Wie Kinder gut mit einer Scheidung umgehen
Immer montags kommt Karla mit ihrem kleinen Trolley in den Kindergarten, so, als wolle sie in einen Kurzurlaub starten. Klamotten, Spielzeug, Schnuckeltuch, sie hat alles dabei, worauf sie in den nächsten Tagen nicht verzichten will. Denn heute holt Papa sie ab. Seit er ausgezogen ist, pendelt Karla zwischen zwei Wohnungen: Drei Tage bei Mama, drei bei Papa, an den Wochenenden wird abgewechselt.
Rechtsinfos
In Fragen zu Sorgerecht, Unterhalt oder Aufenthalt können das Jugendamt und Rechtsanwälte beraten. Die Amtsgerichte bieten eine Sprechstunde, in der geringverdienende Eltern einen kostenlosen Beratungsschein beantragen können. Mit diesem Beratungsschein kann man die Hilfe eines Anwalts in Anspruch nehmen. Besteht bei einer Klage Aussicht auf Erfolg, gibt es zusätzlich auch Prozesskostenhilfe.
Ganz anders bei Jan: Ein Leben als Kleinfamilie kennt er gar nicht. Schon vor seiner Geburt hatten sich Mama und Papa getrennt. Ab und zu verbringt er ein Wochenende mit Papa – sie unternehmen gemeinsam was Schönes, aber so richtig vertraut sind sich die beiden nicht. Fehlen tut ihm nichts, schließlich war es immer schon so.
Sami leidet unter den Vorwürfe und Misstrauen, die die Trennung bei seinen Eltern hinterlassen hat. Oft muss er sich anhören, was Papa diesmal wieder versäumt hat. Die meiste Zeit wohnt er bei seiner Mutter, jedes zweite Wochenende ist ein verlängertes mit Papa. „Viel lieber wäre es ihm, wenn die beiden sich wieder verstehen, wieder zusammenleben könnten. Stattdessen versuchen beide Parteien, Sami auf ihre Seite zu ziehen, und er steht dazwischen.
Auch wenn eine Beziehung keine Zukunft mehr hat – die gemeinsame Verantwortung bleibt. Karlas Eltern fühlten sich in der ersten Zeit nach der Trennung schlichtweg überfordert: Ein Umzug stand an, der Freundeskreis veränderte sich, das Geld wurde knapper. Für Samis Mutter ist es immer noch ein Kraftakt, Job und Kind – ohne unmittelbare Unterstützung des Partners – unter einen Hut zu bringen.
Trennungen sind beileibe kein Einzelphänomen. Knapp jede dritte Ehe wird geschieden, ein Großteil davon nach sechs Jahren. 2012 trennten sich fast 179.100 Ehepartner. Fast die Hälfte von ihnen hatte minderjährige Kinder: Etwa 143.000 Kinder unter 18 mussten sich damit arrangieren, dass ihre Eltern keine gemeinsame Zukunft mehr sahen.
Müssen Kinder zwangsläufig unter der Situation leiden? Viele Eltern machen sich Vorwürfe, befürchten Entwicklungsrückschritte ihrer Kinder, Schlaflosigkeit, Leistungsabfall. Die gute Nachricht: Auch Scheidungskinder können glücklich sein und wachsen in den allermeisten Fällen zu zufriedenen, bindungsfähigen Erwachsenen heran.
Kinder im Blick behalten
Wie lässt sich ein solcher Bruch am besten verkraften? Remo Largo fasst es in seinem Buch Glückliche Scheidungskinder so zusammen. „Wenn die Grundbedürfnisse der Kinder wahrgenommen und ausreichend erfüllt werden und es den Partnern nach der Trennung gut geht, nehmen die Kinder keinen Schaden.“ Damit meint er: Um glücklich und gesund aufzuwachsen, braucht ein Kind außer Nahrung und ein Dach überm Kopf verlässliche Bindungen, also die Nähe zu vertrauten Personen, Schutz und Geborgenheit, Strukturen und Grenzen und die Möglichkeit, Neues zu erleben und die Welt zu erkunden. Klingt einfach – ist es aber nicht. Oft ist die Entscheidung, bei wem die Kinder leben und wo sie sich wie oft und wie lange aufhalten, ein Zankapfel. Auf Kosten des anderen versucht ein Elternteil, das Kind auf seine Seite zu ziehen. Die Ex-Partner blockieren sich gegenseitig, jedes Telefongespräch endet im Streit.
Weitere Infos
Das Elterntraining „Kinder im Blick“ ist ein Gruppenangebot, das praxisnahe Hinweise zum Umgang mit der Trennungssituation bietet. www.kinder-im-blick.de
Wegweiser für den Umgang nach Trennung und Scheidung www.familienportal.de
Streit und Trennung meistern: Alltagshilfe, Rat und Konfliktlösung www.stark-familie.info
Das gibt Sicherheit
Kinder wollen die Entscheidung ihrer Eltern verstehen. Tausend Fragen nach dem Warum und seinen Konsequenzen schwirren ihnen im Kopf herum. Deshalb sollten Eltern sich Zeit und Ruhe nehmen, die Fragen zu beantworten. Feste Zeiten bei Mama und Papa geben gerade kleinen Kindern Sicherheit. Und es ist eine große Hilfe für Kinder, wenn beide den regelmäßigen Kontakt zum anderen Elternteil unterstützen. Mama und Papa können zeigen, dass sie ihr Kind mit gutem Gefühl gehen lassen und sich freuen, wenn es wiederkommt.
Alles, was es zu regeln gilt, zum Beispiel Wochenenden, Kurse, Arztbesuche und Elterngespräche sollten die Eltern direkt besprechen und nicht den Kindern die undankbare Aufgabe überlassen, Nachrichten überbringen. In einer unsicheren Zeit, die die Trennung nun mal ist, helfen Rituale und Gewohnheiten: So weit es geht, sollten Eltern das gemeinsame Umfeld unverändert lassen, also die Kita oder Schule und den Freundeskreis des Kindes beibehalten. Der wohl wichtigste Punkt: Den Streit nicht auf dem Rücken der Kinder austragen. Alles, was zur Trennung geführt hat, steht unverändert zwischen Mama und Papa. Hinweise wie „Hat Papa etwa wieder nicht…“ oder „“Warum muss Mama immer…“ sind da absolut fehl am Platz. Letztendlich treffen diese Schachzüge immer die falschen – die Kinder. Nichts wird so werden wie es früher war. Aber alles, was ein Stück Normalität bringt, der Alltag, Spiel, positive Erlebnisse – sowohl mit Papa als auch mit Mama – das macht Kinder glücklich. Und es zeigt, dass ihnen trotz Trennung kein Elternteil verloren geht.
„Das Kind im Blick behalten“, das ist leicht gesagt, aber ein hartes Stück Arbeit. Es braucht Geduld und Zeit, um diese Dinge im Alltag umzusetzen. Doch wenn beide am Ball bleiben und es schaffen die Gefühle dem Ex-Partner gegenüber zu überwinden und Absprachen zu treffen, nimmt das den Kindern eine große Last.
Eine halbe-halbe-Regelung wie die von Karlas Eltern ist die Ausnahme. Um die Zeit mit dem Kind gleichberechtigt aufzuteilen, müssen die Wohnorte nah beisammen liegen, die Arbeitszeit muss flexibel und die Bereitschaft zum Teilen hoch sein – das erfordert auf beiden Seiten eine Menge Zugeständnisse. Karla kommt mit diesem Arrangement gut zurecht – ihre Eltern sind getrennt und trotzdem muss sie auf keinen von beiden verzichten. Damit ist sie ganz glücklich.