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Tagebücher aus der Schwangerschaft von Anja

Eine neue wunderbare, aufregende und vielleicht auch lang erwartete Lebenszeit beginnt. Für unsere Tagebücher-Blogs haben wir immer 3-4 schwangere Frauen in unterschiedlicher Schwangerschaftsphase, die in freudiger Erwartung über jede Woche dieser spannenden Zeit schreiben, uns und die vielen tausend Follower:innen daran teilhaben lassen und damit unvergessliche Momente schaffen.

Geburt

Noch schwierigere Umstände

Leider geht es mit schlechten Nachrichten weiter..

Ich glaube, es ist gut, dass ich heute den Bericht schreibe. Gestern hatte ich angefangen, aber dann aufgehört, weil ich immer wieder anfangen musste zu weinen. Heute sehe ich alles wieder ein bisschen positiver. Außerdem sitze ich gerade draußen und die Sonne scheint mir ins Gesicht. Ich fange aber vorne an.

Ich hatte euch ja noch aus dem Krankenhaus geschrieben, kurz bevor ich die kleine Maus abgeholt habe. Es hatte sich alles noch etwas verspätet, weil niemand kam, um meinen Zugang (ich hatte einen Zugang in der Armbeuge und fand ihn so viel angenehmer als an der Hand) zu ziehen, mein Arztbrief fehlte etc. Ich würde sagen, ich bin wirklich ein verständnisvoller Mensch, aber da hab ich tränenüberströmt Terror gemacht, dass ich gehen will, um meine Tochter nach zwei Tagen in Empfang zu nehmen.

Ich bin dann aus dem Krankenhaus zum Auto gegangen. Das ist schon ein komisches Gefühl, wenn man weiß, dass man den Virus hat. Ich habe natürlich viel Abstand zu den Menschen gehalten. Dann saß ich da im Auto und hab gewartet, dass meine Tochter mir auf dem Parkplatz übergeben wird. Ich war ganz aufgeregt. Sie ist mir dann gebracht worden und ich habe mir gedacht, was für eine süße kleine Maus. Sie hat friedlich geschlafen. Ich war erleichtert, auch dass ich die Babyschale befestigen konnte, die wir neu haben und ich zum ersten Mal im Gebrauch hatte. Dann sind wir nach Hause gefahren. Ich musste daran denken, dass Tobias am Anfang auch so viel geschlafen hat. Neugeborene an sich ja eh und Frühchen nochmal umso mehr finde ich.

Ich habe dann die untere Etage im Haus von meinen Eltern mit ihr bezogen. Oben sind meine Eltern mit Tobias. Über die Straße mein Mann in unserer Wohnung. So waren wir, als wir die Nachricht erhalten haben, dass ich Corona habe, erst einmal in Quarantäne geblieben, bis wir die Ergebnisse von den anderen Tests haben.

Jedenfalls hat sie viel geschlafen. Milch hatte ich etwas aus dem Krankenhaus bekommen und auch noch einkaufen lassen. Die Milchpumpe hatten wir auch schon organisiert. Ich wollte aber versuchen, sie zu stillen. Es war so schön, die Kleine endlich bei mir zu haben. Gegen Mitternacht habe ich sie häufig angelegt und sie hat auch gut angedockt. Sie hat viel geschlafen. Am frühen Morgen konnte ich sie nicht anlegen, auch nicht nach dem Wickeln, weil sie schläfrig und nicht hungrig war. Ich hab dann abgepumpt, ihr da die Hälfte gegeben und sie ist schon wieder eingeschlafen. Am Vormittag machte mein Vater durch die Fensterscheibe die Bemerkung, sie hat aber eine schöne Gesichtsfarbe, also ganz schön braun. In meinem Kopf ratterte es nur so: Gelbsucht! In der Klinik haben sie mich nochmal beruhigt, dass sie glauben, dass der Wert seit gestern nicht so gestiegen sein kann und ich jetzt aber genau darauf achten soll, was sie beim Stillen und an der Flasche trinkt. Der Wert müsste dann noch abends oder am nächsten Tag überprüft werden. Parallel hat meine Mutter aber schon beim Kinderarzt nachgefragt, der die Kleine sehen wollte. Beim Kinderarzt stellte sich heraus, dass der Wert doch schon sehr gestiegen ist. Die haben wiederum die Klinik angerufen, die erst sagte, nochmal zu Hause versuchen, aber der Oberarzt hat sie dann doch in die Kinderklinik zurückbeordert.

Nun brauchten wir wieder jemanden, der die Kleine in die Kinderklinik brachte, der nicht in Quarantäne ist. Wen fragst du da für dein 3-Tage-altes Neugeborenes? Ich habe total verzweifelt eine Freundin angerufen. Sie hat mich am Telefon kaum verstanden, weil ich so geschluchzt hab. Jedenfalls hat sie ihre Schwester organisiert, die es gemacht hat.

Und so ist die Kleine wieder in die Kinderklinik gekommen. Sie liegt dort unter der Wärmelampe und trinkt wieder gut. Sie haben einen Corona-Test mit ihr gemacht, aber das Ergebnis wissen wir noch nicht. Die Kinderklinik ist einverstanden, dass sie ihr Muttermilch geben, wenn wir den Transport organisieren. Dafür bin ich dankbar, denn dann habe ich das Gefühl, dass ich auch etwas dazu steuern kann.

Gestern Abend habe ich mir schon ganz schön Vorwürfe gemacht, dass ich es nicht geschafft habe, ihr ausreichend Nahrung zu geben, dass die Gelbsucht abgewendet wurde. Von der Medizin her weiß ich es nicht, aber vom Gefühl her hätte ich es schon verhindern können. Ich hab das halt einfach unterschätzt und hatte gedacht, das spielt sich schon ein mit dem Stillen. Ich wollte das Abpumpen versuchen zu vermeiden. Ich glaub, jede die schon mal längere Zeit abgepumpt hat weiß, wie nervig und zeitaufwendig das ist. Jedenfalls habe ich den Moment verpasst und das ganze mit der Gelbsucht konnte dann nicht mehr aufgehalten werden. Meine Hebamme, die eigentlich im Urlaub ist, hat mir eine aufmunternde SMS geschrieben, dass es nicht mein Fehler sei und ich mich deswegen nicht fertig machen soll. Sie hat geschrieben, dass sie sowieso Gelbsucht bekommen hätte. Vielleicht ist mein Gefühl ja dann doch falsch, dass es hätte verhindert werden können.

Mein Sohn bekommt natürlich mit, dass ich hier zu Hause bin. Wir haben uns durch eine Glastür gesehen. In seinen Augen habe ich diese Verzweiflung gesehen, dass er zu seiner Mama will, aber nicht darf. Er konnte es überhaupt nicht einschätzen und war total überfordert und hat geweint. Das hat mich ganz schön fertig gemacht. Natürlich soll er seine Gefühle zeigen und sich nicht zusammenreißen, um mich zu schonen, aber es war einfach so herzzerreißend und hat mir das Herz schwer gemacht. Durch meine Eltern wird er gut aufgefangen. Mir wird dann immer bewusst, wie zerbrechlich die kleinen Kinderseelen sind und wie leid es mir für die Kinder tut, die kaum in ihren Erfahrungen begleitet werden.

Heute bin ich wieder an der Glasscheibe auf Tobias getroffen. Teilweise habe ich gemerkt, dass er verunsichert war, aber es war okay für ihn. Das erleichtert mich sehr.

Von den Corona-Symptomen merke ich nichts. Ab und zu bin ich mir unsicher, ob mein Geschmacksinn verändert ist. Gestern hatte ich Kopfschmerzen, aber das war eine Folge der Ereignisse des Tages, da bin ich mir sicher.

Mittlerweile sind mehr Ergebnisse da und es hat nicht nur mich erwischt. Zum Glück geht es aber allen gut. Ich frage mich, ob wir die getrennte Isolation aufheben, falls alle positiv sein sollten. Tobias möchte ich das nicht länger als nötig zumuten, wenn es nicht notwendig ist. Auf der anderen Seite muss es gut überlegt sein, weil, wenn die Kleine wiederkommt, ist wahrscheinlich eine kleinere Isolation besser für sie. Hin und Herzuwechseln ist wegen der Umstellung für Tobias aber keine Option.

Ihr fragt euch sicherlich, wie es für mich ist, dass die Kleine wieder von mir getrennt ist. Ich mache mir Sorgen, dass ich sie angesteckt haben könnte. Für mich ist es jetzt aber besser auszuhalten, weil ich sie mehr kenne. Teilweise war ich traurig, dass ich die Zeit nicht bewusster mit ihr verbracht habe. Das Gesundheitsamt hatte angerufen und eine Kontaktliste möglichst schnell verlangt. Dann bin ich aber auch wiederum froh, dass ich mich ihr nicht mehr ausgesetzt habe, und so die Chancen höher stehen, dass sie negativ ist. Wir wissen nicht, wie lange sie in der Kinderklinik bleiben muss. Aber ich bin froh zu wissen, dass es ihr gut geht und sie gut versorgt ist.

Jetzt ist es mittlerweile fünf Tage her, dass ich ein Baby bekommen habe. Das sind wahrscheinlich die verrücktesten fünf Tage, aber ich bin zuversichtlich und optimistisch, dass wir das als Familie heil überstehen werden und bessere Zeiten kommen werden.

Körperlich geht es mir soweit gut. Die Brüste spannen, der Milcheinschuss ist es glaube ich. Die elektrische Milchpumpe ist mal wieder mein Begleiter. Bei Tobias habe ich drei Monate abgepumpt und dann die Umstellung aufs Vollstillen geschafft. Wochenfluss habe ich natürlich auch. Da unten tut alles noch etwas weh. Ich weiß nicht, wie viel von der normalen Geburt und wieviel vom Dammschnitt stammen. Ich glaube, ich funktioniere ganz gut. Aber mich überkommen die Gefühle auch regelmäßig. Gerade eben, wie ich den Strampler aus der Wäsche sehe, den die Kleine an hatte. Oder wie viele Menschen im Umfeld ihre Hilfe anbieten.

Ich grüße euch und hoffe, dass ihr eure Kontakte einschränkt. An meinem Beispiel sieht man, wie schnell und unbemerkt es gehen kann.

Dann frage ich mich, was wäre gewesen, wenn kein Test bei der Entbindung gemacht worden wäre? Oder wenn die Kleine etwas später auf die Welt gekommen wäre? Wäre dann der ganze Wahnsinn einfach unbemerkt an uns vorbeigegangen?

Viele Grüße

Anja

PS: Mittlerweile weiß ich, dass der Corona-Test negativ bei der kleinen Maus ausgefallen ist. Was für ein Glück, dass ich sie nicht angesteckt habe!



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