Ja!! Ach nee, doch nicht.
Dieser Bericht handelt vom Auf und Ab in der Warteschleife und von so manchem mehr.
Die letzten Wochen gehörten wahrlich nicht zu den schönsten meines Lebens. Eigentlich habe ich sie entweder mit dem Lernen für meine diversen Prüfungen oder mit dem Hängen über dem Wasserdampfbad, um meine gequälte Nase und meine Nebenhöhlen zu durchlüften, verbracht. Zwischendurch habe ich das Berliner Wetter oder vielmehr den Berliner Sommer verflucht: Regen, Regen und nichts als Regen. Dieses Wetter schlägt einem wirklich aufs Gemüt!
Und dann war da ja noch was… irgendwo zwischen Prüfungsstress, dem Nebel aus Schmerztabletten und dem gleichmäßigen Trommeln der Regentropfen am Fenster blitzte ein Gedanke durch mein Hirn: welcher Zyklustag ist heute eigentlich? Blick in den Kalender: Tag 33 – und noch nichts in Sicht, keine Anzeichen für dieses oder jenes, absolut nichts. Die dritte Insemination geisterte un- und unterbewusst durch meinen Kopf und geriet fast in Vergessenheit.
Da mein Zyklus sich inzwischen vorbildlich zwischen Tag 28-33 eingependelt hatte, war Tag 33 eigentlich noch kein Grund sich zu erregen oder gar euphorisch zu werden. Tag 34, 35, 36 gingen ins Land und nichts passierte. Morgen für morgen tigerte ich um den Schwangerschaftstest im Badezimmerschrank und rief mich zur Contenance. Es juckte mir in den Fingern aber ich hatte solche Angst, wieder diesen nichtssagenden einzelnen Streifen zu betrachten, der mir unwiderruflich die erneute Niederlage vor Augen führen würde. Also wartete ich, horchte in mich hinein, versuchte Zeichen zu erspüren und zu deuten und vorfreudige Gedanken und Vorstellungen beiseite zu schieben.
Tatsächlich habe ich seit Beginn unserer Kinderwunschzeit ganze drei Schwangerschaftstest verbraten:
Nr. 1 gleich zu Beginn als die Zyklen noch lang waren und wir natürlich enthusiastisch davon ausgingen, es hätte gleich beim ersten Mal geklappt.
Nr. 2 als ich ein Praktikum absolvieren musste, in dem ich mit fruchtschädigenden (das heißt tatsächlich so) Reagenzien hätte hantieren müssen und ich daher absolut sicher sein wollte, dass da gerade nichts im Werden ist.
Nr. 3 vor der Anprobe meines Hochzeitskleides – das hätte ich ja dann eine Nummer größer bestellt.
Nun lag also Nr. 4 im Schrank und wartete, ja verlangte gar, benutzt zu werden. Seit den bisherigen negativen Tests habe ich eine eiserne Regel: ich setze mir eine Frist. Ich wähle mir einen Tag, der weit entfernt liegt vom Tag der beginnenden Periode. Ich möchte nicht in die Situation geraten zu überlegen, ob der Test überhaupt schon hätte anschlagen können. Zu oft haben mich diverse Freundinnen angerufen und mit mir diskutiert, ob das negative Ergebnis denn jetzt überhaut schon aussagekräftig sei. Von diesen Frühtests halte ich daher persönlich ebenso wenig. Warum verrückt machen lassen, wenn man einfach noch zwei Tage warten kann?
Mein auserkorener Tag war somit Tag 40. Und dann neigte sich Tag 39 dem Ende entgegen, ich fieberte dem nächsten Morgen entgegen, der nächste Morgen kam und sagen wir es mal so: der Test war nicht mehr erforderlich, rot auf weiß hatte ich das Ergebnis der letzten Insemination vorliegen.
Und was soll ich sagen, wieder einmal stürzte Trauer, Wut und Verzweiflung auf mich ein. Und diesmal war es wirklich schlimm. Ich habe Tränen vergossen und mich für die aufkeimende Hoffnung und die „Was-wäre-wenn“-Spielchen verflucht.
Eine Freundin gab mir einst den Rat ihrer Psychotherapeutin mit auf den Weg: sie sagte, man solle sich für jede Situation, deren Eintreffen man fürchte, einen Plan B überlegen. Man solle sich vorstellen, diese mögliche Situation träfe morgen ein und dann solle man sich Alternativen und Handlungsmöglichkeiten überlegen, um auf diese Situation zu reagieren. Hätte jemand beispielsweise panische Angst durch eine Prüfung zu fallen, so solle er das Szenario durchspielen und überlegen, was er machen könne, wenn er tatsächlich durch die Prüfung fällt. Laut ihrer Aussage würde man so die Ängste abschwächen und ihnen das bedrohliche Moment nehmen.
So machte ich also Pläne. Manche sind realistischer als andere, manche werden verworfen, wieder andere immer wieder modifiziert. Jedenfalls gibt es genug von ihnen, ich habe keinen Plan B – ich habe Plan B- Zett. Meine größte Angst ist, dass wir durch die Kinderwunschbehandlungen gehen und am Ende ohne Kind rauskommen.
Dabei ist gar nicht so sehr das fehlende Kind das größte Problem oder meine größte Angst. Ich bin überzeugt davon, dass wir auch ohne Kind ein erfülltes, glückliches Leben führen können: wir brauchen oder wollen das Kind weder um unsere Beziehung zu retten, noch um Langeweile zu vertreiben. Leider haben wir auch kein Imperium, welches wir dringend an unsere Nachkommen vermachen müssen oder entstammen einer Dynastie, die es zwingend fortzuführen gilt. Wir hätten einfach gerne ein Kind – einfach so, basta.
Ich hadere vielmehr mit meiner Lebenszeit und meiner Lebensenergie, die durch die Behandlungen unwiederbringlich verloren geht. Ich habe viele Pläne für ein Leben ohne Kind, aber ich habe keinen Plan für ein Leben in der Warteschleife.
Mir fehlt eine Anleitung, wie ich mit den jeden Monat gleichlaufenden Zyklen umgehen soll.
Ich brauche ein Konzept, um diesen Launen und Stimmungen nicht derart ausgeliefert zu sein.
Ich will die Balance schaffen zwischen einem ausgefüllten Leben, in dem ich mir Dinge leisten kann, ohne gleich wieder den Gedanken zu haben, das Geld lieber für die nächste Behandlung beiseitelegen zu müssen und einem Kinderwunsch, der zwar da, aber nicht überpräsent ist.
Ich will meinen Stundenplan und Urlaube planen, ohne darüber nachzudenken, ob das mit einer Schwangerschaft kompatibel wäre.
Ich will andere Babys, Kinder und Schwangere sehen, ohne den kleinen Stich zu spüren, den mir der Anblick zuweilen versetzt.
Ich will Geburtstage feiern, ohne darüber nachzugrübeln, dass schon wieder ein kinderloses Jahr vergangen ist und es so langsam doch mal Zeit wird.
Geht das? Ist das schaff- und machbar? Und wenn ja, wie funktioniert das? Gibt es ein Leben trotz Kinderwunschbehandlung?
Für mich und meinen Mann geht’s jetzt erstmal ein paar Tage ans Mittelmeer und wir werden versuchen diesen heiligen Gral zu finden. Denn ohne neues Konzept geht’s nicht in die vierte Insemination! Wir hören uns bald wieder, bis dahin genießt den Sommer!
Eure Helena