sich für eine Samenspende entscheidet?
Frauen, die bewusst als Single Mutter werden, haben es genau so geplant. Sie sind nicht überrascht oder entsetzt darüber, dass sie nun alleinerziehend sind. Sie müssen keine Trennung und auch nicht das „Scheitern“ ihres Familienmodells miterleben. Alleinerziehende, bei denen plötzlich die Väter abtauchen, haben auch heute noch häufig vor der Trennung ein traditionelles Familienmodell gelebt: Er hat Geld verdient und sie die Kinder erzogen. Für sie ist die Trennung oft auch finanziell eine Katastrophe.

Welche moralischen Fragen wirft diese Entscheidung auf?
Natürlich muss man sich immer fragen, ob jede medizinische Möglichkeit auch ausgereizt werden sollte. Die Singlefrauen selbst stellen sich die Frage, ob diese Planung auch fair für das Kind ist oder ob es eine egoistische Entscheidung ist. Doch es ist schwer, solche moralischen Fragen zu ergründen, wenn das Kind noch gar nicht existiert und das auch nie wird, wenn man sich dagegen entscheidet. Wichtig ist, dass sich die Frauen mit diesen Fragen befassen, denn sie werden ihnen noch für lange Zeit auch regelmäßig von anderen gestellt.

Welche Kriterien sollten bei solch einer Entscheidung gelten?
Die finanzielle Situation ist sicher einer der Faktoren, der darüber entscheidet, ob man sich als Single künstlich befruchten lässt. Alleinerziehende, die Unterhalt vom Vater oder Unterhaltsvorschuss vom Staat erhalten, leben schon oft unterhalb der Armutsgrenze oder sind Hartz 4-Bezieherinnen. Single-Mums erhalten keinerlei Unterhalt. Sie sind völlig auf sich gestellt. Das kann sich nicht jede Frau leisten.

Frau Mundlos, Wir danken Ihnen für das Gespräch.

Buchtipp

Buch: Dann mach ich es halt alleinFrauen kriegen heute immer später Kinder. Dies liegt vor allem daran, dass feste Bindungen seltener, zögerlicher und später eingegangen werden – Generation beziehungsunfähig. Für die Männer stellt dies weniger ein Problem dar. Sie können auch mit 40 oder 50 Jahren noch eine Familie gründen, für Frauen aber tickt die biologische Uhr.
Nun hat der medizinische Fortschritt dazu geführt, dass Frauen nicht mehr auf einen Partner angewiesen sind, um ein Kind zu bekommen. Sie müssen nicht länger auf „den Richtigen“ warten, sondern können sich mithilfe einer Samenspende künstlich befruchten lassen.
In diesem Buch informiert Christina Mundlos umfassend über die medizinischen Möglichkeiten und die juristische Sachlage. Ebenso spricht sie moralische Fragen an, weist auf potenzielle Alltagsprobleme als alleinerziehende Mutter hin und bietet viele praktische Hinweise für Frauen, die diesen Schritt für sich erwägen.

Christina Mundlos, Dann mache ich es halt allein. Wenn Singlefrauen sich für ein Kind entscheiden und so ihr Glück selbst in die Hand nehmen, mvg Verlag, 2017, 16,99 Euro. ISBN 978-3-86882-722-4