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Streiten vor dem Nachwuchs? Auf das Wie kommt es an, so Paartherapeutin Anna Holfeld

Die Berliner Paartherapeutin Anna Holfeld hält nichts davon, Konflikte zu verdrängen: Ausschlaggebend ist vielmehr die Art und Weise der Auseinandersetzung. Streiten Eltern konstruktiv, lernen Kinder daraus. Wie das funktioniert, erklärt sie im Interview.

In diesem Artikel:

Konflikte vor den Kindern austragen: Ja oder nein?

kidsgo: Eltern sind ja nicht immer einer Meinung. Das ist ja durchaus normal und auch, dass sich daraus ein Konflikt entwickeln kann. Schadet es dem Kind, wenn Eltern in seinem Beisein streiten?

Anna Holfeld: Hinter verschlossenen Türen zu streiten oder die Konfliktaustragung per se zu unterdrücken, das halte ich

Unsere Expertin: Paar-therapeutin Anna Holfeld


Anna Holfeld,
45, Paartherapeutin mit einem Laden für Beziehungen in Berlin – Neukölln sowie Herausgeberin der „liebendgern | PAARBOX“, einem Kartenset für Paare für eine wertschätzende, freundliche und kontaktvolle Beziehung als „Paartherapie für Zuhause.“
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Foto: ©Katharina Richter

für den falschen Weg. Kinder spüren, dass etwas ist, wissen aber nicht was und bekommen auch die Auflösung und Streitschlichtungsversuche nicht mit. Sie sind später bestimmt überfordert, selbst einen Streit zu führen, weil sie nicht erlebt haben, wie das geht.
Wenn sich Eltern jedoch in heftigen Streitspiralen befinden, sich respektlos verhalten und schreien, dann sollten sie sich Hilfe holen, um den Kindern (und sich selbst) ein friedlicheres Miteinander zu ermöglichen.

Lautes, destruktives Zoffen macht Kindern Angst

Was passiert beim Kind, wenn sich die Eltern in solch einer lauten und respektlosen Weise zoffen?

Anna Holfeld: Ein destruktiver Streit – sowohl der Eltern untereinander oder auch mit dem Kind – kann viel Angst auslösen, Unbehagen und Hilflosigkeit verursachen. Ganz im Gegensatz zu einer konstruktiven Lösung: Sie schenkt Vertrauen, stabilisiert und bietet ein gutes Vorbild für das Kind.

Trotz Streit: Respekt, Verständnis und Zuneigung zeigen

Worin genau unterscheidet sich ein konstruktiver Streit von einem destruktiven?

Anna Holfeld: Konstruktiv bedeutet:  Man spricht über sich selbst und das eigene Verhalten, man lässt einander ausreden und hört genau zu. Man wiederholt, was die andere Person gesagt hat, um Verständnis zu zeigen und bleibt bei einem Thema. Und es ist immer Zuneigung spürbar. Destruktiv sind dagegen Du-Sätze und Vorwürfe, Beleidigungen, eine laute, zugespitzte Konversation sowie Streitspiralen ohne Lösung, wobei keine Zuneigung spürbar ist.

Konstruktiv streiten: So geht´s!

Wie gelingt es Eltern, Konflikte konstruktiv auszutragen?

Anna Holfeld: Es gibt Probleme, die man lösen kann und jene, die man nicht lösen kann. Wichtig ist, sich auf Erstere zu konzentrieren. Manche Paare streiten sich besonders über verschiedene Strategien, ein Problem zu lösen, hier ist es wichtig zu betonen, dass beide vielleicht sogar das Gleiche wollen, nur einen anderen Weg wählen.

Bevor man losstreitet, kann man sich einen Moment für sich selbst nehmen: Welches Thema will ich gerade bearbeiten?

kidsgo-Leserin Anneke

Anneke: „Da wir uns den Streit ja nicht aussuchen, ist nicht planbar, wann und wo mein Mann und ich uns streiten. Wir haben darüber nachgedacht, ob wir das anders hinkriegen und sind zu einem anderen Schluss gekommen: Die Kinder dürfen mitkriegen, dass nicht immer alles glatt läuft und wir Meinungsverschiedenheiten austragen. Wir achten nur darauf, dass sie das Vertragen auch mitbekommen und bewahren Respekt."

Was brauche ich? Was erwarte ich von der anderen Person? Wie kann ich selbst ruhig bleiben?  Im Gespräch kann man versuchen, die Position und die Bedürfnisse der anderen Person besser zu verstehen, ohne sich gleich selbst zu rechtfertigen, angegriffen zu fühlen oder eingeschränkt. Es geht zuerst einmal darum zu verstehen, was die andere Person zu sagen hat und was sie braucht.

Manchmal helfen feste Zeitregeln. Zum Beispiel spricht jede Person abwechselnd fünf Minuten, und die andere hört zu und darf nicht dazwischenreden.  Es hilft auch, Schlichtungsversuche der anderen Person zu würdigen und selbst zu versuchen, fokussiert und ruhig zu bleiben.

Frau Holfeld, vielen Dank für das Gespräch!