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Tagebücher aus der Schwangerschaft

Eine neue wunderbare, aufregende und vielleicht auch lang erwartete Lebenszeit beginnt. Für unsere Tagebücher-Blogs haben wir immer 3-4 schwangere Frauen in unterschiedlicher Schwangerschaftsphase, die in freudiger Erwartung über jede Woche dieser spannenden Zeit schreiben, uns und die vielen tausend Follower:innen daran teilhaben lassen und damit unvergessliche Momente schaffen.
21. Schwangerschaftswoche

KEIN VOR UND ZURÜCK

Seit zwei Wochen Krankenhaus. Die Entscheidung für den Abbruch. Warten. An der Hoffnung festhalten.

Schreiben fällt mir immer schwerer.

Inzwischen bin ich seit knapp zwei Wochen im Krankenhaus.

Es fällt mir auch nicht mehr leicht, offen und ehrlich zu bleiben, weil ich mich vor Verurteilungen fürchte.

Ich komme immer mehr zu dem Schluss, dass ein geplantes Ende der Schwangerschaft für mein Mädchen und mich die bessere Entscheidung ist.

Ihre Bewegungen werden immer weniger. Ihr Herz und ihre Lunge stärker vom Wasser eingedrückt.

Seit mehr als drei Wochen frage ich mich jeden Tag, ob ihr Herz heute aufgehört hat zu schlagen. Oder heute. Ich habe jedesmal so eine unbeschreibliche Angst vor dem Ultraschall.

Es ist hart, wenn man seinen Mutterinstinkten nicht mehr folgen darf: Ich kann mich nicht mehr auf eine gemeinsame Zukunft mit ihr freuen. Dinge planen und vorbereiten. Ich existiere nur noch in diesem Vakuum. Wenn ich auf die Schwangerschaft angesprochen werde von netten Fremden, ist es am schlimmsten.

Alleine da draußen könnte ich nicht mehr gut existieren, deshalb bin ich dankbar um den geschützten Raum hier im Krankenhaus. Die Ärztinnen, Hebammen und Schwestern kümmern sich sehr mitfühlend um mich. Und fast jeden Tag spreche ich mit einer Psychologin.

Ich verliere auch immer mehr die Verbindung zu ihr. Noch ist sie nicht weg, immer wieder kämpfe ich mich durch meine eigenen Schutzmechanismen durch, zurück zu ihr. Denn ich möchte, dass sie weiss, dass ich da bin, bei ihr. Aber es wird immer schwerer, weil ein anderer Teil in mir versucht loszulassen und dieser Teil wird immer stärker.

Meine Unsicherheit verunsichert die Menschen, die eine Indikation für einen Abbruch stellen müssten. Ich wundere mich, wie überzeugt andere Frauen bei so einer Entscheidung sind. Natürlich bin ich zerissen und voller Trauer, stehe nicht voller Elan hinter diesem Weg, das werde ich nie. Ich bin so entschieden, wie ich es sein kann in dieser Situation.

Weil ich eine fragile Vorgeschichte habe (traumatische Kindheit, Jahre Therapie) machen sich alle Sorgen darum, was mit mir passiert, wenn wir die Schwangerschaft aktiv beenden. Deshalb wird morgen, also Dienstag, eine Ethikkommission eingeleitet, bis dahin passiert nichts.

Die Befürchtung lautet, ein Abbruch macht mich instabil. Aber in diesem Zustand bleiben ist ebenso belastend. Keiner will alleine die Indikation schreiben, denn nichts tun heißt sich nicht verantwortlich machen.

Gleichzeitig habe ich kein Interesse daran, irgendeinen Prozess zu beschleunigen. Warum sollte ich mein Mädchen unbedingt loswerden wollen. Ich habe mich deutlich positioniert, für mehr Nachdruck fehlt mir die Kraft.

Also nehme ich die Zeit als Geschenk wahr und lasse den Krankenhausapparat sein Ding machen.

Um mich herum sind viele gesunde, schreiende Neugeborene. Ich dachte im ersten Moment, es würde mich belasten, aber so ist es überhaupt nicht. Mich beruhigt das Geschrei und das Wissen, dass es auch gesunde Babys und ihre schlaflosen Eltern gibt. Alles so wie es sein sollte.

Was mich am meisten trägt ist Hoffnung. Der Mann, der plötzlich wieder in meinem Leben aufgetaucht war, ist trotz aller Umstände nicht von meiner Seite gewichen. Zwischen uns ist etwas, aus dem sich mehr entwickeln kann. Vielleicht wird das mein Happy End und ich kann in zwei Jahren die Familie haben, die ich mir jetzt mehr als alles andere wünsche.

Zwischen Gegenwartsschmerz und Hoffnung,
Eure Mira - weiterhin dankbar für jede Anteilnahme, Worte und stützenden Gedanken aller Leserinnen und Kommentatorinnen



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Kommentare von Lesern:

Marie, Hamburg 07.02.2018 19:06

Liebe Mira,
ich schicke dir eine virtuelle Umarmung und fühle mit.
Vergiss bitte nie:
Du bist eine wunderbare Mutter.
Du bist eine starke Frau.
Du bist das beste für deine Tochter.
Marie

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Brygida, München07.02.2018 18:56

Liebe Mira,
du erhältst zwar (hoffentlich immer noch) professionelle und herzliche Hilfe, die du brauchst, dennoch wollte ich dir auch ein paar Worte Zuspruch schreiben, obwohl es mir unglaublich schwer fällt und wahrscheinlich auch ziemlich unbeholfen rüberkommt. Deshalb in Worten nur so viel: dein Kind muss leider gehen aber du darfst und musst weiterleben!
Gedanklich bin ich merhmals am Tag bei dir und versuche dir dabei viel Kraft zu spenden.
Fühl dich fest umarmt und bleib stark,
Brygida

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Sabrina05.02.2018 22:34

Liebe Mira,
NIEMAND !!!! - Kein Arzt,Hebamme,Freund,Außenstehender hat das Recht dich oder deine Entscheidungen zu verurteilen.
Du bist so eine tolle Mama und nur du oder dein Baby können entscheiden wie es weitergeht.Alle anderen können dich unterstützen ubd auf deibem Weg begleiten oder gehen!
Ich schliesse mich Sara an und wünsche dir dass deine Kleine eine Entscheidung trifft.
Ich wäre genauso zerissen wie du....


Fühl dich gedrückt.

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Anke05.02.2018 19:47

Liebe Mira,
ich schließe mich Emma an und bin auch ihrer Meinung, dass es niemand wagen wird dich auf irgendeiner Weise zu verurteilen.
Als ich deinen heutigen Bericht gelesen habe, hatte ich Tränen in den Augen bzw. habe sie immer noch. Ich bewundere dich für deine Stärke und Zuversicht, welche du trotz allem aufbringst. Du bist eine starke Frau und Mama die zur Löwin geworden ist - so wie wir Frauen es alle werden, wenn es um unsere Kinder geht. Du bist so voller liebe für dein Babygirl und das merkt sie auch, darüber mach dir keine Gedanken. Sie ist deine Tochter und du ihre Mama, zwischen euch wird immer eine enge Bindung bestehen!
Folge deinen Muttergefühlen, auch wenn es nicht darum geht, die gemeinsame Zukunft mit deinem Babygirl zu planen, sie werden dir dabei helfen zur richtigen Zeit die richtige Entscheidung zu treffen!
Liebe Mira, auch heute sende ich dir eine dicke Umarmung und wünsche dir weiterhin viel Kraft, ganz liebe Menschen um dich und gute therapeutische Unterstützung.
Alles liebe für dich, Anke

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Sara, Frankfurt 05.02.2018 17:01

Ach, Mira...

Dein Mädchen spürt deine Mutterliebe. Sei dir da ganz gewiss.

Habe mir letzte Woche Gedanken gemacht, ob ein Krankenhaus der richtige Ort sein kann um zur Ruhe zu kommen und sich auf den Abschied vorzubereiten. Aber nun schreibst du ja, dass dich da da gut aufgehoben fühlst. Ich bin erleichtert...

Ist schon hart, wenn Außenstehende sich unbedachte Kommentare erlauben, die das noch nicht erlebt haben. Die dich verletzen in so ein zerbrechlichen Situation...Unglaublich!

Ach, ich wünsche dir weiterhin, dass deine Bauchmaus dir jede Ebtscheidung abnimmt...

Ich denk an dich, starke Löwenherz-Mama...

LG Sara

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Jannett05.02.2018 15:32

Liebe Mira, es ist vor allem wichtig, dass du dich nicht verurteilst! Und dann ist deine Entscheidung so wie sie ist.
Ich habe das Gefühl, deine tiefe Traurigkeit zu fühlen und fühle mich darüber verbunden mit dir ohne dich zu kennen. Und in diesem Gefühl kommt mir immer wieder der Gedanke, frage dein Baby ob es noch eine Botschaft für dich hat und wenn ja, so wirst du eine Antwort bekommen. Und vielleicht ist diese Botschaft anders als du denkst...
Ich wünsche dir, dass du den Sinn in dem entdecken kannst, warum alles so passiert, wie es dir jetzt passiert und dass du daraus irgendwann ganz viel Kraft ziehen kannst. Du gehst durch diese Zeit grad durch mit allem was da grad ist. Du kannst sehr stolz auf dich sein. Du bist eine starke Frau und für dein Baby genau die Mama, die es braucht.

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Mira, Hamburg05.02.2018 13:13

Liebe Emma, dein Kommentar bringt mich richtig zum Weinen... ich wünsche mir mehr als alles andere, dass mein Mädchen weiss, wie sehr sie geliebt wird. Mehr kann ich ihr nicht mehr mitgeben.

So traurig es ist, die Verurteilung habe ich erfahren. Von einer Hebamme, die mich nicht kannte, aber am Telefon von Mord sprach und davon, dass es mir niemals schlechter gehen würde, wenn ich diese Situation noch Monate weiter trage. Ich habe es nicht ausgeführt, weil ich keine Lust habe, mich mit so etwas lange zu beschäftigen.

Ich organisiere mir intensive therapeutische Unterstützung für danach. Ich verspreche dir, dass ich gut auf mich Acht geben werde. Das habe ich mir selbst und meinem Mädchen auch versprochen.

Mit total gerührter Stimmung, Mira

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Emma, Hamburg05.02.2018 12:25

Liebe Mira,
ich denke nicht, dass es irgendwer wagen wird Dich zu verurteilen! Dieser furchtbare Zwiespalt ist absolut nachvollziehbar. Keiner kann Dir die Entscheidung abnehmen - aber kaum jemand, der so herzlich, offen, einfühlsam und menschlich ist wie Du würde sich die Entscheidung leicher machen. Was auch immer die nächsten Tage, Wochen und Monate bringen werden - such Dir umgehend Hilfe um dieses Trauma aufzuarbeiten. Ich habe mit gewünscht, dass Deine Geschichte gut ausgeht. Leider scheint dieser Wunsch nicht erhört worden zu sein. Aber Dein Mädchen wird immer Dein Mädchen und Dein erstes Kind bleiben - in Deinem Herzen! Nun wünsche ich mir, dass Du gut aufgefangen wirst - privat und auch therapeutisch. Ich wünsche Dir, dass Du einen guten Weg findest diesen Schmerz zu verarbeiten. Und ich wünsche Dir über alles, dass Du in ein paar Jahren mit einem Lächeln im Gesicht auf Deinen kleinen Stern blicken und an sie denken kannst - während Du ein (gesundes) Baby im Arm hältst und in einer hoffentlich von Liebe und Vertrauen geprägten Partnerschaft glücklich in die Zukunft blickst...
Ich sende Dir herzliche - wenn auch unbekannte - Grüße und schicke Dir ganz viel Kraft, Hoffnung und auch Glück! Du bist eine tolle Frau und Deine Tochter kann dankbar sein, dass sie ihre (wenn auch kurze) Zeit mit Dir verbringen durfte!

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