Noch einmal die Nacht zum Tag machen und dann langsam verrückt machen (lassen).
Was gibt es schöneres, als sehr früh morgens, sagen wir mal gegen 5 Uhr, aus dem trockenen, warmen, gefilterten Krankenhausklima zu treten und sich die kalte Luft ins Gesicht schlagen zu lassen. Dazu die gerade dröhnend lauten Vogelstimmen, die das Morgengrauen ankündigen und die quietschenden Bremsen der Straßenbahn, die sich durch das wach werdende Klinikviertel schlängelt. Ich fühle mich gut, etwas aufgekratzt und habe noch den ganzen Tag vor mir. Schnell hüpfe ich ins Bad und dann unter die Bettdecke zu meinem säuselnden Männelein. Ja richtig, ich arbeite immer noch nachts. Weil es mir so gut tut, eine Aufgabe zu haben, weil ich einfach immer noch nicht loslassen kann und weil ich da nachts einfach so ganz mein Ding alleine habe.
Das Gefühl beim morgendlichen Heimkommen ist dem des Nachhausetorkelns aus dem Club ähnlich. Nur klarer und nicht so erschlagen müde. Die Füße schmerzen nicht und die obligatorische Heißhungerattacke bleibt einem erspart. Da mir das in den nächsten Monaten aber definitiv verschütt gehen wird, habe ich mir mit meinen Mädels einen letzten Abstecher zum Tanzen mit vorherigem Drink – ne ganz harte Cola gabs für mich – spendiert. Mannomann wurde da getuschelt. Aber als ich meine besten Moves auf dem Parkett auspackte, standen da doch großes Erstaunen und Bewunderung im Raum. Oder wie war das doch noch mit der Ein- und Bildung? Nach einer kurzen aggressiven Phase ob der Anrempelei und Schweißarmkontakts, nach einem stillen Wasser mit Eis und der Gewissheit, dass all die glänzenden Augen mich als Beute des Abends definitiv abgeschrieben hatten (jetzt ist er also wirklich groß genug, der Bauch), hatte ich eine grandiose Nacht. Viel später saß ich dann aber recht unmelancholisch in meinem gemütlichen Wohnzimmer, eine halbe Mango verschlingend, mit nicht minder schmerzenden Füßen und kann dieses Kapitel erst einmal getrost zur Seite packen. Und in zwei, drei, zehn Jahren werde ich meinen Ausweis sicher immer noch vorzeigen müssen…
Nicht weniger fetzig war es diese Woche bei meiner Ärztin. Im CTG zeigte sich unsere Tochter wie immer als faule Nudel. Mir solls recht sein und sie extra aufwecken, mich auf den Kopf stellen und klatschen scheint mir mordsmäßig übertrieben, nur um ein paar mehr Zacken zu erhaschen. Dann kriegen wir halt nur 8 Punkte, pfff. Ganz schön übertrieben sieht auch mein rechtes Nierenbecken aus, Grad drei mittlerweile. Macht mir aber weiterhin noch keine Probleme und soll dann erstmal so bleiben, bitte. Geschallt wurde das Baby selbst auch und da fiel mir das neue Gerät der Ärztin auf. Sobald sie etwas vermisst (von vermessen, nicht fehlen!), zeigt es sofort den danach berechneten Geburtstermin an. Selten habe ich so einer doofen Sache beiwohnen müssen. Ich habe nämlich angefangen mitzuzählen, ob die Termine nun öfter über oder vor dem eigentlichen Termin lägen. Nur einmal wurde das erwartete Datum getroffen und Diskrepanzen von bis zu zwei Wochen kommentarlos hingenommen. Der Kopf wird jetzt also später als der Bauch und früher als der Oberschenkel geboren. Lieber wäre es mir dann doch am Stück. Und ich gehe mich jetzt mal verrückt machen.
Völlig verrückt fange ich also mit der Einstimmung auf die Geburt an. Himbeerblättertee ist mein Morgen- und Abendgetränk und schmeckt gar nicht schlecht. Ich kann davon auch mit Genuss mehr trinken, das vertage ich aber vorerst auf die nächsten Wochen. Auch verschoben ist die wohl bekannte „Kleiner-Zeh-Nadel“ (Bl67) bei meiner Eigenakupunktur. Hier beschränke ich mich vorerst auf Ma36, Mi6 und Gb34. Man sollte meinen, früher sind die Kinder auch noch von alleine auf die Welt gekommen. Wie soll man aber bei all den Besserwissereien und „Hilfestellungen“ darauf noch vertrauen?
Vielleicht hilft uns auch mein ständiges Saunieren. Wir beide vertragen das immer noch richtig gut und danach fühle ich mich sehr entwässert und durchgestoffwechselt. Auch krank bin ich seitdem nicht mehr gewesen (klopf, klopf, klopf) und überhaupt scheint mein Immunsystem nun endlich einmal sehr ausgeglichen zu sein. Für die nötige frische Luft sorgt die Tochter meiner Freundin. Die packe ich mir nämlich in ihren Kinderwagen und laufe dann ganz flott durch den wunderschönen Paradiespark in Jena. Um schon mal zu üben quasi und mir eine, nennen wir es Kinderbetreuungsgutschrift aufzubauen. Networking ist eben alles und ich bin immer noch unkaputtbar.
Kristin
Bild: privat
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