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Ich bin Deine Welt – Erfahrungen aus zwei Jahren Teilzeitvater

6:30 Uhr. Der Wecker klingelt. Schnell schalte ich ihn ab. Schließlich darf unsere im Ehebett zwischen uns liegende 11 Monate alte Tochter Tanja nicht wach werden. Meine Frau steht leise auf und verschwindet zur Arbeit. Unsere Tochter schläft. Gut. Wenn ich viel Glück habe, schläft sie noch bis 8:00 Uhr. Ich döse noch etwas vor mich hin. Aber zur Ruhe komme ich nicht mehr. Wie wird es Tanja aufnehmen, wenn sie aufwacht und ihre geliebte Mama ist nicht da? Wird sie in panikartiges Geschrei ausbrechen oder einfach akzeptieren, dass ihr Papa die nächsten Stunden für sie da ist? Oh je, worauf habe ich mich da eingelassen?

In diesem Artikel:

Ein Kind? Wollten wir eigentlich nicht!

Fangen wir mal von vorne an. Wir – meine Frau und ich – haben in den ersten Ehejahre unser Leben genossen. Gut bezahlte Jobs im öffentlichen Dienst, Auto, große Wohnung und mit 2 Gehältern ließen sich Nah- und Fernreisen – unser großes Hobby – gut finanzieren. Kinder? Wir? Um Gottes Willen! Die schreien eh nur den ganzen Tag, machen Windeln voll und erzählen uns spätestens in der Pubertät, dass sie uns hassen und wir nie, nie, nie irgendetwas für sie getan haben.

Oder vielleicht doch ein Kind?!

Aber wie das Leben so spielt. Als wir uns mit Mitte 30 überlegten, vielleicht doch ein Kind zu bekommen (Betonung natürlich: EIN Kind), war es auch schon passiert. Treffer – versenkt. Und das, nachdem die Frauenärztin meiner Frau versichert hatte, es sei sehr unwahrscheinlich, dass sie jemals Kinder bekommen könne.

Und wir freuten uns. Ja, wir freuten uns. Sicher, man wird am Anfang mit etwa 3 Trilliarden Informationsbroschüren überschüttet, die man alle unbedingt von vorne bis hinten und von oben bis unten lesen muss. Man verinnerlicht die etwa 3.000 Regeln und Vorsichtsmaßnahmen, die Schwangere, Mütter und sonstige Angehörige zu beachten haben. Die Entscheidung, welchen Kinderwagen wir wählen sollten, war wesentlich schwieriger als die für unser letztes Auto. Und das gerade im Bau befindliche Haus musste schnellstmöglich auf kinderfreundlich umgeplant werden. 

Schwangerschaft und Geburt

Wir hatten Glück. Die Schwangerschaft meiner Frau verlief absolut vorbildlich und ohne Komplikationen. 2 Tage vor der Geburt waren wir chinesisch essen. In meinem Glückskeks fand sich die Botschaft: „Eine zauberhafte Begegnung erwartet Sie.“ „Schauen wir mal“, dachte ich.

Dann die Geburt. Nicht unbedingt das schönste Erlebnis meines Lebens. Wer miterlebt hat, welche Schmerzen eine Frau bei der Geburt aushalten muss, und wie hilflos man als Mann danebensitzt, weiß, was ich meine. Als unsere Tochter zur Welt kam, habe ich geweint. Nicht aus Freude, sondern aus Übermüdung und Erleichterung, dass es nun endlich vorbei war.

„Boah, das ist nun unsere Tochter? Kaum zu glauben. Schau mal, die Beinchen und Ärmchen. Wie rum hält man sie nun? Wo kommt die Windel hin? Warum schreit sie denn auf einmal?“ Und vor allem: „Warum hört sie denn nicht auf zu schreien, obwohl wir sie doch hochnehmen und wiegen und trinken lassen und wickeln und und und?“ Fragen über Fragen.

Die schwierige Anfangszeit und das erste Lachen

Die ersten Monate vergingen im Flug. Man gewöhnt sich schnell daran, ein Kind zu haben. Die erste Zeit war hart, insbesondere der permanente Schlafentzug forderte seinen physischen und psychischen Tribut. Und dann noch diese gnadenlosen abendlichen Schreiattacken, bei denen wir uns im 20-Minuten-Takt mit den Beruhigungsversuchen ablösten. Aber – Schritt für Schritt – wurde es leichter. Das schreiende Bündel verwandelte sich langsam, aber sicher in einen liebenswerten kleinen Menschen. Der mit großen Augen die Welt erkundet. Und wie von Sinnen lacht, wenn ich mir eine leere Plastikflasche mit lautem „Dong“ auf den Kopf haue. Und Wunder, oh Wunder: die erste durchgeschlafene Nacht. Also 6 Stunden ununterbrochener Schlaf. Ach, das Leben ist doch schön.

Kinderbetreuung in Teilzeit

Wir haben schon immer eine moderne Ehe geführt. Dass wir die Hausarbeit teilen, war für uns klar. Und wird auch seit jeher so praktiziert. Bei der Betreuung unserer Tochter lag die Hauptarbeit zunächst bei meiner Frau. Nach zwei Wochen Urlaub unmittelbar nach der Geburt arbeitete ich wieder Vollzeit. Ich ging möglichst früh zur Arbeit, kam in der Mittagspause nach Hause, damit ich meine Frau wenigstens für eine halbe Stunde ablösen konnte, und war auch am Nachmittag baldmöglichst zurück. Doch wir merkten, dass das nicht genug war. Ich beantragte Elternzeit für ein halbes Jahr. In dieser Zeit arbeitete ich halbtags in der Privatwirtschaft, mit Arbeitszeiten, die ich selbst gestalten konnte. So ging es schon viel besser. Meine Frau konnte nun mal für ein paar Stunden in die Stadt fahren oder im Garten arbeiten. Doch gleichwohl blieb die Hauptarbeit eindeutig bei ihr.

Es stellte sich die Frage, wie wir weiter verfahren wollten.

Krippe - Nein danke!

Wir leben in einer größeren Stadt im Osten Deutschlands. Daher wäre es problemlos möglich gewesen, Tanja in eine Kinderkrippe zu geben. Das ist hier sogar der übliche Weg. 
Doch wir hatten uns entschieden: Wenn schon ein Kind, dann wollten wir es auch wirklich selbst erziehen, selbst für es da sein. Finanziell konnten wir es uns leisten, auf ein Gehalt zu verzichten.
Doch wie wollten wir es machen? Sollte meine Frau zu Hause bleiben und ich weiter arbeiten gehen, wie es der übliche Weg war? Oder doch – ganz modern – umgekehrt? Oder sollten wir beide halbtags arbeiten? Wir entschieden uns für Letzteres.

Was für ein Vater wollte ich sein?!

Ich habe in einer Untersuchung gelesen, dass Väter, die sich aktiv um die Erziehung ihres Kindes kümmern, zum größten Teil aus zwei Gruppen kommen: Entweder hatten sie das so in ihrer Kindheit selbst erlebt, waren also durch ihre Väter miterzogen worden. Oder sie hatten das genaue Gegenteil erlebt, nämlich Väter, die sich überhaupt nicht um sie gekümmert hatten. Bei mir ist die Ursache ganz eindeutig das letztere Szenario. Bei meinem Vater habe ich bis heute nicht verstanden, warum er sich für seine drei Kinder nie interessiert hat. Noch immer ist mein Verhältnis zu ihm distanziert. Als meine Frau schwanger wurde, war mir eines klar: So ein Vater wollte ich nicht sein. Ich wollte ein Vater sein, der sich wirklich einbrachte. Für meine Tochter und für meine Frau.

Teilzeit - aber nicht mit meinem Chef

Also für uns beide eine Teilzeitstelle. Meine Frau geht vormittags, ich nachmittags arbeiten, mittags ist die Übergabe. Kein Problem bei uns, da meine Frau lediglich 10 Minuten Weg zu ihrer Dienststelle hat, ich zu meiner 20 Minuten. Und gerade im öffentlichen Dienst sollte es wohl problemlos möglich sein, eine Teilzeitstelle bewilligt zu bekommen. Wir haben schließlich sogar einen Rechtsanspruch darauf.

Aber da gab es doch ein Problem: den Präsidenten meiner Behörde, ein typischer Karrieremann. Fachlich brillant, schneidig, ein Erfolgstyp. Ohne Kinder. Und ohne jegliches Verständnis für Mitarbeiter, die Kinder haben. Eine auf 17 Uhr angesetzte Besprechung, die mindestens 2 Stunden dauern würde – wo sollte da das Problem sein? Was waren denn das für Mitarbeiter, die frecherweise nach Hause gehen wollten, um ihre Kinder vom Kindergarten abzuholen?

Seine Entscheidungen waren berüchtigt. Seine Grundregel: Wenn überhaupt eine Reduzierung der Arbeitszeit, dann um maximal 25 Prozent und selbstverständlich ohne Reduzierung des Arbeitsumfangs. Eine Kollegin, die eine Teilzeitstelle mit weniger Arbeitsstunden beantragt hatte, wurde kurzerhand auf eine Position versetzt, bei der sie fast permanent auf Dienstreisen sein sollte. Es ist kein Wunder, dass die Teilzeitquote in meiner Behörde deutlich unter 10 Prozent liegt.

Mein schriftlicher Antrag auf Teilzeit verschaffte mir umgehend ein persönliches Gespräch mit dem Präsidenten:

Er: „Ich verstehe nicht, was sie eigentlich wollen.“
Ich: „Ich will einfach in Teilzeit arbeiten, 20 Stunden die Woche, 4 Stunden am Tag.“
Er: „Ja, wollen sie denn nicht Karriere machen?“ (Man beachte: Kind und Karriere waren nach seiner Auffassung offenbar unvereinbar.)

So ging es weiter. Er wies auf die Notwendigkeit von Dienstreisen hin, ich konterte damit, dass ich im letzten Jahr genau 3 ganztägige Reisen hatte und das auch weiterhin ermöglichen könne. Ob ich denn nicht einfach mein Kind in eine Krippe geben wolle? Nein.

Es folgten noch mehrere Gespräche dieser Art und er übte zunehmend Druck auf mich aus. Erst als ich mit einer Klage drohte, gab die Behördenleitung schließlich nach. Nicht ohne ein Exempel zu statuieren. Da ich in Teilzeit offenkundig nicht mehr für meine bisherige Arbeit einsetzbar war, wurde für mich eine neue Stelle geschaffen. Eine Stelle, die eines klar machte: Hier sitzt jemand, der für die Erledigung gängiger Aufgaben unfähig ist und dem man daher Pseudoaufgaben übertragen muss. Hinzu kam, dass ich kein „normaler Mitarbeiter“ war. Ich war – zusammen mit mehreren Kollegen – von diesem Präsidenten als so genannter „High Potential“ eingestellt worden, um die Behörde neu zu organisieren. Wenn schon solche Mitarbeiter Verrat üben ...

So war es dann auch in der Praxis: Ich kam auf einen Dienstposten, auf dem ich schlicht nichts zu tun hatte. Aber mir war das egal. Ich hatte eine klare Priorität: meine Familie. Ich kündigte innerlich und fand mich mit der Situation ab.

Ganz anders übrigens bei meiner Frau. Lag es daran, dass sie eine Frau war oder dass sie in einer großen Behörde mit vielen weiblichen Teilzeitbeschäftigten arbeitete? Sie erhielt ihre Teilzeitstelle ohne Probleme bewilligt. Abgesehen davon natürlich, dass man sie auf einen Dienstposten setzte, dessen Arbeitsfülle eine Vollzeitkraft kaum geschafft hätte. Als sich die Überstunden häuften, zog meine Frau die Konsequenz und stockte von 20 auf 25 Wochenstunden auf.

Mein erster Tag als Teilzeit-Papa

So war also unsere Situation an meinem ersten Tag als Teilzeitvater.
Tanja wachte auf. Suchendes Umherblicken: Wo war die Mama? Ich sagte ihr, dass ihre Mama arbeite und bald wieder komme. Ich dachte, sie würde gleich anfangen zu weinen. Aber nichts dergleichen. Mama war nicht da, aber Papa – auch okay.

Das übliche Morgen-Procedere. Knuddeln, soweit sie es zulässt, aufstehen, wickeln, anziehen, Frühstück für mich und für sie machen, frühstücken. Ein bisschen aufräumen. Spielen. Schon war es 11:15 Uhr und meine Frau war da. Übergabe. Sie fragt nach Problemen. Nö, welche Probleme? Täusche ich mich, oder sehe ich unter der Erleichterung meiner Frau auch ein ganz klein bisschen Enttäuschung? Sie war stundenlang weg und ihre Tochter hat sie nicht vermisst?

Zwei Jahre vergingen

So vergingen zwei Jahre. Natürlich gab es immer wieder Anpassungen. Meine Frau arbeitete irgendwann 5 statt 4 Stunden täglich. Wir tauschten auch mal die Schichten. In der Regel lief alles komplikationslos. Eine Zeit lang machte Tanja aber plötzlich Probleme bei der Übergabe. Sie weinte, wenn einer kam oder der andere ging, war aber schnell wieder ruhig. Es war wohl eher eine Machtprobe als wirkliche Verlustängste.

Eine richtige Belastungsprobe entstand durch einen Großeinsatz meiner Frau, für den sie ein komplettes Wochenende jeweils 12 Stunden täglich arbeiten musste. Was mich mit gewisser Panik erfüllte. Ein halber Tag war ja okay, aber gleich zwei komplette? Würde Tanja auch das akzeptieren? Doch es ging erstaunlicherweise ohne Probleme. Tanja meinte einfach: „Mama arbeiten. Warten. Mama kommt bald wieder.“ Und damit war alles in Ordnung.
Ohnehin kann ich mich natürlich nicht beklagen. Was ich gerade mal ein Wochenende machte, nämlich ein Kind von morgens bis abends betreuen, tun viele Frauen jeden Tag.

Es wird immer einfacher

Und natürlich wurde es mit der Zeit immer einfacher. Inzwischen ist Tanja fast 3 Jahre alt und braucht viel weniger Betreuung als am Anfang. Oft kann ich die Stunden mit ihr richtig genießen – morgens gemütlich im Bett rumliegen, ein nettes „Petterson & Findus“-Buch anschauen, in aller Ruhe frühstücken, und dann die nächsten Stunden bis zur Übergabe ein bisschen einkaufen oder vielleicht in den Zoo (für den ich natürlich längst eine Jahreskarte habe) gehen. Oder einfach nur um die Ecke auf den Spielplatz und dort ein bisschen in der Sonne sitzen oder mit ihr klettern und rutschen. An diesen Tagen geht die mittägliche Übergabe auch schnell. Die Mitteilung der „technischen Daten“ – wann aufgestanden, was wann gegessen, wann zuletzt auf dem Klo gewesen, schon ihr großes Geschäft erledigt? – dauert oft nur noch 2 Minuten.

Aber es gibt natürlich auch andere Tage. Tage, an denen Tanja müde und unausgeglichen ist, ich ihr nichts recht machen kann und es auch noch den 7. Tag in Folge in Strömen regnet. Oder – ich gebe es zu – Tage, an denen ICH müde und unausgeglichen bin und Tanja mir nichts recht machen kann. Ja, ich bin auch nur ein Mensch. Und meine anfänglichen heiligen Schwüre, dass ich immer ein freundlicher und liebevoller Vater sein wolle und nie, nie, nie auch nur im Geringsten meine Stimme gegen sie erheben werde, bemühe ich mich zwar einzuhalten. Aber es gelingt nicht immer. Gott sei Dank ist Tanja ein kleiner Sonnenschein, der mir das dankenswerterweise nicht übel nimmt.

Konkurrenz der Erziehungsstile

Ein gewisses Problem, das man bei dieser Form der Teilzeiterziehung nicht übersehen darf, ist das Zusammentreffen verschiedener Erziehungsstile. Schließlich hat jeder von uns beiden Tanja für einen halben Tag und wirkt gleich lange auf sie ein. Also anders als bei der klassischen Beziehung, in der einer – oder in den meisten Fällen eine – für die Erziehung verantwortlich ist und das andere Elternteil, sprich in der Regel der Vater, sich anpasst. Bei Teilzeiterziehung sind detaillierte Absprachen wichtig: Was erlaubt man, was erlaubt man nicht? Wo darf sie z. B. alleine an der Straße langgehen, wo muss sie an der Hand laufen? Das ist vor allem dann nicht einfach, wenn Tanja mit scheinheiligstem Gesicht behauptet: „Bei Mama/Papa darf ich das aber!“ Die kleine Lügnerin. Hier hilft nur eins, nämlich sich regelmäßig über die kleinen und großen Taten des Tages auszutauschen. Wo waren wir, was haben wir gemacht, was durfte sie, was nicht, was hat sie gegessen, was getrunken?

Mama für drinnen, Papa für draußen

Interessanterweise finden sich doch nach wie vor deutliche Unterschiede, wie wir uns mit Tanja beschäftigen. Meine Frau bleibt gern die ganze Zeit mit Tanja zu Hause, um dort Legotürme zu bauen, mit den Kuscheltieren zu spielen oder Bücher vorzulesen. Das mache ich zwar auch, aber mich zieht es doch stark nach draußen. Einkaufen gehen oder in die Stadt, in den Zoo, ins Schwimmbad oder auf einen der diversen Spielplätze (inzwischen könnte ich einen Führer darüber schreiben). Unter meiner Aufsicht hat sich Tanja zu einer gefürchteten Kletterin entwickelt – kein Gerüst ist ihr zu hoch, keine Rutsche zu steil. Locker hängt sie 5-jährige ab.
Letztlich muss man das als sinnvolle Ergänzung ansehen. Was meine Frau nicht mit ihr macht, mache ich. Und umgekehrt.

Übrigens klappt das Ganze weit weniger, wenn wir alle drei zusammen sind. Denn dann treffen die unterschiedlichen Erziehungsstile aufeinander. Ich bin strenger und achte auf klare Anweisungen und ihre Durchsetzung. Was Tanja akzeptiert. Meine Frau ist weicher und lässt auch mal 5 grade sein. Was Tanja natürlich auch akzeptiert. Und das führt zu Differenzen, zumal Tanja inzwischen in einem Alter ist, wo sie diese Situation bewusst oder unbewusst gut auszunutzen weiß. Frei nach dem Motto: Wenn Papa etwas verbietet, versuche ich es bei Mama. Daher ist es wesentlich, sich als Eltern immer wieder auszutauschen und zu versuchen, eine gemeinsame Linie zu finden und diese durchzuhalten.

Mein Fazit nach zwei Jahren als Teilzeit-Vater

Was haben mir die beiden Jahre als Teilzeit-Papa gebracht? Neben Krankengymnastik, da das viele unvermeidliche Rumtragen des Kindes meinen Rücken erheblich in Mitleidenschaft gezogen hat, vor allem ein inniges und liebevolles Verhältnis zu meiner Tochter. Hoffentlich bleibt das so. Außerdem einen Einblick in eine Welt, die vielen Männern leider verborgen bleibt, und die Erkenntnis, dass man mit einem Kind selbst wieder zum Kind werden kann – und sei es nur, dass man eine große Rutsche auf dem Bauch mit dem Kopf voran runterrutscht (probiert das mal – Adrenalin pur!). Die Dankbarkeit meiner Frau (ein bisschen dankbarer könnte sie allerdings schon sein). Ein motorisch und geistig toll entwickeltes Kind – Tanjas Sprachvermögen ist phänomenal (angeblich ist dafür die Kommunikation mit dem Vater entscheidend).

Wenn ich im Fernsehen Doku-Soaps sehe, bei denen die Väter mit ihren Kindern alleine gelassen werden und an Kindererziehung und Haushalt verzweifeln, kann ich nur leise lächelnd den Kopf schütteln. Aber ich bin auch kein Übervater geworden. Keiner, der mit verklärtem Blick erzählt: „Ein Kind ist das Wichtigste im Leben.“ Oder: „Das Kind ist das Beste, was mir je passiert ist.“ Nein, soweit geht die Liebe dann doch nicht.

Hat die Teilzeit meine Karriere behindert?

In anderer Weise waren diese beiden Jahre allerdings durchaus negativ prägend. Wie mein Behördenleiter angekündigt hatte, macht meine Karriere zumindest eine Pause. Zwar bin ich inzwischen aufgrund einer allgemeinen Umorganisation meiner Behörde wieder auf einem normalen Dienstposten gelandet. Ein Kollege, der zeitgleich mit mir eingestellt wurde und sein Kind pflichtgemäß in eine Krippe gab, ist allerdings befördert worden und zum Referatsleiter aufgestiegen. Ich habe selbst in ferner Zukunft keine Beförderung in Aussicht. Aber ehrlich gesagt ist mir das inzwischen wirklich egal geworden. Es gibt Wichtigeres.

Erziehende Väter sind die Ausnahme

Als wirklich erziehender Vater ist man sicher auch heute noch eine Ausnahme. Von all den Behörden in der Landesregierung, für die ich arbeite, gibt es meines Wissens nur einen einzigen Vater, der dasselbe Modell gewählt hat. Nehmen wir ein befreundetes Paar: Beide arbeiten im öffentlichen Dienst in derselben Gehaltsgruppe. Doch sie übernimmt allein die Kindererziehung. Ihre Begründung: „Ich glaube schon, dass mein Mann das Kind übernehmen könnte. Aber dann müsste er sich ja auch noch um den Haushalt kümmern. Und das würde er nicht schaffen, weil er das bisher noch nie gemacht hat.“ Ein modernes Paar im neuen Jahrtausend!

Wie sehr man als erziehender Vater eine Ausnahmeerscheinung ist, zeigt sich auch im täglichen Leben. Neben Supermarkteingängen gibt es Parkplätze für „Mutter & Kind“ – klar: Väter dürfen ihre Kinder über den ganzen Parkplatz tragen. Und im Programm einer Sozialstation heißt es: „Dieser Kurs richtet sich an Mütter, die ...“ Ein Fitnessstudio wirbt mit einer Kinderbetreuung – und ist nur für Frauen. Internetforen zur Kindererziehung gibt es zuhauf – aber Männer schreiben kaum darin.

Ein Papa und viele, viele Mütter

Als ich mich für mein Dasein als Teilzeit-Papa entschied, machte ich mir keine Gedanken über mein gesellschaftliches Leben. Im Gegenteil: Als Vater mit Kind würde ich schon bald zum umjubelten Hahn im Korb aufsteigen, dachte ich. Die Frauen würden sich um mich Ausnahmemann nur so scharen und ich würde mich vor Angeboten zu gemeinsamen Unternehmungen, Krabbelgruppen etc. nicht retten können.

Tatsächlich musste ich aber feststellen, dass sich meine Spielplatzbekanntschaften in (sehr engen) Grenzen hielten. In den ganzen 2 Jahren ist es mir gelungen, genau eine (EINE!) gemeinsame Unternehmung zu vereinbaren – mit einer Mutter, die ich ohnehin aus der Nachbarschaft gut kannte. Ein Mann mit Kind auf einem Spielplatz strahlt offenbar nicht die Botschaft aus: „Kümmert sich liebevoll und ausdauernd um sein Kind. Also toller Typ. Also unbedingt kennenlernen.“ Sondern: „Achtung! Er hat ein Kind. Also lebt er in einer Partnerschaft. Also Finger weg!“ Und vielleicht auch: „Kümmert sich um sein Kind. Achtung! Weichei und Warmduscher, kein echter Mann.“ Irgendwann prägte ich für mich den Satz: „Über den modernen Mann reden alle, nur mit ihm reden will niemand.“

Ohnehin habe ich den Eindruck, dass man als erziehender Vater von einigen Frauen als unwillkommene, ja unnatürliche Konkurrenz angesehen wird. Bezeichnend fand ich dazu den Umgang mit einem Blog auf www.stern.de. Darin beschrieb ein erziehender Vater humorvoll seinen neuen Alltag mit seiner Tochter und schilderte offen seine Probleme und Unzulänglichkeiten. Dafür wurde er in Kommentaren der Leserinnen (die zum Teil noch nicht mal Kinder hatten) so niedergemacht, dass er nach 3 Beiträgen den Blog einstellte. Nur weil er zugegeben hatte, dass er seiner Tochter lieber Gläschenkost als selbstgekochtes Essen verabreiche.

2 Jahre für Tanja - Einwenig ist jetzt genug

Meine zwei Jahre als Teilzeitvater nähern sich rapide ihrem Ende. Tanja kommt bald in den Kindergarten. Dieser ist bereits ausgesucht. Dann wird Tanja sich mehr von uns abkoppeln und wir uns von ihr. Ich werde zum klassischen Vater werden und sie nur noch abends und am Wochenende sehen. Das ist gar nicht so schlecht. Nach 2 Jahren intensiver Betreuung reicht es mir, um ehrlich zu sein, langsam. Ich möchte aufwachen, ohne mir morgens zunächst einmal Gedanken darüber zu machen, wie ich sie heute betreuen und unterhalten werde. Ich möchte, wenn es mal wieder tagelang regnet, einfach sagen können: „Es regnet? Wir können nicht rausgehen? Das ist das Problem des Kindergartens.“

Nochmal das Ganze?

Würde ich es wieder so machen? Gute Frage. Eine Frage, bei deren Beantwortung ich sicher zehnmal am Tag meine Meinung ändere. Nehmen wir einen normalen, durchschnittlichen Tag:

07:00 Tanja wecken und zum Knuddeln ins Elternbett holen. Tanja ist noch ganz verschlafen und schmiegt sich an mich. Ich muss sie wachkitzeln. Wir knuddeln. Wie schön, so sollte jeder Tag beginnen.

07:05 Tanja hat genug geknuddelt und will ihr Lieblingsbuch anschauen. Das Buch, das ich schon etwa 2375 Mal mit ihr angeschaut habe. Oh Gott, nicht schon wieder. Warum kann ich nicht einfach im Büro sein?

08:00 Tanja unterstützt mich vorbildlich beim Frühstück machen. Wir sitzen einträchtig am Tisch und essen. Ich werfe einen Blick in die Zeitung. Schön entspannt so ein langsamer Tagesbeginn.

08:15 Tanja zappelt rum und kippt die volle Apfelsaftpackung quer über den Tisch. Verdammt noch mal, muss das denn sein? Ich will ins Büro.

09:15 Nach dem Aufräumen, Zähne putzen etc. beschließen wir, in den Zoo zu gehen. Au ja, da ist es schön. Tiere anschauen, aber vor allem die Spielplätze. Und das Wetter ist gut. Wie schön.

10:15 Im Zoo weigert sich Tanja, auch nur einen einzigen Schritt zu laufen. Was soll das denn? Sie wollte doch unbedingt in diesen blöden Zoo. Nerv!

11:30 Ging dann doch. Eigentlich war es ganz nett. Und es ist schön, wenn man einem Kind das ein oder andere zu den Tieren erklären kann. Tanja schaut mich plötzlich an und sagt: „Ich bin Deine Welt.“ Ich schmelze dahin ...

11:35 Was soll das denn? Warum fragt sie denn jetzt zum wiederholten Mal, wo die Bären Winterschlaf halten? Das habe ich ihr doch schon zehnmal erklärt. Als wir zum Auto zurückwollen, fängt sie an zu weinen: „Ich will aber im Zoo bleiben!“ Kinder sind echt anstrengend.

12:15 Zuhause Übergabe an meine Frau. Tanja winkt mir nach. Tschüss, Süße, bis später.

12:45 Ankunft im Büro. Mein Schreibtisch erwartet mich. Erst mal in Ruhe eine Tasse Kaffee trinken und mich entspannen. Ach, ist das schön.

13:15 Der Abteilungsleiter ist mit meiner Präsentation unzufrieden. Wie oft soll ich dieses Teil denn noch ändern? Bürokratischer Blödsinn. Ich will nach Hause und mit meiner Tochter spielen.

17:15 Ich komme nach Hause. Tanja kommt mir entgegen und berichtet stolz, was sie alles gemacht hat. Wir knuddeln. Wie schön es ist, eine Tochter zu haben.

18:30 Beim Abendessen führt sich Tanja mal wieder unmöglich auf. Das ausdrücklich von ihr angeforderte Essen gefällt ihr nun doch nicht. Die Hälfte der Nudeln landet auf dem Boden. In so einer Situation muss ich mich echt zusammenreißen.

20:00 Uhr Tanja geht ins Bett. Wird auch Zeit, sie ist nämlich müde und quengelig. Endlich Ruhe.

20:15 Ich setze mich an den Computer, um meine E-Mails zu checken. Aus Tanjas Kinderzimmer dringt lautes Singen und Erzählen. Sie unterhält ihre Kuscheltiere. Wie süß.

21:00 Uhr Tanja schläft endlich. Wie niedlich sie aussieht mit ihren goldenen Locken. Wie sehr ich sie doch liebe.

21:30 Ich trinke mit meiner Frau zusammen ein Glas Wein. Wir unterhalten uns über den Tag und natürlich über Tanja. Wir ärgern uns über ihre Ausraster und amüsieren uns über die lustigen Anekdoten. Das Leben ist schön.

01:30 Tanja weckt uns mit lautem Geschrei. Verdammt, kann man nicht mal eine Nacht durchschlafen? Es war eine blöde Entscheidung, ein Kind zu bekommen.

01:35 Ich habe Tanja geknuddelt und ihr etwas vorgesungen. Jetzt schläft sie wieder. Wie sie sich an mich geklammert hat. Ach, ich hab sie so lieb.

Meine Frau ist wieder schwanger

PS: Meine Frau ist wieder schwanger. Und wir wollen es wohl wieder so machen. Mein Behördenleiter wird toben, wenn ich auch weiterhin nur in Teilzeit arbeiten will. Meine Karriere wird wohl endgültig stagnieren. Aber was soll‘s?

Der Country-Sänger Toby Keith erzählt in seinem Song „My List“ davon, was wirklich wichtig ist im Leben, nämlich entspannt zu leben. Der Text enthält u. a. die folgenden Zeilen, die ich zu meinem Motto auserkoren habe:

„Wouldn't change the course of fate
but cuttin' the grass just had to wait
'Cause I've got more important things
like pushin' my kid on the backyard swing“

Frei übersetzt:

„Es würde den Kurs des Schicksals nicht ändern,
aber das Rasenmähen musste einfach warten.
Denn ich habe Wichtigeres zu tun,
zum Beispiel mein Kind auf der Gartenschaukel anschubsen.“

Gerd hat auch das erste Vätertagebuch auf kidsgo.de geführt:

zum Tagebuch von Gerd