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Tagebücher aus der Schwangerschaft

Eine neue wunderbare, aufregende und vielleicht auch lang erwartete Lebenszeit beginnt. Für unsere Tagebücher-Blogs haben wir immer 3-4 schwangere Frauen in unterschiedlicher Schwangerschaftsphase, die in freudiger Erwartung über jede Woche dieser spannenden Zeit schreiben, uns und die vielen tausend Follower:innen daran teilhaben lassen und damit unvergessliche Momente schaffen.
Geburt

Überrumpelt und überwältigt

Wir haben Glück mit der Einleitung. Alles geht gut und schneller als gedacht.

Am Donnerstagmorgen, dem 22. Dezember, treten wir um 9 Uhr in der Entbindungsklinik zur Geburtseinleitung an. Die letzten Nächte waren seltsamerweise ganz okay, ich habe jeweils ein paar Stunden schlafen können. Ich habe noch einiges probiert, um die Geburt auf natürlichem Weg in die Gänge zu bringen - Ingwertee z.B. und ein homöopathisches Mittel von meiner Hebamme - aber nichts hat sich getan. Nun sind wir eigentlich recht entspannt und freuen uns darauf, endlich unser Baby zu bekommen.

Um 10 Uhr bekomme ich die erste Medikamentendosis, nachdem ein CTG geschrieben wurde, auf dem keine Wehen sichtbar waren. Auch diese erste Dosis bewirkt nichts weiter, und so werden wir zu um 14 Uhr wieder in den Kreißsaal bestellt, für das nächste CTG und die nächsten Tabletten. In der Zwischenzeit gehen wir eine Runde spazieren, beziehen unser Zimmer auf der Wochenbettstation und essen Mittag in der Cafeteria.

Auch auf dem CTG um 14 Uhr ist noch keine Wehe zu sehen. Also gibt es die doppelte Dosis Wehenmittel. Es ist Schichtwechsel bei den Hebammen, und die Hebamme, die sich jetzt um uns kümmert, erzählt uns, es könne auch ganz schnell gehen. Sie habe gerade am Vortag eine Einleitung gehabt, bei der die Frau noch am Abend des selben Tages ihr Baby in den Armen halten konnte. Na, da werden wir sicher nicht so viel Glück haben, und die Statistik eher wieder gerade rücken, mit einer Dauer von mindestens 2 oder 3 Tagen.

Um 15.30 Uhr gehen wir nochmal los auf einen Spaziergang. Kann ja nur förderlich sein. Ich merke inzwischen ein leichtes Ziehen im unteren Rückenbereich, das aber irgendwie dauerhaft da ist, nicht wie Wehen in regelmäßigen Abständen mit Pausen. Ich muss ab und zu schon mal stehen bleiben und mir das Kreuz etwas massieren lassen. Aber alles noch gut auszuhalten, und Wehen können das nun wirklich noch nicht sein.

Um 18 Uhr gibt es nochmal eine kleine Dosis Wehenmittel, die letzte für heute, dann wird Pause gemacht bis zum nächsten Tag. Nachdem ich die Kapsel geschluckt habe, wird wieder eine halbe Stunde CTG geschrieben. Irgendwie wird das Ziehen immer nerviger. Es ist die ganze Zeit da, wird in regelmäßigen Abständen aber stärker und unangenehmer und drückt auch schon. Besonders unangenehm finde ich, dass ich dabei jedes Mal so Kreislaufattacken bekomme. Ich zittere und mir wird übel. Ich fiebere dem Ende des CTG entgegen, die Abstände sind schon so kurz, dass ich das Gefühl habe, kaum Pausen zu haben. Ich habe das dringende Bedürfnis, von dieser Liege zu springen und irgendeine andere Position einzunehmen, die das Ganze erträglicher macht. Und ich frage mich ehrlich gesagt jetzt schon, wie ich das denn bitteschön noch 12 Stunden oder ich weiß nicht wie lange aushalten soll.

Die Hebamme meint, das Ziehen könne alles oder nichts bedeuten. Ebenso, dass der Muttermund sich 1 cm geöffnet hat. Es kann heißen, dass es losgeht oder aber sich wieder verflüchtigen. Ich frage, ob sie mir nicht irgendwas für den Kreislauf geben kann. Das seien nun mal die Wehen, meint sie, und völlig normal. Das sei jetzt eben ein doofer Tag, mit der Geburt, aber dann sei es ja geschafft. Ich sage, dass es aber jetzt schon leicht auf den Darm drückt, sie meint, auch das seien die Wehen, die drücken nach unten. Hm, ich weiß ja nicht. Sie schickt uns jedenfalls gegen 19 Uhr nochmal aufs Zimmer, ich soll viel laufen und um 22 Uhr nochmal zur Kontrolle wiederkommen.

Auf dem Zimmer angekommen, wird das Ganze irgendwie immer schlimmer. Dieser Kreislauf, das sind doch keine Wehen?! Die hab ich mir irgendwie anders vorgestellt, so ziehend, als würde es den Bauch zerreißen. Bei mir ist es nur unten im Kreuz und/oder ganz unten im Unterleib. Am schlimmsten ist dieser Druck. Und die Abstände sind so dicht, 2-3 Minuten würde ich schätzen, und ich weiß jetzt schon nicht mehr, wohin mit mir. Ich laufe umher, schmeiße mich auf den Wickeltisch, setze mich auf den Stuhl. Nichts gibt es, was es mir erträglicher macht. Und die ganze Zeit hab ich das Gefühl, dass es einfach schon sehr auf den Darm drückt. Aber bei 1 cm Muttermundsbefund kann das doch wirklich noch nicht sein. Also halte ich mich für die größte Memme der Welt, dass ich "dieses bisschen" am Anfang schon so schlimm finde.

Sebastian wirkt zunächst auch eher panisch, er sieht mich leiden und weiß nicht, was er machen soll. Fragt, ob wir wieder in den Kreißsaal wollen, was ich verneine. Die Hebamme lacht uns sicher aus und schickt uns eh wieder weg. Schließlich holt Sebastian eine Schwester und gemeinsam kommen wir zu dem Entschluss, uns doch in den Kreißsaal zu begeben. Nach gerade mal 15 oder 20 Minuten auf dem Zimmer. Sie schieben mich im Rollstuhl zum Ausgang der Station. Ich habe das Gefühl, die Wehen ziehen mir die Beine weg, so kann ich auf keinen Fall noch laufen. Am Ausgang wartet schon die Hebamme, die mich aus dem Rollstuhl scheucht, ich solle gefälligst laufen. Ihr Ernst???

Wir quälen uns die 20 Meter den Flur hinunter, ich entschuldige mich nur, dass ich so eine Memme bin. Ich kann mich nicht mal auf die Atmung konzentrieren, da mein Körper von ganz allein hyperventiliert. Die Hebamme redet mir zu, ich solle tief ein- und lang ausatmen. Haha, sehr witzig, das geht nicht. Als wir gegen 19.30 Uhr endlich im Kreißsaal angekommen sind, will ich sofort eine PDA. Wobei die ja auch nichts gegen diesen Druck ausrichten kann. Aber egal, irgendwas muss passieren, damit ich das noch bis zum Ende durchhalten kann.

Die Hebamme meint, sie schaue mal, ob wir schon eine PDA setzen können. Dazu müsse der Muttermund schon bei 2-3 cm sein, die Geburt also definitiv im Gange. Der Muttermundsbefund lässt sie Bauklötzer staunen. "Der ist vollständig", sagt sie total überrascht. "Na gut, 1-2 Zentimeter fehlen noch, ein kleiner Rest vom Gebärmutterhals steht auch noch." Und die PDA? "Die schaffen wir jetzt nicht mehr, das Baby kommt jetzt!" Bitte, was?! Wie, jetzt?! Aber, aber, so schnell?!?! Wir sind völlig überrumpelt, keine Zeit mehr, großartig nachzudenken. Ich wusste es doch, dieser Druck! Ich bin also doch nicht ganz blöd, was mein Körpergefühl angeht.

Ab jetzt funktioniere ich nur noch. Dass es nicht mehr lange dauert, spornt mich unheimlich an. Ich soll in den Vierfüßlerstand, weil das Köpfchen so am besten runterrutschen kann, und erstmal noch hecheln. Pressen darf ich noch nicht. Dass ich mich auf das Hecheln konzentrieren kann, hilft mir sehr. Die Wehen sind aber so stark, dass ich auf dem Höhepunkt gar nichts dagegen tun kann, dass mein Körper von ganz allein automatisch mitpresst. Es krampft sich einfach alles zusammen, und ich spüre, wie dabei mit einer alles überwältigenden Urgewalt etwas Großes in mir nach unten geschoben wird. Dabei kommen Laute aus meinem Mund, die einem angestrengten Würgen ähneln und die ich nicht unterdrücken kann. Von mir aus hätte ich eigentlich nicht das Bedürfnis, laut zu schreien. Es ist eher ein angestrengtes Pusten und erleichtertes Stöhnen und Durchatmen, wenn die Wehe abklingt.

Nebenan im Nachbarkreißsaal ist ebenfalls eine Geburt in vollem Gange. Fast wie ein Wettlauf, meint die Hebamme im Scherz. Natürlich ist es das nicht. Es ist mir piepegal, wer von uns als erste entbindet, wenn die gute Frau nur endlich aufhören würde, so zu schreien. Das kann ich irgendwie gar nicht haben, lässt sich aber natürlich nicht ändern. Ich merke, dass ich während der Wehen keinerlei Geräusche haben mag, auch kein anspornendes Zureden von Sebastian. Ich muss mich ganz auf mich und mein Inneres konzentrieren. In den Wehenpausen hingegen bin ich voll da und stelle der Hebamme sogar interessierte Fragen. "Was machen Sie da jetzt?" "Was untersuchen Sie da?" Ich wundere mich über mich selbst. :-D

Die Hebamme macht auch interessante Dinge. Sie fühlt immer schon mal nach dem Köpfchen und meint "Das kommt, das kommt. Super!" Außerdem tut sie kund, dass die Kleine es offenbar schön findet, wenn man sie sie am Köpfchen krault. Ich glaube, nicht richtig zu hören, wie schräg! Ich soll jedenfalls noch ein bisschen weiter im Vierfüßler hecheln - und frage mich langsam, wann ich denn endlich mitpressen darf.

Sebastian ist mir insgesamt eine riesige Hilfe. Auch er funktioniert einfach, in dieser Ausnahmesituation. In den Wehenpausen flößt er mir gefühlt literweise Wasser ein und redet mir gut zu. Wie toll ich das machen würde und wie stolz er sei. Ich bin auch total stolz auf ihn, weil er nicht das geringste Anzeichen von Schwäche zeigt, er, der ja wirklich Bammel hatte. Wir sind schon ein tolles Team - wir drei, denn die Kleine macht die ganze Zeit super mit. Ihre Herzfrequenz ist permanent im entspannten Bereich mit um die 130-140 Schlägen pro Minute.

Irgendwann soll ich mich auf die Seite legen. Sebastian hält mein Bein, und ich soll immer noch hecheln. Meine Güte, das dauert aber nun doch noch ganz schön lange. Dann geht es auf den Rücken. Die Fruchtblase platzt mit einem kleinen Schwall und die Hebamme entleert noch einmal meine Blase per Katheter. Jeder Platz wird jetzt gebraucht. Dann ist es soweit: Endlich darf ich pressen. Ich denke nicht weiter nach und gebe alles. Pro Presswehe etwa zwei bis dreimal tief Luft holen und los. Nach der ersten ist der Kopf zu einem Viertel bis der Hälfte da, verkündet die Hebamme. Wow, so schnell? Mit der zweiten Presswehe ist der ganze Kopf geboren. Ich kann kaum glauben, was ich da zwischen meinen Beinen sehe. Jetzt möchte ich auch kurz fühlen, was ich vorher noch verneint habe. Ich spüre die weichen nassen Haare unseres kleinen Mädchens, ein unglaubliches Gefühl.

Mit der dritten und letzten Presswehe wird erst eine Schulter geboren, dann soll ich ein wenig sanfter drücken, und unsere Tochter gleitet vollständig aus mir heraus. Unglaublich, da liegt sie, und ist sofort am Schreien wie am Spieß. Nie werde ich diesen Anblick vergessen, wie dieses kleine kräftige bläulich-rote Bündel dort auf der Seite liegt. Wir können es irgendwie nicht richtig glauben. Sebastian hat Freudentränen in den Augen, aber ich bin erstmal einfach nur erleichtert, dass es tatsächlich geschafft ist und die Schmerzen schlagartig vorbei sind. Es ging so schnell, ich kann es noch nicht realisieren.

Nachdem die Nabelschnur auspulsiert ist, durchtrennt Sebastian sie. Ich bin unheimlich stolz auf ihn und natürlich auch auf mich. Es ist 20.39 Uhr - hab ich das wirklich in diesem Höllentempo mal eben hinter mich gebracht? Mit nur drei Presswehen? Es ist irgendwie alles so ganz anders gelaufen, als ich es mir vorgestellt habe. Fühlte sich einfach komplett anders an. Und irgendwie im Nachhinein gar nicht so schlimm.

Ich nehme wie in einem Traum wahr, wie mir die kleine Maus auf die Brust gelegt wird. Sie beruhigt sich relativ schnell. Und beäugt mich ganz neugierig. Ich kann es immer noch nicht fassen. Ich bin so glücklich, froh und dankbar, dass alles gut gegangen und sie gesund ist. Sie erhält bei der APGAR-Beurteilung volle Punktzahl, topfit! Gut auch, dass ich vorher nicht gewusst habe, dass sie tatsächlich so stattliche Maße hat: 53 cm, 4.270 Gramm und vor allem 37 cm Kopfumfang! Dafür ging es doch recht schnell und einfach. Wir genießen die ersten Stunden als frischgebackene kleine Familie, die Zeit vergeht wie im Flug.

Als ich schließlich aufstehen soll, um mich frisch zu machen, spielt mein Kreislauf nicht mit. Mir wird total schwindelig, nichts zu machen. Leider bessert sich das überhaupt nicht, sodass ich schließlich im Bett auf die Wöchnerinnenstation gebracht werden muss. Unsere kleine Tochter liegt dabei die ganze Zeit bei mir. Die Kreislaufprobleme trüben meine Freude über dieses unfassbare Ereignis überhaupt nicht. Ich bin noch total aufgedreht, voller Hormone, und obwohl es schon nach Mitternacht ist, hellwach. Um 1 Uhr fährt Sebastian nach Hause, ein doofes Gefühl, aber leider haben wir kein Familienzimmer bekommen. Ich verbringe die erste Nacht als frischgebackene Mama damit, meine kleine Tochter fasziniert zu betrachten und ihren süßen Babygeräuschen zu lauschen...

Zum Schluss möchte ich euch noch danken für eure aufmunternden Kommentare unter meinem letzten Eintrag. Es ist eben wirklich so, dass man sich manchmal mehr verrückt macht als notwendig, weil am Ende alles halb so schlimm wird. Ich bin unheimlich dankbar, glücklich und stolz, dass wir das so gut gemeistert haben. Die erste Hürde, die wir als kleine Familie genommen haben. Nun sehen wir gespannt der aufregenden Zeit entgegen, die vor uns liegt.

Wir wünschen euch allen ein glückliches und gesundes Jahr 2017. Lasst es euch gut gehen und denkt immer positiv.

Eure Annika und Sebastian mit der kleinen Strampelmaus



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Kommentare von Lesern:

Emilia, Berlin18.01.2017 13:53

Liebe Annika,
herzlichste Glückwünsche zu eurer Tochter und diesem positiven Geburtserlebnis. Das habt ihr wirklich toll gemacht. Du hast großartige Geburtsarbeit geleistet, dein Baby hat sich von der Einleitung nicht beeindrucken lassen und dein Sebastian konnte wertvoller Teil dieses Erlebnisses sein. Ich freue mich für euch alle und wünsche, dass ihr ein ebenso schönes und komplikationsfreies Wochenbett genießen könnt.
Alles Liebe und Gute!

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Claudia09.01.2017 21:12

Das hast du super gemacht.
Herzlichen Glückwunsch zu eurer Tochter!
LG

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Sandra09.01.2017 13:21

Liebe Annika, dir und Sebastian alles, alles Liebe und Gute zum kleinen großen Wunder! Toll, dass alles so gut geklappt hat! Eine wunderschöne Zeit für euch, und ich freue mich schon auf deinen Nachbericht über euer Leben als Familie. Liebe Grüße, Sandra

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