Ich stelle uns vor, unerfüllter Kinderwunsch, Beginn der Kinderwunschbehandlung
Nun startet es also wieder: das etwas andere Tagebuch. Denn wie ihr vielleicht der Überschrift schon entnehmen konntet, bin ich nicht schwanger und ob bzw. wann ich es sein werde, steht noch in den Sternen oder liegt vielmehr in den Händen der Götter (in Weiß) unserer Kinderwunschklinik.
Ich lade euch ein, uns auf diese ungewisse, spannende und emotionale Reise zu begleiten und uns mit Kommentaren, wenn ihr mögt, zur Seite zu stehen. Da ich wahrscheinlich nicht jede Woche interessante Neuigkeiten zu berichten haben, schreibe ich alle zwei/drei Wochen einen Bericht. Kurz zu mir: Ich bin Helena, studiere Deutsch und Chemie (Lehramt) im Master, bin 28 Jahre jung und lebe in Berlin.
Nun erstmal dazu, wie alles begann...
Vor nunmehr drei Jahren fassten wir, nach 7-jähriger Beziehung und bevorstehender Hochzeit, einen Entschluss: ein Kind sollte her und das möglichst bald. Jetzt hieß es, den richtigen Zeitpunkt auszutarieren. Dem Mann war´s relativ egal und so zog ich meine Studienverlaufspläne zu Rate, beriet mich mit Freundinnen und bestimmte: Im Februar 2014 sollte es losgehen! Schnell noch mal den Impfstatus gecheckt und siehe da, die erste Ernüchterung für meinen sorgsam ausgeklügelten Plan. Mein Schutz vor Röteln war nicht ausreichend und sicherheitshalber sollten wir, auf Anraten meines Arztes, nach der Impfung drei Monate warten.
Im April 2014 nahm ich dann endlich meine letzte Pille und es passierte erstmal, genau, nichts. Jahrelang unter der Fuchtel der Pille stehend, holte mein Körper nun nach, was ihm jahrelang verwehrt blieb. Er feierte wilde Zykluspartys und hielt sich so gar nicht an die gesetzlich vorgeschrieben Zykluslänge von 28-33 Tagen. "Gemach, gemach.", sprach die Frauenärztin. "Alles im grünen Bereich! Bis zu einem Jahr kann das dauern." Also harrte ich der Dinge die da kommen mögen und übte mich in Geduld, was nebenbei bemerkt so gar nicht meine Stärke ist.
Und siehe da, pünktlich nach einem Jahr hatte mein Körper ein Einsehen, beendete die wilde Feierei und kehrte zu einem vorbildlichen 30-Tage-Zyklus zurück. "Na also", dachte ich, "jetzt kann´s endlich losgehen!" Euphorisch recherchierte ich mögliche Geburtstermine und sann über Namen und die Vorzüge verschiedener Sternzeichen nach. Doch es passierte, genau, nichts.
"Aber klar", verkündete ich mit lehrerhafter Stimme einer, die sich in rekordverdächtiger Zeit und dank des Internets zu einer allwissenden Zyklusgöttin aufschwang, dem Mann. "Wir verpassen bestimmt immer meinen Eisprung!" Kurzerhand bereicherte ein kleines technisches Gerät meinen/unseren Alltag: Jeden Morgen zu gleicher Zeit auf ein Stäbchen gepinkelt und zack, bestimmte das gute Gerät meine fruchtbaren Tage. Herrlich! Doch trotz gewissenhaftem Pinkeln und Ausschöpfen der fruchtbaren Tage passierte, genau, nichts.
"Aber klar.", klärte ich den stoischen Ehemann mit dem Blick einer auf, die sich in kürzester Zeit und dank der umfangreichen Unibibliothek sämtliche medizinische Werke, die menschliche Fruchtbarkeit betreffend, aneignete. "Ich hab bestimmt ein Zuviel oder Zuwenig von Hormon X! Das passt auch zu diesem und jenem Symptom!" Genau 1,5 Jahre nach Absetzen der Pille war ich wieder bei meiner Frauenärztin und verlangte einen umfangreichen Hormoncheck. Nachdem die gute Frau mir freudestrahlend verkündete, dass ich einen vorbildlichen Hormonstatus hatte, mein Uterus sowie meine Eileiter wunderschön aussähen, war ich ernüchtert aber noch nicht geschlagen.
"Aber klar.", nuschelte ich vorsichtig dem Ehemann zu und zwirbelte nervös eine Haarsträhne. "Dann liegt es wohl an dir!" Un- aber bereitwillig ging der Mann zum Urologen und kehrte mit einem vorbildlichen und wunderschönen Spermiogramm zurück. Wir sowie die Ärzte waren ratlos: einen Grund für die ungewollte Kinderlosigkeit ließ sich auf den ersten Blick absolut nicht erkennen. Und so vergingen Monat für Monat und es passierte, genau, nichts.
Das nicht vorhandene Baby bestimmt zunehmend unseren Alltag und unser Leben: kann ich heute noch diesen Cocktail trinken, es ist schließlich Zyklustag 20 und vielleicht bin ich ja jetzt schon schwanger? Sollen wir wirklich die Flugreise nach Sardinien buchen, vielleicht bin ich ja dann schon schwanger? Was ist mit der Skihütte mit Freunden? Sollen wir vorsorglich den Kinderwagen der Arbeitskollegin kaufen, vielleicht brauchen wir ihn in nem halben Jahr?
Jeden Tag zog ich meine Zyklus-App zu rate oder recherchierte Gründe für (ungewollte) Kinderlosigkeit, wurde dabei immer dünnhäutiger und zugleich verbissener. Unsere anfängliche Freude und Euphorie war einer zunehmenden Ratlosigkeit und Traurigkeit gewichen. Während unser Liebesleben zu Beginn noch dem eines Teenagerpaares glich, welches gerade die Sexualität für sich entdeckte, glich es jetzt einem Paar, welches ein Keuschheitsgelübde abgelegt hatte.
Wir beschlossen, uns medizinische Hilfe zu holen. Nach drei Versuchen mit Medikamenten, die die Eizellproduktion anregten und den Eisprung auslösten, die alle drei scheiterten und in tränenreichen Ergüssen meinerseits gipfelten, zogen wir die Reißleine. Nach 2,5 Jahren ohne einen einzigen positiven Schwangerschaftstest, ohne das geringste Anzeichen irgendeiner hormonellen oder körperlichen Störung legten wir unseren Kinderwunsch vorerst auf Eis. Ich löschte die App, das kleine Gerät wurde auf den Dachboden verbannt und wir beschlossen die nächste Zeit nur noch nach Lust und Laune zu verkehren.
Jetzt ist ein halbes Jahr vergangen, wir haben uns psychisch erholt, neue Kraft und Zuversicht getankt und starten nun einen nächsten Anlauf in einer Kinderwunschklinik. Die erste Insemination steht in den Startlöchern und von dieser berichte ich euch in zwei Wochen!
Bis dahin grüßt euch herzlich aus dem wolkenverhangenem Berlin
eure Helena