Neues zum Babyfernsehen, Vergesslichkeit in der Schwangerschaft und Überraschungen
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Diesmal habe ich von der Ultraschall-Untersuchung dein Porträt nach Hause mitgebracht. Da ist ein Riesenkopf mit allen dazugehörigen Attributen wie Augen, Mund und Nasenlöchern klar zu erkennen. Dazu kommen irgendwo unten zwei winzige Hände. Eigentlich ist das schon alles: Kein Körper, kein Po, keine Beine. Die Ärztin konnte diesmal keine bessere Perspektive für den Schnappschuss finden. Und als dein mehrfach vergrößerter Kopf auf dem Bildschirm erschien, dachte ich zuerst, dass du mir deine Zunge kokettierend zeigst, und danach, dass du bewusst lächelnd fürs Porträt posierst. Beides konnte ich dir ganz gut zutrauen. Ich fühle es immer, wenn ich fotografiert oder angestarrt werde, auch wenn es hinter meinem Rücken passiert. Hässlich wie du es jetzt noch immer bist, hast du es in dem Moment geschafft, dass ich mich so richtig in dich verliebt habe.
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In der Schwangerschaft wird man (frau) vergesslich. Und das ist kein Quatsch, Mythos oder Vorurteil, sondern eine wissenschaftlich belegte Tatsache. Wieder sind da die winzigen bösen Hormone im Spiel. Ich kann mich damit momentan bei Bedarf wunderbar rechtfertigen. Aber ob diese Erklärung nach der Geburt weiter funktionieren wird? Immer öfter muss ich feststellen, dass ich die selbstverständlichsten Dinge vergesse: Meine Schlüssel, den Müllsack oder – viel schlimmer – den Wecker zu stellen, weil ich denke, dass morgen ein Sonntag ist, wie es mir am Donnerstag passiert ist.
Oder am Mittwoch: Bei einer Präsentation haben alle von einer Person gesprochen, deren Namen ich notieren musste, da ich sie offensichtlich nicht kannte. Meine Chefin hat dabei ihre Augenbrauen nach oben gezogen: Ich habe ihr selber von dieser Person mehrfach erzählt, meinte sie. Danach erinnerte ich mich an beides – den Namen und den Mensch, aber als wir von ihm anfangs redeten, schien mir der Name völlig unbekannt.
Hier ein weiterer Fall. Meine Palme, die ich vor ein paar Monaten bei Ikea gekauft habe, hat angefangen zu stinken [hat jemand vielleicht dasselbe Problem und die Lösung dafür?]. Zwei Zweige sind bereits weggefallen und die Löcher, die dabei am Stamm entstanden sind, verströmen einen ziemlich ekligen Geruch. Diese Löcher habe ich provisorisch mit Kinderknete verschlossen und wollte mich dringend beraten lassen, was dagegen zu unternehmen ist. Normalerweise fühlen sich die Pflanzen bei mir richtig wohl. Also fuhr ich direkt nach der Arbeit mit der S-Bahn ins Palmengeschäft und beeilte mich dabei, da es nur bis 18:00 Uhr geöffnet hat. Etwa 20 Meter vor dem Laden bekam ich dann einen Anruf von meiner Mutter und telefonierte mit ihr so lange, dass der Laden schon lange geschlossen hatte.
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Von „ausgebildeten Geburtsbegleiterinnen“, sogenannten Doulas, habe ich bereits früher irgendwo zwischendurch gelesen, konnte mich aber nur an wenig erinnern – vermutlich dank den Hormonen. Nun jetzt interessiere ich mich viel mehr für das Thema, da ich – überraschenderweise – schon so gut wie meine eigene Doula habe! Und so war es. An einem Feierabend letzte Woche lag ich auf dem Boden unter meiner stinkenden Palme und naschte Johannisbeeren, auf die ich momentan besonders scharf bin, als ich einen Anruf bekam. Der Mensch am Telefon war Barbara Hirt, die Chefin des kidsgo Verlags. Sie teilte mir mit, dass ich zur Geburt eine Doula geschenkt bekomme. Oder, besser ausgedrückt, ich bekomme ihre Leistungen geschenkt. Eigentlich bräuchte ich diese zusätzliche Motivation gar nicht und würde mein Tagebuch auch so weiterschreiben, da mir diese Möglichkeit, meine Katharsis öffentlich durchs Schreiben zu erleben, viel Wert ist. Es ist manchmal schwierig, Dankbarkeit auf die richtige Weise ausdrucken, ohne dass sie übertrieben oder schmeichlerisch erscheint. Natürlich habe ich mich über so ein tolles Geschenk tierisch gefreut. Das umso mehr, als ich verstanden habe, dass die Anwesenheit der Doula das Wichtigste bietet, was sich eine Schwangere bevor, während und nach der Geburt wünschen kann: Beistand und Hoffnung.
Gleich nach dem Gespräch habe ich im Internet nach Definition des Wortes „Doula“ nachgesehen. Als ich herausfand, dass der Begriff sowohl „Sklavin“ als auch „Dienerin der Frau“ bedeutet, habe ich mir sofort ein Mädel in Latexklamotten vorgestellt, das sich gerne auspeitschen lässt. Das ist natürlich Quatsch. Doulas sind da, damit die Schwangerschaft und Geburt (und sogar Kaiserschnitt!) in eine positive Erfahrung für beide – Mutter und Kind – umgewandelt werden. Sie kann die werdende Mutter aufmuntern, trösten, schützen, massieren, Brötchen für sie backen oder Mundharmonika für sie spielen. So stelle ich es mir zumindest vor nach allem, was ich über Doulas gelesen habe. Sie sind so etwas wie natürliche Zauberinnen, die durch mentale Hilfe die Wehen weniger schmerzhaft machen, Kaiserschnittraten um gut die Hälfte reduzieren, ganz zu schweigen vom nur auf seltene Fälle beschränkten Einsatz der verschiedenen Schmerzmittel, Zange oder Saugglocke.
Ich hatte ein langes und interessantes Gespräch mit meiner potentiellen Doula und wir treffen uns nächste Woche bei mir. Ich freue mich sehr darauf.