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Aufwachsen in der Stadt oder auf dem Land: Was ist für Kinder besser?

Fehlt Stadtkindern der Bezug zur Natur? Verlieren Dorfkinder den Bildungs-Anschluss? – Gerade in den letzten Jahren wachsen in den Medien die Kontroversen darüber, welche Umgebung Kindern die beste Entwicklung ermöglicht. Stadt oder Land – wo wächst der Nachwuchs am besten auf und worauf müssen Eltern achten?

In diesem Artikel:

Kinder als Entdecker: Wo geht das besser?

Durch Wald und Flur streifen, Baumhäuser bauen, Frösche beobachten und sich schmutzig machen dürfen – so stellen sich viele junge Eltern Idealbedingungen für eine glückliche Kindheit vor. Da ist die Entscheidung nicht weit, zum Wohle des Nachwuchses die Heimatstadt in Richtung Landleben zu verlassen. Doch ein Umzug ist nicht immer nötig – auch der Großstadt-Dschungel bietet kindliche Oasen.

Idylle heißt für Kinder Gestaltungsraum

Während Erwachsene vor allem Entspannung und Ruhe mit natürlichen Landschaften verbinden, bieten sie für Kinder nur das Rohmaterial zum Gestalten. Sie wollen im Dickicht Höhlen bauen, Brücken über kleine Wasserläufe errichten und Biotope für Insekten und Amphibien anlegen. Diese Möglichkeiten sind ohne Zweifel auf dem Land besonders reichhaltig vorhanden. Doch auch in der Stadt laden Abenteuerspielplätze und Parks dazu ein, der kindlichen Kreativität Raum zu geben und sich auszutoben.

Der Pluspunkt in der City: Hier spielen viele Gleichaltrige, denen sich die Kleinen im Idealfall anschließen können. Die Freiheit auf dem Land macht Kinder dagegen nicht automatisch zum Outdoor-Fan und Abenteurer. Gerade wenn Geschwister und Freunde fehlen und die Eltern wenig Zeit haben, wählen auch Kinder in ländlicher Idylle bevorzugt Fernseher und Computer als Babysitter und vereinsamen.

Naturverbundenes Leben erdet die Seele

Leben auf dem Land

©Adobe Stock – Olivier Tabary

Dorfkinder sind psychisch ausgeglichener und weniger neurotisch? Soweit das Vorurteil. Doch dänische Forscher der Universität Aarhus haben jetzt in einer Studie den Zusammenhang zwischen Umgebung und kindlicher Psyche gelüftet. Das Fazit: Entscheidend sind die Grünflächen – egal, ob auf dem Dorf oder in der Stadt. Wachsen Kinder direkt in Verbindung zu einer grünen Umgebung auf, entwickeln sie laut den Wissenschaftlern 55 Prozent seltener psychische Krankheiten als ihre Altersgenossen, die in Betonwüsten groß werden.

Dabei berücksichtigten sie Satellitenaufnahmen der Elternhäuser von rund einer Million Dänen, sodass neben Feldern und Wäldern in ländlicher Landschaft auch Gärten, Parks und Grünanlagen in Städten mit in die Untersuchung einbezogen werden konnten. Entscheidend für die ausgeglichene Psyche im Erwachsenenalter sind laut Ergebnis jene Grünflächen, von denen ein Individuum bis zum Alter von zehn Jahren umgeben ist. So können auch Stadtkinder profitieren, sofern sie in direkter Nähe zu begrünten Flächen leben.

Großstadtleben bereitet auf die Realität vor

Zwar gilt, dass Landkinder früher die räumliche Unabhängigkeit von den Eltern suchen, doch Stadtkinder lernen dafür wichtige Überlebensstrategien. Das Überqueren einer großen Straße, das Verhalten an Busstationen und der Umgang mit den Nachbarn prägen ihre Eltern ihnen automatisch früh ein.

Darüber hinaus bieten Städte zunehmend einen Einblick in unsere multikulturelle Gesellschaft mit ihren Sonnen- und Schattenseiten, die einem Kind in einem bayerischen 500-Seelen-Dorf fremd sein mag. Denn in ländlicher Umgebung finden sich eher homogene Bevölkerungsgruppen, die sich in Sozialstatus und Herkunft ähneln. Das Resultat kann im positiven Fall ein starkes „Wir-Gefühl“ sein, jedoch auch Intoleranz und Engstirnigkeit fördern.

Die Konfrontation mit kulturellen Reibungspunkten in der Stadt kostet zwar Energie, doch zahlt sich in einer höheren Toleranz für Diversität aus. Eine Gefahr liegt in der Stadt darin, dass Overcrowding und Isolation nahe beieinanderliegen. Wer soziale Gruppen nur von außen wahrnimmt, aber nicht aktiv an ihnen teilnimmt, kann Depressionen entwickeln. Hier müssen Eltern sensibel sein, ob das gewählte Viertel das Kind eventuell mit hohen kulturellen Barrieren konfrontiert, die es allein nicht überwinden kann.

Fazit: Sowohl auf dem Land als auch in der Stadt können Kinder zu Entdeckern werden. Die Art und Weise fällt dabei jedoch höchst unterschiedlich aus.

Schulisches Angebot: Hier haben Städte oft die Nase vorn

Viele Eltern glauben, ihren Kindern nur in der Stadt eine gute Bildung bieten zu können. Doch die Probleme auf dem Land liegen nicht in der mangelnden Schulqualität, sondern in den langen Schulwegen:

Pendeln schadet der Konzentrationsfähigkeit

Kind beim Pendeln im Zug

© Adobe Stock – Tomsickova

Um vom Heimatdorf in eine weiterführende Schule zu gelangen, müssen viele Schüler täglich pendeln. Über 15 Prozent der Kinder in Deutschland sind dabei länger als 45 Minuten für eine Strecke unterwegs. In Zukunft könnte sich diese Situation noch verschlimmern, denn die Zahl der weiterführenden Schulen ist rückläufig. Seit den 1990er Jahren sank sie bundesweit von 15.500 auf etwa 12.000.

Ländliche Regionen in Mecklenburg-Vorpommern verzeichneten dabei besonders starke Einbußen: Hier reduzierte sich die Zahl der Schulen von 1894 auf 709. Lernforscher warnen in Zuge dessen vor den Folgen für die kindliche Konzentration. Vergleicht man Schüler mit langem und mit kurzem Schulweg, berichtet die erste häufiger über Konzentrationsprobleme und gesundheitliche Beeinträchtigungen.

Führt Schulmangel auf dem Land zu niedrigeren Bildungsabschlüssen?

Dass sich ein niedrigerer Bildungsgrad bei Kindern auf dem Land mit dem geringeren Zugang zu weiterführenden Schulen erklären ließe, entlarvte eine bayerische Studie als Fehlschluss. Im Freistaat bestünden laut den Autoren vergleichbare Ausbildungsmöglichkeiten für Stadt- und für Landkinder.

Dass die Abiturientenquote bei Dorfkindern niedriger ist, erklären sich Experten mit dem veränderten Statusdenken der Eltern. Während Eltern von Stadtkindern mehr Druck ausüben, damit ihr Nachwuchs eine Akademiker-Laufbahn einschlägt, besteht bei Familien im ländlichen Raum mehr Wertschätzung für handwerkliche Berufe. Dass dies dem Nachwuchs nicht schaden muss, bestätigt die Prognose: Gerade bestimmte Handwerkssparten wie die Bau- und Ausbaubranche und die Heizungs- und Klimatechnik erwarten deutliches Wachstum in den nächsten Dekaden.

Hier noch einmal die Argumente zum Schulangebot in der Zusammenfassung:

Stadt

+     deutlich umfangreicheres Schulangebot

+     kürzere Wege zur Schule

-      mehr Druck durch Eltern

Land

+     weniger Druck durch die Eltern

    längere Schulwege zu weiterführenden Schulen

Wohnsituation: Wohnraum in Metropolen wird immer teurer

77 Prozent aller Deutschen leben aktuell in Städten, nur 15 Prozent in kleinen Orten mit weniger als 5.000 Einwohnern. Während manche Zentren einen hohen Zulauf verzeichnen, leiden die ländlichen Gebiete in den östlichen Bundesländern unter einer wahren Landflucht. Doch zeigen diese Bewegungen allein die persönlichen Prioritäten der Ortswechsler? Gerade Familien mit Kindern müssen bei der Wahl des Wohnorts mehr Faktoren berücksichtigen als ein subjektives Wohngefühl:

Wo leben Familien mit Kindern am besten?

Viele Faktoren bestimmen, ob es sich als Familie mit Nachwuchs in einer bestimmten Region bequem und gut leben lässt:

  • die Höhe der Miete
  • die Verfügbarkeit eines Kinderarztes
  • das Betreuungsangebot
  • die erreichbaren Schulen
  • das soziale Gefüge

Ein umfassendes Ranking aller Regionen hat zuletzt das Prognos-Institut in einer ZDF-Studie erstellt. Dabei wurden die Kategorien „Bildung & Soziales“, „Geld & Wohnen“ sowie „Freizeit & Kultur“ bewertet und 401 deutsche Städte und Landkreise in eine Rangfolge gebracht.

Das Ergebnis: Insbesondere das Umland von Großstädten bietet Familien mit Kindern die meisten Vorteile. Viele Top-Regionen für das Familienleben befinden sich dabei im Süd-Westen des Landes. Absoluter Spitzenreiter ist der Hochtaunuskreis, gefolgt von Baden-Baden und Starnberg. Die Schlusslichter sind Ludwigslust-Parchim, Gelsenkirchen und das Jerichower Land.

Wo lässt sich das Wohnen mit Kindern bezahlen?

Eigenheim kaufen

© Adobe Stock – jehafo

Das typische Einfamilienhaus mit eigenem Garten gilt noch immer als Wunschtraum der meisten deutschen Familien. Die Schwierigkeit: Die aktuelle Marktlage macht es Normalverdienern in großen Teilen des Landes unmöglich, diesen Traum zu verwirklichen. Rekordpreise erzielen freistehende Häuser nicht mehr nur in Metropolen und Universitätsstädten, sondern auch in prosperierenden mittelgroßen Städten.

Hierbei zeigen die Immobilienpreise ein deutliches Süd-Nord- und West-Ost-Gefälle. Als Faustregel gilt: Je reicher die Region, desto teuer die Häuser. Ein durchschnittliches Einfamilienhaus rief dabei im Jahr 2019 ganz unterschiedliche Preise auf:

  • Magdeburg: ca. 220.000 Euro
  • Leipzig: ca. 290.000 Euro
  • Hannover: ca. 325.000 Euro

Unbezahlbar für Durchschnittsverdiener sind vergleichbare Immobilien in weiteren Städten:

  • Frankfurt: ca. 800.000 Euro
  • Stuttgart: ca. 1.000.000 Euro
  • München ca. 1.500.000 Euro

Wer sich ein eigenes Heim für die Familie wünscht, muss also neben den eigenen Möglichkeiten auch die Preislage der gewünschten Region bei der Finanzierung berücksichtigen. Rund um das Thema sind noch viele weiteren Voraussetzungen und Aspekte wichtig. In manchen Städten ist ein Eigenheim mit einem normalen Gehalt schlicht nicht finanzierbar. Die mögliche Darlehenssumme hängt nämlich vom eigenen Einkommen ab und eine Kreditrate sollte stets nur so hoch ausfallen, dass die bequem zu stemmen ist.

Bei einem Immobilienpreis von 800.000 Euro bräuchten die Eltern allein Eigenkapital von 150.000 bis 200.000 Euro und müssten danach selbst bei niedriger anfänglicher Tilgung (ca. zwei Prozent) immer noch Monatsraten zwischen 1.600 und 2.200 Euro bezahlen und hätten nach 25 Jahren nur zwei Drittel der Kreditsumme abgetragen. So ist es eine sinnvollere Entscheidung, auf günstigere Regionen auszuweichen.

Der Wohnort als gesundheitlicher Faktor

Wo ein Haus steht, kann unter Umständen die Gesundheit der darin lebenden Kinder beeinflussen. So ergab eine 2009 durchgeführte Studie des forsa-Instituts, dass Stadtkinder anfälliger für Asthma und Neurodermitis sind als Kinder auf dem Land:

  • Durchschnittlich zeigen 83 Prozent der Kinder in Dörfern unter 5.000 Einwohnern keine Luftwegbeschwerden.
  • Dagegen sind nur 65 Prozent der Stadtkinder beschwerdefrei.

Luftschadstoffe in städtischen Umfeldern könnten also Atemwegserkrankungen auslösen, doch auch eine Landwohnung, in der geraucht wird, kann der kindlichen Gesundheit schaden.

Ob das Landleben Allergien verhindern kann, ist ein umstrittenes Thema unter Medizinern. Einige Fachleute glauben, im Stallstaub Zuckermoleküle ausgemacht zu haben, die das Immunsystem vor überschießenden Reaktionen bewahren. Andere Ärzte sehen im staubigen Stallklima eine erhöhte Gefahr für die kindlichen Lungen.

Mobilität: Klare Pluspunkte für die Stadt

Mobilität in der Stadt mit der Bahn

© Adobe Stock – lassedesignen

Ob für den Weg zur weiterführenden Schule oder für den Besuch bei den Freunden im Nachbardorf – auch Kinder brauchen im täglichen Leben Mobilität. Auf dem Land besteht hier allerdings Nachbesserungsbedarf:

Ist die Landbevölkerung mit ihrer Mobilität zufrieden?

Wie Personen auf dem Land über ihre Mobilität denken, stellte der ADAC in einer Umfrage heraus. Sie zeigt, dass der Zufriedenheitsindex insbesondere davon abhängt, auf welches Verkehrsmittel er sich bezieht.

Zufriedene Autofahrer gibt es vor allem in Bayern und Schleswig-Holstein (48 bzw. 47 Prozent mehr zufriedene als unzufriedene Umfrageteilnehmer). Das verwundert wenig, denn auf dem Land sind die großstädtischen Autofahrerprobleme von Stau bis Parkplatzmangel weithin unbekannt. Ob die Mobilität durch das hauseigene KFZ jedoch auch den Kindern zugutekommt, ist unsicher. Insgesamt wurde 3600 Menschen ab 15 Jahren befragt und es fällt auf, dass gerade jene Verkehrsmittel, die Kinder und Jugendliche autonom nutzen können, die Befragten deutlich weniger zufriedenstellen als das Auto.

Radfahrer zeigen sich in Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt am unzufriedensten mit ihrer Situation (10 bzw. 13 Prozent Zufriedenheitsindex).

Bei den öffentlichen Verkehrsmitteln scheint die Situation noch angespannter: Sie erreichen in Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz nur je einen Zufriedenheitsindex von einem Prozent, in Niedersachsen drei Prozent und in Hessen fünf Prozent. Das Bundesland mit den zufriedensten Bus- und Bahnfahrern ist Sachsen-Anhalt mit einem Index von 30 Prozent.

Wo liegt das Problem bei Bus und Bahn?

1.135 Millionen Kilometer legt die Landbevölkerung am Tag zurück – dabei nutzen 55 Prozent von ihnen selten die öffentlichen Verkehrsmittel. Die Gründe sind vielfältig:

  • Hier kritisieren 49 Prozent der Umfrageteilnehmer die schlechten Direktverbindungen von A nach B.
  • 47 Prozent monieren, dass die Ziele mit Bus und Bahn nicht in zumutbaren Zeiten erreichbar seien.
  • 39 Prozent erscheinen die Verbindungen zu selten.
  • 30 Prozent empfinden die Ticketpreise als überzogen.
  • Nur 18 Prozent der Befragten gibt hingegen an, dass ihnen die Entfernung zur nächsten Haltestelle zu groß ist.

Insgesamt lautet das Fazit des ADAC-Verkehrspräsidenten Ulrich Klaus Becker: „Ohne Auto geht auf dem Land fast nichts!“

Was kann sich für Kinder in puncto Mobilität verbessern?

Den Verbesserungsbedarf bei der ländlichen Mobilität sieht auch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Es sucht im Rahmen der Initiative LandMobil Interessenten für die Durchführung von Beispielprojekten, die in Modellen und Demonstrationen innovative Wege zur Mobilisierung der Landbevölkerung aufzeigen. Zu den eingereichten Ideen zählen Carsharing, Mitfahrgelegenheiten, und On-Demand-Lösungen. Kinder könnten auf dem Land von folgenden Konzepten profitieren:

  • PlusBusse: in Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen fahren bereits zusätzliche Busse, die auf dem Land häufig und direkt zwischen größeren Orten pendeln. Da die zusätzlichen Busse nicht in jedem Dorf Halt machen, schaffen sie ein Verbindungsraster, das ähnlich schnell ist wie das Auto und durch weitere Verzweigungen auch das Erreichen abgelegener Orte in kürzerer Zeit ermöglicht.
  • Haltestellen-Erreichbarkeit: In Zukunft könnten größere Haltestellen auf dem Land das Ausleihen von E-Scootern, Fahrrädern oder E-Bikes ermöglichen, die den Weg nach Hause und zur Haltestelle erleichtern. Pilotprojekte im Odenwald und in Thüringen beziehen auch private Autofahrer mit ein. Sie sind gegen Gebühr als Taxi bestellbar – einfach und sicher per APP.
  • Radschnellwege: Die Niederlande machen es vor und auch hierzulande versprechen sich Verkehrsforscher viel von einem ausgebauten Radwegenetz das vom Autoverkehr unabhängig ist. Gerade für Kinder auf dem Rad würden die Radwege abseits befahrener Straßen auch das Unfallrisiko mindern.
  • Car-Sharing: Das Erfolgsmodell aus der Großstadt würde auch bei der Landbevölkerung punkten. Kindern wäre mit einem Car-Sharing-Angebot insbesondere dann gedient, wenn sich Eltern ein Auto teilen und zeitweise kein eigenes Fahrzeug zuhause zur Verfügung steht.
  • Spritpreise anheben: Noch immer werden 75 Prozent aller Personenkilometer in Deutschland mit dem Auto zurückgelegt. Das trägt nicht nur zu Staus und Raumnot bei, sondern ist auch ein entscheidender Klimatreiber. Zum Wohle der nachfolgenden Generationen schlagen deshalb viele Experten vor, Autofahrer mit dem Benzinpreis die wahren Kosten des von ihnen gewählten Verkehrsmittels zahlen zu lassen. Im Gegenzug sollen neue Siedlungen auf dem Land weniger in der Nähe von Verbindungsstraßen als in direkter Nachbarschaft zu Bahnstrecken entstehen.

Insgesamt zeigt sich aktuell: In der fehlenden Mobilität auf dem Land liegt ein reales Problem, das ein Landleben gerade in Teenager-Alter unattraktiv macht.

Freizeitangebot: Es kommt auf den Geschmack an

Kinder wollen spielen. Wo sie das tun, sollte doch eigentlich unerheblich sein, glauben viele Eltern. Doch auch im Freizeit-Angebot für die Kleinen zeigen städtische und ländliche Wohnumfelder ihre spezifischen Risiken und Vorteile:

Landkinder brauchen Improvisationstalent und Anschluss

Familienforscher betonen immer wieder, dass Kinder in ihrer Freizeit Kontakt mit Gleichaltrigen brauchen, um soziale Kompetenzen zu entwickeln und lernen, flache Hierarchien zu bilden. Auf dem Land wie in der Stadt ist es also wichtig, in eine Nachbarschaft zu ziehen, in der bereits Kinder im gleichen Alter leben. Traditionell treffen sich Gleichaltrige auch im Turnverein, in der Fußballmannschaft und bei der Freiwilligen Feuerwehr.

Doch innerhalb der vergangenen Dekade zeigte sich auch in der Vereinslandschaft in Deutschland eine Tendenz zur Landflucht. Von insgesamt 600.000 Vereinen lösten sich seit 2006 über 15.000 in ländlichen Gebieten auf, ohne dass Neugründungen das Angebot erweitern.

Da vielem Landkindern also ein vorgegebenes Angebot fehlt, brauchen sie vor allem eins: Kreativität in der Freizeitgestaltung. Eigentlich Schubs in die richtige Richtung, denn Neurologen wissen, dass Kinder vor allem dann gute kognitive Fähigkeiten entwickeln, wenn sie nicht vorgefertigten Mustern folgen, sondern beim freien Spielen mit eigenen Einfällen aktiv werden.

Stadtkinder im Freizeitstress?

Stadtkind im Freizeitstress dreht an der Uhr

© Adobe Stock – dimj

Ballett, Judo, Schachclub, Chinesisch für Grundschüler – in vielen Städten ist das Freizeitangebot für Kinder so breit gefächert, dass die Entscheidung schwerfällt. Engagierte Eltern neigen bei der Fülle der Möglichkeiten oft dazu, ihre Kinder zu überfordern und ihren Terminplan so zu füllen, wie es einem Berufstätigen zustünde. Dabei geraten gerade Stadtkinder gut gebildeter Eltern unter Stress – Psychologen sprechen bereits vom Burn-Out-Kind.

"Kinder haben eine angeborene Entdeckerfreude - bis irgendwann jemand kommt und ihnen sagt, was sie jetzt machen sollen", mahnt auch der bekannte Hirnforscher Gerald Hüther. Hier sind weniger Vorgaben gefragt und gelassene Eltern, die dem Kind ermöglichen, sich selbst auszuprobieren und seinen Geist selbstständig zu entwickeln.

Fazit: Eine glückliche Kindheit hängt nicht allein vom Wohnort ab

Grünflächen, Gleichaltrige, freie Gestaltungsmöglichkeiten – diese Faktoren begünstigen die Entwicklung eines Kindes. Wählen Eltern den Wohnort der Familie auch nach diesen Kriterien aus, ist es egal, ob er sich in der Stadt oder auf dem Land befindet. Doch bei aller Konzentration auf den Nachwuchs müssen Eltern auch ihre eigenen Bedürfnisse an einen Wohnort im Blick behalten, damit sie für ihre Kinder seelisch ausgeglichene Bezugspersonen sein können.