Seit zwei Wochen Krankenhaus. Die Entscheidung für den Abbruch. Warten. An der Hoffnung festhalten.
Schreiben fällt mir immer schwerer.
Inzwischen bin ich seit knapp zwei Wochen im Krankenhaus.
Es fällt mir auch nicht mehr leicht, offen und ehrlich zu bleiben, weil ich mich vor Verurteilungen fürchte.
Ich komme immer mehr zu dem Schluss, dass ein geplantes Ende der Schwangerschaft für mein Mädchen und mich die bessere Entscheidung ist.
Ihre Bewegungen werden immer weniger. Ihr Herz und ihre Lunge stärker vom Wasser eingedrückt.
Seit mehr als drei Wochen frage ich mich jeden Tag, ob ihr Herz heute aufgehört hat zu schlagen. Oder heute. Ich habe jedesmal so eine unbeschreibliche Angst vor dem Ultraschall.
Es ist hart, wenn man seinen Mutterinstinkten nicht mehr folgen darf: Ich kann mich nicht mehr auf eine gemeinsame Zukunft mit ihr freuen. Dinge planen und vorbereiten. Ich existiere nur noch in diesem Vakuum. Wenn ich auf die Schwangerschaft angesprochen werde von netten Fremden, ist es am schlimmsten.
Alleine da draußen könnte ich nicht mehr gut existieren, deshalb bin ich dankbar um den geschützten Raum hier im Krankenhaus. Die Ärztinnen, Hebammen und Schwestern kümmern sich sehr mitfühlend um mich. Und fast jeden Tag spreche ich mit einer Psychologin.
Ich verliere auch immer mehr die Verbindung zu ihr. Noch ist sie nicht weg, immer wieder kämpfe ich mich durch meine eigenen Schutzmechanismen durch, zurück zu ihr. Denn ich möchte, dass sie weiss, dass ich da bin, bei ihr. Aber es wird immer schwerer, weil ein anderer Teil in mir versucht loszulassen und dieser Teil wird immer stärker.
Meine Unsicherheit verunsichert die Menschen, die eine Indikation für einen Abbruch stellen müssten. Ich wundere mich, wie überzeugt andere Frauen bei so einer Entscheidung sind. Natürlich bin ich zerissen und voller Trauer, stehe nicht voller Elan hinter diesem Weg, das werde ich nie. Ich bin so entschieden, wie ich es sein kann in dieser Situation.
Weil ich eine fragile Vorgeschichte habe (traumatische Kindheit, Jahre Therapie) machen sich alle Sorgen darum, was mit mir passiert, wenn wir die Schwangerschaft aktiv beenden. Deshalb wird morgen, also Dienstag, eine Ethikkommission eingeleitet, bis dahin passiert nichts.
Die Befürchtung lautet, ein Abbruch macht mich instabil. Aber in diesem Zustand bleiben ist ebenso belastend. Keiner will alleine die Indikation schreiben, denn nichts tun heißt sich nicht verantwortlich machen.
Gleichzeitig habe ich kein Interesse daran, irgendeinen Prozess zu beschleunigen. Warum sollte ich mein Mädchen unbedingt loswerden wollen. Ich habe mich deutlich positioniert, für mehr Nachdruck fehlt mir die Kraft.
Also nehme ich die Zeit als Geschenk wahr und lasse den Krankenhausapparat sein Ding machen.
Um mich herum sind viele gesunde, schreiende Neugeborene. Ich dachte im ersten Moment, es würde mich belasten, aber so ist es überhaupt nicht. Mich beruhigt das Geschrei und das Wissen, dass es auch gesunde Babys und ihre schlaflosen Eltern gibt. Alles so wie es sein sollte.
Was mich am meisten trägt ist Hoffnung. Der Mann, der plötzlich wieder in meinem Leben aufgetaucht war, ist trotz aller Umstände nicht von meiner Seite gewichen. Zwischen uns ist etwas, aus dem sich mehr entwickeln kann. Vielleicht wird das mein Happy End und ich kann in zwei Jahren die Familie haben, die ich mir jetzt mehr als alles andere wünsche.
Zwischen Gegenwartsschmerz und Hoffnung,
Eure Mira - weiterhin dankbar für jede Anteilnahme, Worte und stützenden Gedanken aller Leserinnen und Kommentatorinnen