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Tagebücher aus der Schwangerschaft

Eine neue wunderbare, aufregende und vielleicht auch lang erwartete Lebenszeit beginnt. Für unsere Tagebücher-Blogs haben wir immer 3-4 schwangere Frauen in unterschiedlicher Schwangerschaftsphase, die in freudiger Erwartung über jede Woche dieser spannenden Zeit schreiben, uns und die vielen tausend Follower:innen daran teilhaben lassen und damit unvergessliche Momente schaffen.
20. Schwangerschaftswoche

Schöne neue Welt

Eine völlig neue, bisher unverständliche Welt öffnet jetzt für mich ihre Türen.

Bald werde ich die Interessen und Sorgen einer mir noch eher fremden Bevölkerungsgruppe teilen – die der Eltern. Früher habe ich nie bemerkt, wie viele Kinder auf den Straßen unserer Stadt herumlaufen oder in Kinderwägen durch die Gegend gefahren werden. Jetzt sehe ich sie ständig. Beim Joggen mache ich Pausen und lege ich mich ab und zu auf die Bank in der Nähe eines Spielplatzes, um die dort spielenden Kinder zu beobachten. Oft fange ich an, Kinder in der S-Bahn anzustarren. Meist interessieren mich ihre Augen. Sie sind unglaublich schön – offen, neugierig, tief, intelligent und gar nicht müde, wie bei den meisten Erwachsenen. Und die Kinder, die ich anstarre, fühlen dieses Interesse und begrüßen mich dafür immer öfter. Sie sagen „Hallo“ oder sie lächeln mich einfach an. Ich habe eine neue Form des Glücklichseins entdeckt.

Auch entdecke ich nach und nach eine für mich völlig neue materielle Welt – die bisher nie aufgesuchte Abteilungen in Geschäften. Es begann an dem Tag, an dem ich ahnte, dass ich schwanger bin. Ich lief durch Rossmann und suchte vergeblich nach einem Schwangerschaftstest. Ich wusste gar nicht, wie die Dinger aussehen. Uberraschenderweise waren jegliche Informationen über Schwangerschaft und Kindererziehung in meinem bisherigen Leben an mir vorbeigegangen. Auch gab es keine Familien mit Kindern in meinem Bekanntenkreis. Ich war sogar stolz auf meine Unwissenheit auf dem Gebiet.
Jetzt gehe ich auf eine Exkursion durch Babywaltz und die MyBaby-Abteilung bei Müller. Ich muss mich mit meiner neuen Welt langsam vertraut machen. Brauchen Kinder wirklich alle diese Produkte? Ich zweifle sehr daran. Es macht bestimmt Spaß, sie einzukaufen, aber es ist in erster Linie ein Spaß für die Eltern selbst. Wie viel einfacher ist das Leben werdender Eltern heute, als vor 50 Jahre! Meine Oma erzählte, wie in der Nachkriegszeit mein Opa nach dem sechsstündigen Schlange stehen, einige Meter Stoff ergattert hatte. Daraus haben sie dann Windeln gemacht, die Oma selber waschen musste. Jetzt entdecke ich im Laden sogar ein kluges Windelentsorgungssystem, dass Windeln wie eine Wurst verpackt. Babyphone? Ich muss es gleich wegstreichen – völlig überflüssig bei meiner Wohnungsgröße! Beim Anblick der Babyschlafsäcke muss ich lachen, da ich zum ersten Mal im Leben etwas so wunderbares und seltsames sehe. Trinkhüllen, Babykostwärmer, Insektenschutznetz, Fingerling für die Zähne – mit dem ganzen Kramm muss ich mich also jetzt auseinandersetzen: Einverstanden! Alles, was ich tue, habe ich bisher gut getan. Also wird das hier auch keine Ausnahme bilden.

Du strampelst – immer mehr und immer kräftiger. Ich habe mich in dieser relativ kurzen Zeit an deine Bewegungen in meinem Inneren gewöhnt. Mittlerweile sind sie genau so natürlich wie das Pupsen oder Rülpsen geworden. Du scheinst aber deinen eigenen Tagesrhythmus zu haben – du fängst mit deinem Strampeln gerade dann an, wenn ich einschlafen möchte. Und später als um 10 Uhr darf ich nicht einschlafen, da ich früh zur Arbeit muss und mich sonst den ganzen Tag schlapp fühle. Also versuche ich dich zu beruhigen, indem ich meinen Bauch streichle und dich bitte, damit aufzuhören. Du wirst wohl wie dein Vater sein – ein Nachtmensch und Langschläfer. Er wollte auch nie um 10 abends mit einschlafen und musste reden ohne Ende, bis ich irgendwann weg war. Wie viele andere Eigenschaften und Gewohnheiten wirst du von ihm erben? Werden in dir die Unterschiede in unseren Lebensweisen und Ansichten noch stärker zu Tage treten? Oder wirst du vielleicht gerade zum Gegenteil – zu etwas, das die Gegensätze zwischen deiner Mutter und deinem Vater entschärft, sie erträglicher und sanfter macht? Die letzte Variante gefällt mir viel besser. Anders kann es einfach nicht sein! Schließlich wirst du – von den Umständen unabhängig – deine beiden Eltern lieb haben. „Zwei Dinge sollten wir unseren Kindern mitzugeben versuchen: Das eine sind Wurzeln, das andere Flügel“, ein Zitat von Hodding Carter, dass ich neulich las. Wie schön und wahr. Und, da ich in der letzte Zeit versuche, mir abzugewöhnen, metaphorisch zu denken, habe ich mir zunächst eine Kreatur vorgestellt, die einem fliegenden Tannenbaum oder einem verwurzelten Papagei äußerlich ähnlich ist. Ich hoffe, wie wohl jede andere werdende Mama, dass du doch das Beste von deinen beiden Eltern mitnehmen wirst. Denn – leider – gibt es auch kahle Flügel und verfaulte Wurzeln.

Ich habe neulich meine Haare abgeschnitten und dein Vater endgültig geistig losgelassen. Nie wieder werde ich mir nachts vorstellen, dass er neben uns liegt.



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Kommentare von Lesern:

Gast16.07.2010 12:42

es ist völlig normal dass das kind dann aktiv ist wenn man einschlafen möchte, ganz einfach weil dein bauch da am entspanntesten ist! also nicht alles gleich wieder dramatisieren....

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Maria, Berlin12.07.2010 19:42

Jaja, mit dem Einkaufen von Fingerleinge und anderem Zeug kannst Du Dir getrost Zeit lassen, bis Du es wirklich brauchst - oder eben nicht. Das merkt man ja dann. Und in Berlin ist ja gottseidank immer irgendwo etwas auf, um es zu kaufen. :) Prima mit den Haaren! Aber ich wuerde sagen, sei vorsichtig mit dem Glauben, dass Du den Vater endgueltig losgelassen hast - ich glaube, das dauert laenger als man denkt - ging jedenfalls mir so. Nicht, dass Du dann voellig unerwartet einen seelischen Faustschlag in die Magengrube erhaelst...auch weiter alles Gute! Hab einen schoenen Sommer!

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Babykram, Einkäufe, Windeln, Eltern