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Tagebücher aus der Schwangerschaft von Helena

Eine neue wunderbare, aufregende und vielleicht auch lang erwartete Lebenszeit beginnt. Für unsere Tagebücher-Blogs haben wir immer 3-4 schwangere Frauen in unterschiedlicher Schwangerschaftsphase, die in freudiger Erwartung über jede Woche dieser spannenden Zeit schreiben, uns und die vielen tausend Follower:innen daran teilhaben lassen und damit unvergessliche Momente schaffen.

0. Schwangerschaftswoche

Made in laboratory

Das Studentenleben hat wieder begonnen und die Arbeit im Labor stimmt mich nachdenklich.

Tja, so schnell kann´s gehen und der Alltag hat uns wieder. Ich erinnere mich, dass ich vor ein paar Wochen richtig Sehnsucht nach einem geordneten Tagesablauf hatte. Nach dem Umzugsstress, den nie enden wollenden Besuchen in diversen Baumärkten und Möbelhäusern, den kleinen und großen Baustellen überall – so langsam durfte das Heim wieder heimisch und die Woche wieder durchgeplant sein. Während der Mann bereits wieder fleißig arbeiten ging, puzzelte ich hier im Haus herum, plante meinen neuen Stundenplan, pflegte meine guten Vorsätze, erledigte hier und dort etwas und faulenzte so vor mich hin. Eine schöne Zeit war das! Aber diese Zeit ist jetzt glücklicherweise vorbei – die Uni hat wieder begonnen.

Auch wenn studieren nichts Neues mehr für mich ist, hat jede Uni doch ihre eigenen Systeme und Eigenarten. Es fing schon damit an, dass das Semester hier eine Woche später begann – obwohl das nirgends ausgewiesen war. Während ich also fest davon ausging, am 16. Oktober frohen Mutes studieren zu gehen, fingen die meisten Vorlesungen und Seminare eine Woche später an – und einige Veranstaltungen starten sogar erst im November. Auch das Anmelde- und Ablegesystem für die Vorlesungsunterlagen ist mir völlig fremd und bisher habe ich das auch noch nicht durchschaut.

In meinem großstädtlerischem Denken hatte ich zudem angenommen, die Uni hier wäre klein und schnuckelig. Große Stadt = große Uni - kleine Stadt = kleine Uni, ist doch eigentlich logisch. Glücklicherweise habe ich mir am Abend vor dem ersten Unitag den Lageplan noch einmal zu Gemüte geführt, sonst hätte es am nächsten Tag ein böses Erwachen gegeben. Nachdem ich jeden Seminar- und Vorlesungsraum penibel eingezeichnet hatte, stellte ich erschrocken fest, dass die einzelnen Orte mitunter sechs Bushaltestellen auseinanderliegen! Die Uni besteht anscheinend nur aus einzelnen Gebäuden, die über weite Strecken verteilt sind. Da ich diese Entfernungen bei der Stundenplanplanung nicht auf dem Schirm hatte, ist es ganz schön anstrengend rechtzeitig von einem Ort zum nächsten zu hetzen. Aber ich verbuche das mal unter Anfangsschwierigkeiten, Spaß macht das Studieren hier trotzdem.

Unsere Kinderwunschklinik hat uns nach dem Erstgespräch ein kleines Heftchen mitgegeben. Neben einem Kinderwunsch-Glossar, in dem diverse Fachbegriffe kurz erklärt werden, ist dort auch die Behandlung an sich bildlich und wörtlich erläutert. In aller Kürze läuft das Prozedere ja ungefähr so ab: mir werden Eizellen entnommen, die, wenn man den Bildern Glauben schenken darf, zunächst in einem Reagenzglas gesammelt werden. Anschließend werden sie dann mit den Spermien in eine Petrischale geschmissen (eine sehr schöne Zeichnung übrigens) und in einen Brutschrank gestellt.

Nachdem ich dieses Heftchen ein paar Mal durchblättert hatte, blieben diese Bilder haften.
Als ich dann neulich im Unilabor stand und verschiedene Reagenzien in einem Reagenzglas zusammenmischte, kamen mir eben diese Bilder wieder in den Kopf. Wird das im Dezember wirklich genauso ablaufen? Steht dann der Biologe in seinem weißen Kittel in der Praxis, hält das Reagenzglas mit meinen Eizellen gegen das Licht, schwenkt sie in der Nährflüssigkeit hin und her und stellt sie dann, wenn er mal eben Mittagspause macht, zum Warten in einen Reagenzglasständer? Betrachtet er sie interessiert unter dem Mikroskop und macht sich eifrig Noitzen oder reicht er sie an seinen Schülerpraktikanten weiter? Wird die Petrischale mit den vielleicht bald Babys eine von vielen im Brutschrank sein? Wird sie ständig unter kalt flackerndem Neonlicht beobachtet oder liegt sie im Dunkeln? Es ist eine irritierende und zugleich erheiternde Vorstellung, dass ich vielleicht gerade mit den gleichen Gerätschaften hantiere, wie der Biologe im Dezember.

In unserer Klinik wird sogar angeboten, die Embryonen vor dem Einsetzen selbst unter dem Mikroskop zu betrachten und ein Foto der Zellen als Erinnerung mit nach Hause zu nehmen - natürlich gegen einen kleinen Aufpreis. Erinnert mich ein bisschen an die Fotos, die man in Freizeitparks oder auf Events schießen lassen kann und das geht mir dann doch irgendwie zu weit.

Während ich da also so im Labor stand, konnte ich zum ersten Mal nachvollziehen, was die Leute umtreibt, wenn sie an diesem künstlichen Prozess Anstoß nehmen und reklamieren, dass so der ganze Schwangerschafts- und Baby-Zauber verloren geht.
Etwas, was eigentlich im Inneren des Körpers, im Dunkeln und vor unseren Blicken verborgen von statten geht, wird plötzlich ins grelle Licht des Labors gezerrt und in seine Einzelteile zerlegt. Jeder Schritt wird analysiert, genauestens geplant und zeitlich durchgetaktet. Aus einem natürlichen Prozess wird ein künstlicher – künstliche Befruchtung eben.

Ich frage mich auch, ob wir das irgendwann vergessen. Sehen wir unser Baby an und sehen nur seine weiche Haut, seine Grübchen und stellen uns die Zukunft mit ihm vor? Oder denken wir automatisch an den Entstehungsprozess?
In unserem Bekanntenkreis gibt es ein Kind, welches durch künstliche Befruchtung entstanden ist. Aber das wissen nur eine Handvoll Leute, da die Eltern nicht wollen, dass ihr Kind anders (an)gesehen wird als andere Kinder. Dass quasi sein Leben lang der „Made in laboratory“- Stempel auf seiner Stirn steht. Ist das nicht eigentlich verrückt? Gerade in unserer heutigen Zeit, wo kaum ein Lebensmittel noch genetisch unverändert ist und vieles künstlich und in Laboren hergestellt wird, finden es einige Leute irritierend, wenn auch das menschliche Leben im Labor beginnt. Eventuell rührt diese Haltung her von den typischen Klischees vom verrückten Professor, der klammheimlich in seinem Labor Designer-Babys oder Mutanten mit unvorstellbaren Kräften züchtet?

Zu guter Letzt habe ich euch noch zwei Fotos angehängt. Auf dem einen seht ihr den schönen Blumenstrauß aus der kidsgo-Redaktion anlässlich unseres Umzuges. Vielen lieben Dank dafür! Das andere soll euch einen Eindruck vermitteln, wie wir hier jetzt leben ; )

Ich melde mich bald wieder und wünsche euch eine schöne Zeit bis dahin.

Eure Helena

Bild: Privat

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Umzug, Uni, Kinderwunschbehandlung