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Baby-Tagebücher

Hautnah. Intensiv. Liebenswert. Folgt hier den Babytagebuch-Bloger:innen und erlebt regelmäßig, wenn frischgebackene Mütter und Väter ihr Leben mit euch teilen. Jede Woche lassen sie euch an ihrer neuen Lebenszeit mit Baby teilhaben und geben ganz persönliche Einblicke: Was hat der Sprössling diese Woche Tolles gelernt? Wie geht es den jungen Eltern mit dem kleinen Knirps? Welche Herausforderungen begegnen den Neu-Mamas und Neu-Papas mit ihrem Neugeborenen? In den Baby-Tagebüchern seid ihr live dabei, von ersten Arztbesuchen bis zu holprigen Gehversuchen. Ob liebenswert chaotisch oder rührend besinnlich: Immer erhaltet ihr einen unverfälschten, authentischen und persönlichen Einblick in das aufregende Leben einer Jungfamilie.
26. Woche

Anarchie-Land

Aus zwei mach drei: Babysitting-Samstag und die Vorhölle mit Bibabutzemann-Sound

Unter meiner rechten Socke klebt ein Stück Waffel. Meine Hose rutscht und mir ist kalt. Ich halte Jeppe auf dem Arm. Der ist völlig reizüberflutet. Unzählige Kinder wirbeln durcheinander. Auf das Dach der ausgedienten Sporthalle prasselt der Regen, Sturm heult ums Haus. Ich durchsuche die Menge, entdecke Nia, die wir heute babysitten, suche weiter und kann auch Smilla etwas weiter hinten in der Ecke mit der Rutsche ausmachen. Tim sucht nach einem Taschentuch, wischt etwas Milchsabber aus dem Gesicht unseres Babys und eilt weiter, um den Kampf um ein rotes Dreirad zu schlichten.

Wir sind in einem Kinderspieleparadies, einem Indoor-Spielplatz, Anarchie-Land, einer Vorhölle für Eltern mit Kleinkindern und einem Hang zur Selbstkasteiung. Aus den Lautsprechern dröhnt Musik, die sich immer ein bisschen anhört wie das Jamba-Spar-Abo. Nach nochmaligem Lauschen erkenne ich eine schmissige Version vom Hut mit den drei Ecken. Jeppe spuckt eine große Ladung auf mein T-Shirt, es tropft an meinem Arm hinunter und auf die Turnmatte, über die wir gerade laufen. Ich ernte einen leicht angewiderten Blick eines anderen Vaters. Der kann sich wohl nicht mehr so lebhaft an die Babyzeit seines Sprösslings erinnern. Ich wische verstohlen mit meiner linken Socke darüber und grinse entschuldigend. Auf dem Weg zur Garderobe und etwas zum Putzen, noch versucht wie eine gute Mom wenigstens mit einem Feuchttuch nachzuwischen, läuft meine Tochter auf mich zu. „Smilla traurig“, sagt sie geknickt. Ich gehe in die Hocke, um besser verstehen zu können. Bei dem Lautstärkepegel versteht man sein eigenes Wort nicht. „Will mit Rosa fahren“, gibt sie Auskunft. Ein rosafarbenes Fahrzeug hat es ihr angetan. Es gibt exakt eins davon. Hier spielen locker 60 Kinder und das Teil ist heiß begehrt. „Du könntest hingehen und fragen, ob du auch mal darfst“, versuche ich es mit einer kleinen Einheit Mutigkeitstraining. Darauf hat unser ansonsten so autonomiebestrebtes Kleinkind allerdings gar keinen Bock. Ich biete eine Alternative an und schlage vor Freundin Nia ins Bällebad zu folgen. Die wirft dort wild um sich und taucht fröhlich in Dagobert Duck-Manier durch die bunten Kugeln. Zwei ältere Mädchen beschweren sich und kriegen als Antwort prompt eine Ladung Bälle ins Gesicht. Deeskalation von oben.
Wir wechseln die Aktivität und versuchen es mit der großen Kletterwand. Mir fällt wieder der Milchsabberfleck ein, das Feuchttuch, es ist inzwischen bereits einige Zeit vergangen. Dutzende Kinder haben die Stelle passiert, die inzwischen gar nicht mehr als solche identifizierbar ist.

Smilla rollt mit dem rosa Gefährt in einem Affenzahn an Tim und Nia vorbei. Ich schnalle mir Jeppe auf den Rücken, der mir direkt eine warme Ladung in den Rücken spuckt. Nützt ja nichts, denke ich und schnaufe genervt. Eine Mutter weist mich freundlich darauf hin, dass mein Shirt inzwischen auch rückwärtig große Flecken aufweist. Herzlichen Dank auch! Ich zerre an meiner rutschenden Jeans, greife in eine der Gürtelschlaufen und höre den Stoff reißen. Ein großes Loch ziert nun die Rückseite meiner Lieblingshose. Ahhhhhhh!

Smilla hat währenddessen angehalten. Seltsam unbeweglich sitzt sie auf dem Fahrersitz. Tim und ich näheren uns aus unterschiedlichen Richtungen. Die Hose ist nass und unter den Rädern hat sich ein kleiner See gebildet. Klassischer Pipi-Unfall - ausgerechnet hier. Tim schnappt sich seine Tochter und trägt sie in Richtung Umkleidekabine davon. Ich bleibe am Ort des Geschehens stehen. Weggehen würde bedeuten, dass gleich eines der spielenden Kinder in die Pfütze tappt. Stehenbleiben ist aber auch keine Lösung. Ich wickele mein Halstuch ab und wische damit den Fußboden sauber. Dann eile ich los. Jetzt brachen wir wirklich Feuchttücher, oder besser noch irgendwas mit Desinfektionsmittel.

Nia spielt mit überdimensionierten Bausteinen in einer Ecke. Jeppe quietscht vergnügt auf meinem Rücken. An meinem spuckenassen Socken bleibt der Dreck der anderen Menschen kleben. Nach erfolgreicher Mission versuche ich mein Glück auf der Toilette. Eine andere Mutter bietet ihre Hilfe an und schäkert derweil mit Jeppe. Der freut sich. Nach einer Sekunde in der Kabine merke ich, dass bei dem ganzen Chaos mein Handy irgendwo verloren gegangen ist. Panisch reiße ich die Tür wieder auf, wasche schnell meine Hände und renne mit dem Baby auf dem Arm zurück in die Halle. Ich muss immer noch aufs Örtchen, das werde ich auch in einer Stunde noch müssen. Tim hat das Telefon gefunden. Mein Herzschlag beruhigt sich wieder.

Smilla trägt neue Klamotten und rutscht, Nia erkundet das Spielehaus. „Musst du auch mal auf die Toilette?“, frage ich, ernte aber nur einen abwesenden Blick. Hier ist gerade alles andere spannender. Ich beschließe dran zu bleiben. Zwei Minuten später sitzt auch unser Gastkind in einer Pipi-Pfütze. Selbes Procedere. Kurz überlege ich, ob jetzt auch mein grüner Hoodie dran glauben muss, entscheide mich dann aber dagegen. Wütend folge ich den Jungs in die Umkleidekabine, schimpfe darüber, dass mir niemand etwas zum aufwischen bringt. Meine Geduld ist langsam erschöpft. Zweimal verteilen wir zur Sicherheit eine Windel. Das soll bitte nicht noch einmal passieren.

Wir balancieren über einen Parcours, werden von ein paar älteren Kindern angepöbelt. Auf einer Bank an der Seite sitzen einige Mütter und Väter und ignorieren das Chaos. Der Nachwuchs tobt sich aus, haut, schubst, rennt lachend weiter. Das Verhalten wird von den jüngeren Kindern kopiert, niemand fühlt sich verantwortlich. Es herrscht Anarchie.

Aus den Boxen dröhnt ein Hit der Atzen: „Hey, was geht ab? Wir feiern die ganze Nacht…!“. Leicht lethargisch wippe und tanze ich mit dem Baby auf dem Rücken dazu durch die Halle und frage mich, wieso das hier so schrecklich ist. Das ist doch ein Ort für Kinder, für Familien, mit Spiel, Spaß und Freude. Dachte ich zumindest.

Im Auto frage ich: „Hattet ihr Spaß?“ Ich schaue in drei glückliche und hundemüde Kindergesichter. „Mama auch?“, fragt meine Tochter und ich grinse breit. Wenn ihr glücklich seid, ist doch alles gut, beschließe ich und schaue in die ebenfalls müden Augen von Tim. Gut gemacht, raune ich ihm zu, und wir fahren los.



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In diesem Beitrag geht's um:

Babysitting, Indoor-Spielplatz, Anarchie, laut, chaotisch, Regen, Ausflug