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Familie - Erfahrungsberichte über vier Familienmodelle

Wie Familie heute aussieht und wie wir sie leben, zeigt die Realität in all ihren Facetten: Alleinerziehende, Patchwork-Familien oder gleichgeschlechtliche Paare erweitern heute den traditionellen Familienbegriff. Egal wie, eins bleibt gleich: Familie ist Abenteuer. Familie soll Geborgenheit und Schutz bieten. Familie ist aber auch Herausforderung, manchmal Stress und Chaos. Wir fragten vier Familien, in welcher Konstellation sie zusammen leben. Wie sehen ihr Familienleben und ihr Alltag aus? Wie die Rollenverteilung? Was kostet sie besonders viel Kraft? Was geht ihnen auf die Nerven? Wo finden sie Unterstützung?

In diesem Artikel:

Wir sind eine Familie

Korinna Lang (39), Mutter von Xaver (6) und Luzia (4), ist alleinerziehend:

„Kinder zu haben war keine Entscheidung, sondern ist für mich ein Sinn des Lebens. Ich habe ihnen gegenüber keine Schuldgefühle, weil ich ihren Vater verlassen habe – er hat sich nie um Kontakt bemüht, Luzia hat er noch nie gesehen. Aber ich bin mir sicher, dass den Kindern eine Vaterfigur fehlt. Ich glaube nicht, dass sie wesentlich anders aufwachsen, aber ein Unterschied ist es auf jeden Fall. Wenn sie im Kindergarten mitbekommen, wie mancher Vater sein Kind abholt, merken sie schon, dass es bei uns anders ist und dass da jemand fehlt. Dafür unterstützen mich meine Eltern sehr. Doch Situationen, in denen ich klassische Mama-Papa-Kind-Familien beneide, gibt es viele. Erziehung ist allein doppelt so schwer. Man muss streng und milde in einer Person sein. Alleinerziehend zu sein, hat aber auch Vorteile: Ich entscheide. Das bringt Freiheiten und die Möglichkeit, die Kinder nach den eigenen Vorstellungen zu erziehen.

Experten-Interview

Familie - Die Rollenverteilung ist überholt: Claudia Müller-Quade, Psychologin mit Schwerpunkt Familien.

Grundsätzlich ist es im Vergleich zu früheren Generationen heute nicht anstrengender, Familie zu haben. Es ist vielmehr der Druck der Gesellschaft, der Medien, der einem zu schaffen machen kann. Überall wird propagiert, wie man als perfekte Mama zu sein hat. Bei Facebook werden Fotos von einem Geburtstagstisch hochgeladen mit riesigen Luftballons, Torten in Figurenform, pompösen Geschenken. Ich finde diese Entwicklung schlimm. Back to basics wäre richtig. Letztendlich muss aber jeder sehen, wie er damit umgeht.“

Klassisches Familienmodell

Sabrina (29) und Marcel Maselli (31), Eltern von Jaden (5) und Mia (2), leben das klassische Familienmodell:

„Natürlich ist das Leben mit Zwergen stressiger als bei kinderlosen Paaren. Aber für uns war immer klar, dass wir nicht zu zweit bleiben wollen. Wir fühlen uns erst mit Kindern komplett. Uns war bewusst, dass wir auf einen Schlag eine Riesenverantwortung haben – aber wie groß die tatsächlich ist, wird einem im Alltag immer wieder neu bewusst. Wir haben glücklicherweise Oma und Opa an unserer Seite, das ist ja heutzutage keine Selbstverständlichkeit mehr. Ein Jahr nach Jadens Geburt habe ich zwar stundenweise gearbeitet, aber mit zwei Kindern wurde das dann zunehmend schwieriger. Weil Marcel deutlich mehr verdient, macht es Sinn, dass er der Alleinverdiener ist – anders würde es sich finanziell gar nicht lohnen. Ich habe mit dem Zuhausebleiben übrigens kein Problem. Ich übernehme Erziehung und Haushalt, und auch aus unserem Freundeskreis gab es keine negativen Kommentare deswegen.

Allerdings würde ich gern der sozialen Kontakte wegen jobben, aber mehr als eine geringfügige Beschäftigung wäre nicht möglich, sonst steht es in keinem Verhältnis zu den finanziellen Einbußen eines Steuerklassewechsels. Außerdem ist es wahnsinnig schwer, als Mutter von zwei kleinen Kindern einen Halbtagsjob zu finden. Die meisten Arbeitgeber sind da sehr zurückhaltend. Das würden wir uns anders wünschen.“

Bild: JackF-fotolia.com

Gleichberechtigt leben und arbeiten

Carolin (36) und Tim Schwarz (43), Eltern von Liam (12), Bent (10) und Neal (5), leben zusammen und arbeiten gleichberechtigt:

„Ich war 24 und mitten im Studium, als Liam geboren wurde. Auch Tim hatte noch keinen Abschluss. Von außen betrachtet eine ungünstige Zeit, um ein Kind in die Welt zu setzen. Letztlich aber war es perfekt so, diese Unvoreingenommenheit war prima. Wir waren uns einig, dass es nicht bei einem Kind bleiben soll. Heute muss ich sagen, dass ich überrascht bin, wie viel Nerven drei Kinder kosten. Aber ich möchte keinen von meinen Jungs missen. Zunächst haben wir notgedrungen nach dem klassischen Modell gelebt: Tim hat gearbeitet, ich kümmerte mich ums Kind, den Haushalt und darum, mein Studium auch irgendwie abzuschließen. Klar war allerdings immer, dass ich arbeiten möchte, sobald ich die Gelegenheit dazu habe. Nicht nur, weil ich das wollte, sondern auch, um Tims Belastung zu mindern.

Der Druck, jeden Monat allein genug verdienen zu müssen, ist ja auch nicht zu unterschätzen. Heute arbeite ich als Gymnasiallehrerin, und wir bezahlen alles gemeinsam. Die Erziehung teilen wir uns auf. Was auf der Strecke bleibt? Der Haushalt. Den machen wir zusammen, oft auch erst am Wochenende. Ich denke schon, dass es heute als Familie stressiger ist, weil Frauen nicht nach jahrelangem Studium daheimbleiben wollen. Zudem – aber von diesem Anspruch weiche ich ab – betreiben einige Eltern die Förderung ihrer Kinder ziemlich verbissen. Natürlich möchte ich meinen Jungs auch einen perfekten Start ins Leben ermöglichen – aber bitte nicht mit Frühchinesisch.“

Bild: doble.d-fotolia.com

Patchwork-Familie

Julia (36) und Andi (48) Schell, Eltern von Adrian (5) und Emelie (2), zur Patchworkfamilie gehören Andis Kinder Larissa (25) und Sven (23) aus erster Ehe:

„Ich habe die Erfahrung gemacht, dass das Modell Patchworkfamilie gut funktionieren kann, es kommt natürlich darauf an, wie man es lebt. Die Abstände zwischen unseren zwei kleinen und zwei großen Kindern sind so groß, dass man keine direkten Vergleiche ziehen kann – das macht vieles einfacher, weil es keine Konkurrenz gibt. Allerdings haben wir den Vorsatz, alle Kinder gleich zu behandeln, und das ist schwierig. Adrian und Emelie, die bei uns wohnen, bekommen den Alltagsstress mit und müssen mitanpacken. Die anderen beiden haben dann das perfekte Wochenende mit tollen Ausflügen und ausgeblendetem Alltag. Das ist natürlich nicht der einzige Unterschied: Ein Teil der Kinder hatte eine Trennung zu verkraften und ein Teil nicht.

Für die Kleinen ist es also die ganz normale Familie, in der sie aufwachsen. Für die Großen waren dann irgendwann der neue Partner und neue Geschwister da, womit sie sich erst einmal arrangieren mussten. Ich glaube schon, dass da ein Unterschied in dem Erleben von Familie ist. Unsere Wertauffassung versuchen wir allen gleichermaßen mit auf den Weg zu geben. Aber bei den Großen spürt man den Einfluss der neuen Familie meiner früheren Partnerin, in der sie aufgewachsen sind. Ich denke, wir Eltern machen uns das Leben als Familie oft gegenseitig schwer: Manchmal habe ich das Gefühl, Eltern richten untereinander alles zu einem Wettbewerb aus, welches Kind wann was kann. Schlimm! Und dazu dieses Massenangebot an Hobbys für die Kleinsten, wo oft ein Sandkasten ausreichen würde ... Es ist oft zuviel des Guten.“