Streit und Diskussionen um Termine, Behandlungen und Start der Kinderwunschbehandlung.
In den letzten Wochen hatten wir drei Termine in unserer neuen Klinik. Vor dem Start der ersten Behandlung wollte die Ärztin meinen Zyklus „kennenlernen“, um die Höhe der Dosierung der Medikamente etwas besser einschätzen zu können. So war ich also zweimal alleine zum Ultraschall und zur Blutabnahme, um die Hormonwerte zu bestimmen. Wie immer sah alles ganz nett aus und es gab keine größeren Auffälligkeiten.
Am dritten und letzten Termin besprachen wir den Ablauf der geplanten Behandlung, die Risiken und Nebenwirkungen, die Kosten und die Chancen auf eine Schwangerschaft.
Wir haben uns zusammen mit der Ärztin nun auf eine ICSI (= Intrazytoplasmatische Spermieninjektion) - Therapie geeinigt. Bei unseren Befunden wäre auch eine IVF (=in-Vitro- Fertilisation) denkbar gewesen, in der sich Samen- und Eizelle quasi selber finden und nicht nachgeholfen wird. Allerdings kann es sein, dass eben genau darin das Problem liegt und Samen- und Eizelle sich nicht finden. Und nachträglich noch schnell zu einer ICSI umzuschwenken, ist schwierig und birgt das Risiko, alle Ei- und Samenzellen und somit den Versuch zu verlieren. Daher sicherheitshalber eine ICSI.
Die Behandlung wird, wenn alles gut läuft, folgendermaßen ablaufen:
- Ab Zyklustag 21 nehme ich jeden Tag ein Nasenspray ein, welches die körpereigene Hormonproduktion herunterfahren wird. An Tag 20 erfolgt der erste Ultraschall und Blutentnahme zur Bestimmung der Hormonwerte.
- Tag 4-5 Ultraschall + Blutabnahme und Beginn der eigentlichen Stimulation. Wie schon während der Insemination muss ich mir wieder jeden Abend ein Medikament spritzen, welches die Eizellreifung anstößt. Im Gegensatz zur Insemination starte ich mit 150 Einheiten und nicht nur mit 50.
- Tag 9 Ultraschall + Blutabnahme
- Tag 11 Ultraschall + Blutabnahme
- Tag X Eizellentnahme. Diese geschieht morgens unter Narkose und den restlichen Tag darf ich weder arbeiten noch in die Uni.
- Ca. 2 Tage später werden zwei Embryonen, sofern welche da sind, zurücküberführt. Dieser Vorgang ist harmlos und ähnelt einer Insemination.
- 2 Tage später Ultraschall und Blutabnahme
- ca. 12 Tage später Blutabnahme zur Schwangerschaftsbestimmung
Wer mitgezählt hat, kann erkennen, dass ich innerhalb von ca. sechs Wochen also 8 Mal in die Klinik muss. Klingt erstmal nicht viel, aber da die meisten Termine in die erste Zyklushälfte fallen, sind es also 6 Termine innerhalb von ca. 2 Wochen.
Dass es tatsächlich so viele Termine werden, war mir im Vorfeld nicht bewusst und das treibt mir auch schon wieder Stressperlen auf die Stirn.
Da mein Zyklus diesen Monat so blöd fällt, müssen wir uns von einem Behandlungsstart im Dezember verabschieden. Die Klinik ist vor Weihnachten geschlossen und hat auch während der Feiertage natürlich nicht geöffnet.
Nachdem die Ärztin also unbedarft unseren Starttermin für die Behandlung in den Januar verschoben hatte, ich zusätzlich mit der Vielzahl an Terminen konfrontiert war und mir mein Mann ob meiner Verzweiflung mit naiver Unverständnis entgegnete, ist mir wirklich die Hutschnur geplatzt. Für mich war das wirklich ein kleiner Schockmoment die Behandlung wieder zu verschieben und Vorstellung und Realität prallten mal wieder mit voller Wucht aufeinander.
In meiner Vorstellung hatte ich mir die Behandlung im Dezember schon in all ihren Farben ausgemalt. Ich wollte entspannt und begleitet von der anheimelnden Weihnachtsbeleuchtung und dem beginnenden weihnachtlichen Zauber brav meine Medikamente nehmen und zu den Kontrollterminen in die Klinik fahren. Diese ewige Fahrerei, verbunden mit dem undankbaren Koordinieren von Uni und Job, würde mir dabei natürlich nichts ausmachen. Dank meines braven Körpers würden wir dann wunderschöne Eizellen gewinnen, wovon mir dann zwei vorbildliche Exemplare kurz vor Weihnachten wieder zurückgegeben worden wären. Tiefenentspannt würde ich zu Weihnachten ins heimische Berlin fahren und bei alkoholfreiem Glühwein auf dem elterlichen Sofa die Feiertage verbringen und mich von der Familie verwöhnen lassen. Ich hätte keinen (Uni)-Stress, und könnte mich dank der akademischen Weihnachtsferien so richtig erholen.
Und zu Sylvester hätten wir uns entweder tierisch gefreut, weil dies unser letztes Sylvester zu zweit bzw. das erste Sylvester zu dritt – je nachdem wie man es betrachten möchte- gewesen wäre oder wir hätten das Jahr 2017 als verdammtes kinderloses Jahr abgehakt und freudig dem Jahr 2018 entgegengeblickt. Wohlwissend, dass in Kiel in flüssigen Stickstoff gehüllt noch ein paar wunderschöne Eizellen im Dornröschenschlaf auf uns warten würden.
Ja und nun? Mal wieder zerplatzt wie eine Seifenblase mein schöner Traumplan. Mein Mann ist zwar auch etwas traurig, reagierte aber zunächst unverständnisvoll: „Ach, ärgere dich nicht. Den einen Monat können wir jetzt auch noch warten.“ Ja sicherlich, nach 3,5 Jahren Warterei kommt es auf den einen Monat nicht an. Das sehe ich genauso und es ist mir auch ziemlich schnuppe, ob mein Kind im August, September, Oktober, November oder sonst wann geboren wird.
Aber für einen relativ entspannten Behandlungsablauf müssen eben bestimmte Voraussetzungen gegeben sein und die wären meiner Meinung nach im Dezember mehr als erfüllt gewesen.
Und genau das ist anscheinend MEIN Problem und führte zu unserem ersten großen Kinderwunschstreit.
ICH muss zu zahllosen Terminen in die Kinderwunschklinik fahren. Je nachdem, ob ich dann danach noch in die Uni oder zur Arbeit oder nach Hause muss, bin ich dann bestimmt drei Stunden unterwegs.
ICH muss die zahlreichen Medikamente rechtzeitig nehmen und mich mit Hormonen vollpumpen.
ICH muss eine Operation über mich ergehen lassen und soll mich am Tag der OP und am Tag des Embryonentransfers schonen.
Im Dezember wäre das dank der Feiertage und der akademischen Weihnachtsferien kein Problem gewesen. Wie das im Januar ablaufen soll, weiß ich nicht und das bereitet mir tatsächlich Bauchschmerzen.
Versteht mich nicht falsch, wenn mein Mann könnte, würde er mir das ganze Prozedere natürlich abnehmen und er kann nichts dafür, dass eben alles an der Frau hängen bleibt. Und natürlich muss ich es nicht tun, wir können es auch einfach sein lassen.
Es ärgert mich nur, dass er mich mit Sätzen wie „Wir kriegen das schon alles hin...“ oder „Jetzt steigere dich da mal nicht so rein, andere schaffen das auch...“ abspeist und letztlich ich alleine dasitze und versuche Seminare, Vorlesungen, Arzttermine, Arbeitsschichten und Medikamentengabe zur gleichen Uhrzeit unter einen Hut zu bekommen, während er sich genau einen Tag (!), nämlich den Tag der OP, freihalten muss. Und mir dann auch noch anhören muss, ich solle mich mal entspannen und kein Drama draus machen.
Ich finde es einfach unglaublich schwer, allen gleichermaßen gerecht zu werden.
Die Dozenten in der Uni verlangen, dass man den Großteil seiner Kapazitäten dem Studieren widmet - man ist schließlich Vollzeitstudent.
Der Arbeitgeber verlangt, dass man am liebsten rund um die Uhr fürs Unternehmen verfügbar ist - man wird schließlich bezahlt.
Und ich verlange von mir selbst, dass ich entspannt, fröhlich und positiv in den Behandlungszyklus starte - man will schließlich nicht durch einen übermäßigen Stresspegel eine mögliche Schwangerschaft erschweren oder gar verhindern.
Wenn ich so zurückblicke, stelle ich fest, dass wir bisher ohne größere Querelen durch die See der Kinderwunschbehandlungen gesegelt sind. Von Bekannten und aus den Medien hört man ja immer wieder, dass ein unerfüllter Kinderwunsch die Beziehung sehr belasten kann. Da wir beide bezüglich des Kinderwunsches recht ähnlich gestrickt sind und der Kinderwunsch nie oberste Priorität in unserer Beziehung eingenommen hat, blieben größere Streitigkeiten bisher aus. Mit oberster Priorität meine ich, dass wir nie den Kinderwunsch über unsere Bedürfnisse oder Planungen gestellt haben. Während eine Bekannte ihren Mann allen Ernstes während seiner 30-minütigen Mittagspause zu einem schnellen Stell-dich-ein nach Hause beordert hat, weil die App einen möglichen Eisprung ankündigte und er nicht zu Geburtstagspartys gehen durfte, weil eventuell der Eisprung in dieser Zeit anstand, haben wir solche Verrenkungen weitgehend vermieden.
Wie dem auch sei, jetzt ist der große Streit gekommen und wir müssen uns gemeinsam überlegen, ob wir wirklich im Januar starten können und wollen.
Viele Grüße, Helena