Fünfeinhalb Wochen ist sie schon bei uns. Ich darfs jetzt auch: „Wie nur diese Zeit vergeht…“.
Sie liegt im Moment in der Kinderwagenschale auf dem Balkon, ich lausche ihrem süßen Schnarchen übers Babyfon. Mathilda hat sich sehr verändert, das ist ja klar und sicher nichts Neues. War sie am Anfang doch noch so winzig wie eine Raupe in ihr Einschlagtuch gewickelt, ist sie jetzt schon ein Babyteenager. Ihre Blicke folgen Bewegungen und Gegenständen, ihre Hand findet immer häufiger den Weg in den Mund, sie macht sich laut bemerkbar, wenn ihr etwas fehlt oder gegen den Strich geht. Auch weiß sie mittlerweile sehr genau, dass wir, also Sebastian und ich, zum Rudel gehören. Denn ohne uns kann sie nicht lange.
Und so weiter und so fort. Die Liste ist endlos, sicher allbekannt.
Die Babys entwickeln sich anfangs doch noch recht synchron, was unser Rätselraten an so manchem anstrengenden Abend enorm erleichtert hat. Wenn man nämlich erst einmal weiß, dass ein 24-Stunden-Dauerstillen im Wachstumsschub um die fünfte Woche ganz üblich ist, kann man die Situation einfach viel besser akzeptieren.
Da das hier aber ja kein Babytagebuch ist und nun den letzten Bericht meines Schwangerschaftsblogs verfasse, will ich noch einmal über mich schreiben, über meinen Körper, der unweigerlich mit der Schwangerschaft zu tun hat, über mein neues Leben.
Ich hatte mir vorgenommen, diese Zeilen an einem guten Tag zu tippen. An einem guten Tag mit Mathilda, denn das ist wie Aprilwetter. Man ahnt oft in der Nacht schon, was da tagsüber so auf einen zukommen wird, aber dann -wer kann es dem Aprilkind verübeln? – mal sehr sonnig, mal stürmisch, mal bewölkt. Mal heiter, mal zornig, mal motzig.
Einen guten Tag wollte ich nutzen, um mit Schwung und Heiterkeit zu berichten. So fühle ich mich dann nämlich, wenn mein Baby und ich ein tolles Team sind. Im Gegensatz dazu bin ich auch wirklich schnell bitter betrübt und dem Nervenzusammenbruch nahe, wenn sie mal so gar nicht zur Ruhe kommen möchte und sich selbst in Rage schreit. Auf und ab also in meinem Inneren. Irgendwie ist es oft eine totale Erleichterung, wenn ich einfach mit Mathilda mitweinen darf. Geteiltes Leid ist halbes Leid?!
Körperlich nämlich geht es mir ziemlich gut. Na klar habe ich Wehwehchen. Muskelkater in den Armen vom vielen Tragen und Zwicken im Nacken vom Stillen und Babybewundern. Sonst aber bin ich vollkommen genesen. Meine Figur und mein Gewicht sind besser als vor der Schwangerschaft, mein Beckenboden hält alle Organe wieder an Ort und Stelle, meine Brustwarzen haben resigniert, lassen das Saugen anstandslos über sich ergehen und mein blasses Gesicht erhält immer mehr Farbe zurück.
Mathilda wirbelt alles ganz schön durcheinander. Sie hat ihren eigenen Rhythmus, oder anders: wenn man glaubt, einen zu erkennen, hat sie sich schon wieder etwas Neues einfallen lassen.
Sie möchte viel gestillt werden. Bestimmt alle zwei Stunden, manchmal auch häufiger. Nur nachts, da scheint sie zu ahnen, dass ich Kraft für den Tag sammeln muss und lässt mich auch mal vier Stunden am Stück schlafen.
Ich habe ja schon recht bald wieder damit begonnen, die Uni zu besuchen. Das heißt aber - um das für Außenstehende einmal zu erklären- drei bis vier Einheiten pro Woche mit Anwesenheitspflicht. Der Rest ist ganz nach Gusto und wird von mir momentan eher vernachlässigt. Außerdem gibt es dort in der Mensa immer warmes Essen und erspart uns eine Menge Einkauf-Koch-Engagement. Eine Klausur habe ich trotzdem mitgeschrieben und mit Sicherheit bestanden. Das war wirklich wirklich machbar, auch für eine frische Mutti. Denn zum Lernen bekam ich schon kräftige Oma- und Kommilitonen-Unterstützung. Zu meinem Glück liegt Mathilda nämlich richtig gerne im Kinderwagen und schläft dort mit einer nahezu hundert-Prozent-Garantie. Da freue ich mich immer riesig, wenn sie sich nach langer Zeit vergewissern will, ob ich auch auf sie achte. Sie will kurz kuscheln und dann geht’s weiter. Ein tolles Kind, mein Mutterseelchen dankt!
Zu meinem Bedauern aber mag sie die Trage noch nicht so sehr. Für maximal eine Stunde lässt sie sich darin herumschaukeln, stemmt sich dann aber mit aller Gewalt gegen meinen Brustkorb und brüllt, als täte ich ihr weh. Sehr schade, aber ich bleibe dran!
Einen guten Tag wollte ich nutzen, schrieb ich eben. Das war er auch bis vorhin. Dann bin ich mit Kind und Kegel in die Stadt zum Shoppen gefahren. Ein Kleid für eine Konfirmationsfeier sollte her. Ich will mich wieder so richtig chic machen, mit Outfit, Schmuck und Lidstrich. Stillfreundlich muss es also sein, das Kleid. Gibt es aber nicht. Zumindest nicht nach meinem Geschmack. Ich bin wirklich frustriert und müde. Zum Glück schläft das Baby die ganze Zeit. Dann aber doch verdächtig lange. Ich betrete die Bahn nach Hause, Mathilda ist erwacht und so hungrig. Beruhigungsversuche scheitern, den Schnuller muss sie erst noch verstehen. Also stille ich in der Bahn, denn ich weiß eh nie, was mehr Blicke auf einen zieht, das Geschrei oder die Brust. Mir ist heiß, überall läuft Milch, ich muss Rucksack und Kinderwagen im Blick behalten. Die Bahn fährt an der Stadthalle vorbei und ich sehe meine Kommilitonen fein herausgeputzt in Abendgarderobe hineinströmen. Der Klinikerball ohne mich! Das gibt mir den Rest, ich fühle mich verklebt und traurig und überfordert.
Zuhause wartet Sebastian auf mich und tröstet mich. Mein neues Leben anders. Anders anstrengend, anders getaktet, anders wunderschön! Es gibt die guten und die schlechten Momente, aber wenn meine süße Mathilda, meine schon so große Mathilda mir ein zahnloses Grinsen zuwirft, bin ich ganz ganz ganz im Glück und möchte auf keinen Fall tauschen.
In diesem Sinne ist es Zeit für ein Goodbye.
Danke an die Leser, die interessiert waren und fleißig mitgefiebert haben, an die Sponsoren, die meine Mühe so wahnsinnig entlohnt haben, an die kidsgo-Redaktion (besonders Anke), die immer für einen netten Austausch zu haben war und danke an meinen geliebten Sebastian, der uns so engagiert, liebevoll und beschützend durchs Leben begleitet.
Kristin
Bild: privat
Bild: privat
Bild: privat