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Vater werden und Vater sein: Im Interview erzählen Caro und Martin über ihre Anfänge als Eltern

Wie finden Männer heute in die Vaterrolle? Welches Bild haben sie vom Vatersein beziehungsweise von sich selbst als Papa? Wie stellen sie sich ihre Vater-Kind-Beziehung vor? Und wie ihre Partnerschaft mit Kind? Das Elternpaar Caro und Martin aus Berlin erzählt kidsgo, wie sie Schwangerschaft und Geburt erlebten, welche Erfahrungen sie als Mama, Papa und als Partner:in bisher gemacht haben.

In diesem Artikel:

Plötzlich Eltern! Wie sich das Leben verändert ...

kidsgo: Hallo Caro, hallo Martin! Schön, dass ihr die Zeit für dieses Interview gefunden habt. Ihr seid beide 34 Jahre alt und wohnt mit eurem 10-Monate alten Sohn Fridolin in Berlin Kreuzberg.  
Erzählt mal: Wie hat sich euer Leben – in zwei, drei Sätzen kurz zusammengefasst – verändert, seitdem ihr Eltern seid?

Caro: Ich habe davor sehr viel gearbeitet und mich darüber auch stark identifiziert – und mit einem Mal ist dieser Bereich komplett weggefallen. Auf einmal war ich nicht mehr nur für mich zuständig, sondern auch für ein anderes Wesen. Ich musste gefühlt von vorne anfangen, mich neu positionieren. Das war, glaube ich, die größte Veränderung, die mir zumindest im Vorhinein nicht so bewusst war.  

Martin: Ja, Fridolin! Der Klassiker ist ja, dass man dann andere Lebensroutinen hat, also zum Beispiel sich nicht mehr mit Freunden treffen oder ins Kino gehen kann. Jetzt ist Fridolin nun aber im März 2021 geboren und zu dem Zeitpunkt konnte man das eh nicht mehr wegen Corona. Es haben sich neue Fragen für mich ergeben, hinsichtlich der neuen Verantwortlichkeit und ein neues Sicherheitsdenken. Bei Caro war eigentlich im alltäglichen Leben die krasseste Veränderung, da ich weiterhin gearbeitet habe. 

Wie wollen wir als Vater beziehungsweise Mutter sein?

Habt ihr euch in der Schwangerschaft schon ausgemalt, wie das nach der Geburt sein könnte als Familie?  

Caro: Nein, ich habe immer nur bis zur Geburt gedacht, glaube ich. Was ich immer im Kopf hatte war, dass ich mich darauf freue, unser Kind mit dem Papa zusammen zu sehen, das war eine sehr schöne Vorstellung. Aber wie der Alltag aussehen würde? Keine Ahnung!  

Martin: Irgendwie erst sehr spät. Ich erinnere mich, dass wir zwei Wochen vor Fridolins Geburt noch darüber gesprochen haben, dass man die ganze Zeit immer nur die Geburt als singuläres Ereignis vor Augen hat. So dass die Vorstellung, dann zu dritt zu sein, fast untergegangen ist. Gefühlt kann man sich eh nicht darauf vorbereiten, oder? (lacht) 

Gemeinsam als Team gut auf die Geburt vorbereitet?

Habt ihr euch auf die Geburt selbst vorbereitet gefühlt? Habt ihr euch damit beschäftigt, vielleicht Ängste, Sorgen oder Erwartungen gehabt? Und habt ihr das mit eurem Partner geteilt? 

Caro: Ängste gar nicht kurioserweise, denn ich bin der Meinung, dass Frauen einfach dafür geschaffen sind, Kinder zu kriegen. Wir haben uns beide sehr intensiv damit auseinandergesetzt, in dem Gedanken, dass eine Geburt etwas ganz Natürliches ist und nicht wie es in Filmen oft dargestellt wird. Wir haben einen von der Krankenkasse übernommenen Vorbereitungskurs gemacht und dann zusätzlich einen Hypnobirthing-Kurs gebucht. Am Anfang waren wir echt kritisch, aber im Endeffekt war dieser Kurs viel besser und inspirierender für uns beide. 

Martin: Ja, ich habe über alles, was mich beschäftigt hat, mit Caro gesprochen. Den Hypnobirthing-Kurs fand ich auch sehr cool, weil man mit Gleichgesinnten abgleichen konnte, ob man auf dem gleichen Vorbereitungsstand ist. Caro hat ziemlich viel selbst in die Hand genommen mit der Vorbereitung, was für mich sehr komfortabel war. 

Würdet ihr sagen, dass ihr ein gutes Geburts-Team gewesen seid? Fühltest du dich, Caro, körperlich und mental gut unterstützt von Martin?  

Caro: Ja, total! Ich hatte ihm vorher einen Zettel geschrieben, was ich mir von ihm wünsche, wenn ich unter den Wehen nicht mehr ansprechbar bin. Das hat er sich durchgelesen, hat es im Endeffekt intuitiv richtig gemacht und war ganz bei mir. Ohne ihn hätte es auf jeden Fall nicht funktioniert. Ich war heilfroh, dass er bei mir war, dass hat er wirklich richtig gut gemacht. Ich war sehr beeindruckt von ihm. 

Wie als werdender Vater Partnerin bei der Geburt unterstützen?

Und du, Martin, hattest du das Gefühl, dass du Caro gut zur Seite stehen konntest? Körperlich, mental und emotional? Und wie war das für dich, sie in so einer Extremsituation zu sehen?  

Martin: Also in der Zeit, die wir miteinander während der Geburt verbracht haben, glaube ich, waren wir ein gutes Team. Ich hoffe zumindest, dass ich ihr helfen konnte. Sie hatte am Abend vorher einen Blasensprung, und ich kam erst spät nach Hause an dem Tag. Was ich herausfordernd fand, war dann die Entscheidung zu treffen, wann wir los ins Krankenhaus müssen, weil sie schon eine Zeitlang starke Wehen hatte. Aber ich finde, das haben wir ganz gut zusammen rausgekriegt. Das ist auch echt nicht einfach.
Im Krankenhaus war sie leider erstmal alleine, wegen Corona. Ich stand eine Stunde draußen, bevor ich reingelassen wurde. Wir waren noch eine Runde spazieren und dann ging es auch schon ziemlich schnell los. Während der Geburt hatten wir sehr intensive Stunden zu zweit. Für mich war das eine sehr besondere Erfahrung mit ihr, und sie hat das unheimlich toll gemacht!

Und nach der Geburt, habt ihr viel darüber geredet, wie der Verlauf war?  

Caro: Ja! Wochenlang, jeden Tag, wie abgefahren diese Erfahrung war. Ich weiß nicht, wie oft wir darüber gesprochen haben in den ersten Wochen.  

Martin: Caro ist an sich eine sehr zurückhaltende Person und hat dann aber am ersten Tag nach der Geburt unserem Nachbarn alles haarklein erzählt. Wir haben auch viel in den ersten Tagen darüber gesprochen, und ich glaube, das war auch sehr wichtig für uns, um das alles zu verarbeiten. 

Caro, hat dich was an Martin überrascht? Hättest du vielleicht was anderes erwartet?  

Caro: Bezogen auf die Geburt, war mir vorher klar, dass er genau so sein würde. Weil wir einfach ein super Team sind. Und als Papa, finde ich, macht er das großartig. Ich habe mir nie Sorgen gemacht darüber, ob er etwas kann oder nicht. Er ist voll und ganz Papa. 

Vater werden: Welche Erwartungen habt ihr, an euch selbst an den anderen?

Wow. Wie schön! Was erwartest du von deinem Mann als Vater? Welche Eigenschaften sind dir wichtig und in welchen Punkten soll er vielleicht so ein bisschen sein wie dein Vater oder Schwiegervater – und in welchen Punkten lieber nicht?  

Caro: Ich würde Vater oder Schwiegervater nicht als Referenz benutzen wollen. Unser Leben ist einfach komplett anders: Meine Eltern wohnen auf dem Land mit Einfamilienhaus und Garten – und wir leben in einer Berliner Stadtwohnung. Das ist ein gefühlt anderer Kosmos. Deswegen finde ich das schwierig zu sagen.

Was ich erwarte? Ich sehe gerade viele andere Paare, die Kinder haben und habe ganz oft das Gefühl, dass die Mamas dazu tendieren, den Männern immer zu sagen, wie sie etwas zu tun haben. Also ganz oft Vorwürfe machen, wenn es nicht genauso läuft, wie sie es sich vorstellen. Ich finde, Martin muss seinen eigenen Weg finden. Er hat seine eigene Art und Weise mit Fridolin umzugehen, und das ist völlig richtig und gut so. Ich möchte da gar nicht reinreden. Er hat seine eigene Beziehung zu Fridolin, die vielleicht auf einer ganz anderen Ebene funktioniert als die Beziehung zwischen Fridolin und mir. Ich finde es cool, dass das anders funktioniert. Die müssen ihr eigenes Ding machen, ihr eigenes Männerding haben – da habe ich nichts zu suchen.

Martin, hast du dich vorher damit befasst, wie du als Vater sein möchtest? Hast du zum Beispiel reflektiert, was dir an deinem Vater gefallen hat oder was du nicht so machen möchtest wie er?  

Martin: Oh, wow, schwierige Frage. Ich bin ohne meinen Vater aufgewachsen. Meine Eltern waren nicht wirklich zusammen, wie das halt so war in den wilden Achtzigern. Mein Vater hat auch eine andere Familie und ich habe erst mit zwei Jahren erfahren, wer er überhaupt ist. Ich habe ihn dann zwar auch regelmäßig gesehen, aber er ist für mich in keiner Weise ein Vorbild. Jedenfalls nicht im Positiven.
Ich habe eine eher spießige Vorstellung von Familienleben. Zum Beispiel, dass alle zusammen am Tisch sitzen, das bedeutet mir viel. Also alles, was es in meiner Kindheit nicht gab. Mir ist schon sehr wichtig, dass mein Sohn eine Familie hat, auf die er zählen kann und wo alle für ihn da sind und er das auch weiß. Wie man das konkret lebt, ist, glaube ich, dann Learning by Doing.

Vater-Kind-Bindung stärken: Zeit und Nähe

In Bezug auf die Vater-Kind-Bindung: Hast du eine Aufgabe exklusiv übernommen?  

Martin: Nee, eigentlich nicht. Ganz am Anfang habe ich ihn viel getragen, aber ansonsten haben wir schon alles geteilt. Ach ja, doch, ich war mit mit Fridolin beim Babyschwimmen. Das fand ich klasse, ist nur leider fast immer ausgefallen. 

Das  Wochenbett kann Elternpaare und ihre Beziehung auf eine harte Probe stellen. Wie war das bei dir, Martin? Hast du dich manchmal in zweite Reihe versetzt gefühlt?

Martin: Auf die gesamte Zeit bezogen, würde ich sagen, dass man weniger vom Partner hat als vorher, weil noch jemand dabei ist, der einfach von beiden mehr Aufmerksamkeit braucht als der Partner. Im Wochenbett speziell fand ich es manchmal etwas schade, dass Caro Fridolins Bedürfnisse viel besser erfüllen konnte als ich. Am Anfang schlief er oft nackt bei mir auf der Brust, da hatte ich das Gefühl, dass ich ihm sehr nah bin. 

Und du, Caro? Fühltest du dich im Wochenbett ausreichend unterstützt? 

Caro: Ja! Es gab das beste Essen! Martin hat drei Wochen jeden Tag richtig aufwendig und lecker gekocht.  

Wünsche an den Partner als Mann und Vater

Was wünschst du dir für die Zukunft von Martin als Vater und als Mann?  

Caro: Ich wünsche mir, dass wir eine gute Balance zwischen Arbeit und Familie finden. Gestern haben wir darüber sehr lange gesprochen: wer wieviel arbeitet, wer wann Fridolin zur Kita bringt, wann man ihn abholt etc. Da eine gute Balance zu finden, mit der sowohl Martin als auch ich zufrieden sind, das ist mir wichtig. Grundsätzlich möchte ich, dass Martin ein gleichberechtigter Papa ist. Nicht, dass ich als Mama die Oberhand über Fridolin habe und alles bestimme. Dass wir weiterhin als Team funktionieren und nicht der eine nur die Erziehungsaufgabe komplett übernimmt. Ich würde mir auch wünschen, dass die gesamte Care-Arbeit aufgeteilt wird. Wie ich von Freunden häufig höre, liegt diese Arbeit immer noch größtenteils bei den Frauen.  

Und was wünschst du dir von Caro als Mutter und als Frau?  

Martin: Oh, schwierige Frage. Ich kann eher sagen, was ich mir für sie wünsche. Zu den großen Ungerechtigkeiten unserer Zeit gehört, dass du es im Grunde als Mann nur richtig machen kannst: Entweder arbeitest du für die Familie oder bist der coole moderne Vater, der zu Hause bleibt.
Als Frau kannst du es nur falsch machen: Entweder bist du die Mutter, die sich aufs Hausfrauen- und Mutterdasein beschränkt, nicht arbeiten geht und ihre Chancen nicht ausnutzt oder du bist die schlechte Mutter, die nur arbeiten geht und sich nicht genug um die Kinder kümmert. Das ist gesellschaftlich eine unfaire Situation und auch für Caro ist es nicht leicht damit umzugehen. Hier ihren Weg zu finden, der für sie richtig ist und mit dem sie sich wohl fühlt, dass wünsche ich mir für sie. Ich hoffe, dass ich sie dabei unterstützen kann. Das ist nicht ganz einfach, weil ich den Weg auch für mich finden muss.

Gibt es etwas, wofür ich euch  beim anderen gerne bedanken wollt?  

Caro: Danke für das, was du bist. Du bist einfach perfekt! Da ist so viel, da könnte ich eine ewige Liste aufzählen, auch wenn du mir das nicht glaubst. Ich bin sehr happy.  

Martin: Was habe ich schon getan? (lacht) Danke dir, für die besten letzten zwei Jahre! Du machst das echt großartig!

Wie wunderschön. Wir danken euch für dieses offene Gepräch!

Interview: Magnolia Gerversmann-Küper.
Idee & Konzept: Heike Pfirrmann