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Tagebücher aus der Schwangerschaft

Eine neue wunderbare, aufregende und vielleicht auch lang erwartete Lebenszeit beginnt. Für unsere Tagebücher-Blogs haben wir immer 3-4 schwangere Frauen in unterschiedlicher Schwangerschaftsphase, die in freudiger Erwartung über jede Woche dieser spannenden Zeit schreiben, uns und die vielen tausend Follower:innen daran teilhaben lassen und damit unvergessliche Momente schaffen.
0. Schwangerschaftswoche

Wenn es geklappt hätte,...

Die erste ICSI beschert uns ein dickes Negativ und ein schreckliches Wochenende.

..., dann wäre unser Kind im Spätsommer oder Altweibersommer auf die Welt gekommen oder hätte im goldenen Herbst Geburtstag gehabt. Das sind beides wunderschöne Monate und der Oktober ist mein Lieblingsmonat im ganzen Jahr.
..., dann hätte ich um Ostern rum, wenn die ersten kritischen 12 Wochen vorbei gewesen wären, riesige Ostereier gekauft, mit irgendetwas babyspezifischem befüllt und an Freunde, Bekannte und Verwandte verschenkt.
..., dann hätten wir nicht mehr sagen müssen: „Vielleicht klappt es ja nächstes Jahr, 2019 wird unser Babyjahr...“, sondern dann wäre 2018 unser Babyjahr geworden.
..., dann hätte ich ohne mit der Wimper zu zucken 1.600€ an die Klinik überwiesen und wahrscheinlich noch ein bisschen Trinkgeld oben drauf gepackt.
..., dann wäre ich im Hochsommer hochschwanger gewesen und hätte wahrscheinlich mit dicken Füßen, angeschwollenen Gelenken und was weiß ich nicht noch zu kämpfen gehabt, aber hätte den wachsenden Bauch in luftige Kleider hüllen können.
..., dann wären wir einfach nur glücklich gewesen und hätten uns auf die kommenden Monate gefreut.

Und siehe da, wieder in die Falle getappt: hätte, würde, könnte. Nichts da, zurück auf dem Boden der Tatsachen, die erste ICSI hat uns ein dickes NEGATIV beschert. Und wieder einmal wusste ich es vorher, noch vor dem Bluttest, irgendwie weiß ich es immer vorher. Ist es Intuition, Selbstschutz, ein gutes Körpergefühl? Oder ist es am Ende immer leichter zu sagen „Ich habe es ja gewusst“ als zuzugeben „Ich habe es so sehr gehofft und habe mich geirrt“?

Am Montag war ich aufgrund der Überstimulation erneut zum Kontrollultraschall und Blutabnahme in der Klinik. Alles sah wunderbar aus, das Wasser im Bauchraum verschwunden und auch meine Blutwerte waren so gut, dass ich die blutverdünnenden Spritzen absetzen durfte. Yippie yeah, weg mit dem Zeug! Die Ärztin und die Schwestern wünschten mir beim Verlassen der Praxis noch viel Glück für den Endspurt bis zum Bluttest am Freitag und drückten die Daumen.
Im Fahrstuhl stand ich dann mit einer Frau und ihrer kleinen, vielleicht 2-jährigen Tochter, die ebenfalls gerade aus der Klinik kamen. „Ich wünsche Ihnen viel Glück und ganz viel Durchhaltevermögen! Das braucht man unbedingt! Bei ihr hat es ewig gedauert!“ Liebe Frau aus dem Fahrstuhl, wahrscheinlich hast du es gut gemeint und wolltest mich aufmuntern, mir was Nettes sagen und mir begreiflich machen, dass es unter Umständen eine halbe Ewigkeit dauern kann, und dass die Ausdauer sich am Ende lohnt. Vielen Dank dafür. Aber in diesem Moment fand ich es einfach nur bescheuert und fehl am Platze. Wenn man am Anfang dieser blöden Behandlungen steht, möchte man solche Sätze nicht hören. Man weiß um die Risiken, Chancen, Wahrscheinlichkeiten und man möchte positiv gestimmt sein und daran glauben, dass es schnell klappen wird und dass es auch beim ersten Mal funktionieren kann. Wozu also dieser gut gemeinte Rat? Hätte ich kein Durchhaltevermögen, stände ich wohl kaum im Fahrstuhl der Kinderwunschklinik.

Während ich also am Montag noch frohen Mutes meinen Tagesgeschäften nachging, kamen am Dienstag dann schon die ersten untrüglichen Zeichen. Und ich rede hier nicht von Bauchziehen oder Stechen hier und da. Nö, jeden Monat die gleichen Vorzeichen für den netten Tantenbesuch. Ich kriege genau zwei Pickelchen an der gleichen Stelle, genau zwei Tage vorher. Meine Haare sind den ganzen Tag stumpf und irgendwie kraftlos, genau und nur zwei Tage vorher. Ich habe Kreuzschmerzen an einer Stelle, genau zwei Tage vorher. Ich habe diese Vorzeichen bemerkt und trotzdem gute Miene zum bösen Spiel gemacht.
Und dann pünktlich am Donnerstag war sie da, einen Tag vor dem Bluttest. Bis hierher war ich gefasst und habe mir gedacht, „Na gut, was soll`s, nächster Versuch“ und ich war ehrlich, ehrlich nicht so enttäuscht wie ich gedacht hätte. Ich habe es mit Fassung getragen und mir war nicht danach, in Tränen auszubrechen oder mich und mein Schicksal zu verfluchen – ganz und gar nicht.
Ich habe in der Klinik angerufen um den Bluttest abzusagen, aber aus mir unerfindlichen Gründen wollten sie mir trotzdem Blut abzapfen „zum Überprüfen der Hormonwerte“, „Vielleicht hat es doch geklappt, so eine Blutung kann vielerlei Gründe haben“. Mein Mann, der sich sonst mit Kinderwunschfragen, Vorzeichen und „Was-wäre-wenn-Spielchen“ stets zurückgehalten hat, recherchierte wild im Internet rauf und runter und stieß in das gleiche Horn: „Noch ist nichts verloren! Kann trotzdem auf ein POSITIV hinauslaufen.“
Meine Freundin sprang auf diesen Zug auf und erzählte mir wilde Geschichten von Hämatomen in der Gebärmutter, über Frauen, die in der gesamten Schwangerschaft ihre Periode bekommen hätten bis hin zu ominösen Einnistungsblutungen.
Und obwohl ich es hätte besser wissen müssen, begann ich dann doch ein bisschen zu hoffen. Als dann der Anruf aus der Klinik kam und das NEGATIV überbrachte, war ich plötzlich so erschüttert. Den ganzen Tag auf der Arbeit hatte ich einen dicken Kloß im Hals und meine Stimme klang belegt. Als mein Mann mich später abholte, fuhren zwei Trauerklöße durch Kiel nach Hause. Und so war dann das ganze verschneite Wochenende: trostlos, kummervoll und gewiss keins, an das ich mich gerne zurückerinnere.

Ich kam mir so doof und naiv vor. Wie hatte ich denn annehmen können, dass es beim ersten Mal gleich klappt? Wieso nur stelle ich mir immer gleich die Zukunft vor, anstatt einfach mal abzuwarten?
Und ein klein wenig geschämt, habe ich mich auch.
Dafür, dass ich so in Selbstmitleid zerflossen bin, während es anderen viel schlechter geht. Während andere schwerwiegende Entscheidungen treffen müssen oder furchtbare Diagnosen erhalten.
Dafür, dass ich so unfassbar neidisch war auf die Schwangerschaft einer entfernten Bekannten. Und das auch nur, weil die Ärzte bei ihr den Kopf geschüttelt haben und ihr prophezeiten, dass ihre Chancen unfassbar schlecht stehen und dann klappt es bei ihr gleich im ersten Anlauf.
Dafür, dass ich all meine guten Vorsätze über Bord geworfen habe und von jetzt auf gleich wieder in der Negativ-Gedanken-Spirale gefangen war.

Aber heute am Anfang der neuen Woche ist der Spuk auch wieder vorbei. Ich schiebe es auf die ersten wundervollen Sonnenstrahlen, das Sinken des Hormonpegels und auf die Aussicht auf viele schöne Termine in den nächsten Tagen.
Und ich freue mich auf unsere beiden Zellhaufen, die derweil noch in flüssigem Stickstoff vor sich hin dümpeln und auf ihr neues Zuhause warten.

Bis bald, eure Helena



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In diesem Beitrag geht's um:

ICSI, Kinderwunschbehandlung, negativer Test