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Altersvorsorge für Frauen: Finanzielle Absicherung trotz Trennung

„Das Wichtigste bei der Familienplanung ist der lange Blick voraus“, sagt die renommierte Finanzberaterin und Autorin Helma Sick im Interview zum Thema „Finanzielle Unabhängigkeit von Frauen“.

In diesem Artikel:

Unsere Expertin

Helma SickHelma Sick engagiert sich seit über 30 Jahren für die finanzielle Unabhängigkeit von Frauen. Sie ist eine bundesweit bekannte Finanzexpertin, eine erfolgreiche Autorin und Rednerin.

Interview – "Frauen sollten über dem aktuellen Glück mit ihrem Kind nicht ihre Zukunft vergessen"

kidsgo: Frau Sick, wie kommt es, dass viele Frauen vor dem Thema Finanzen die Augen verschließen?

Helma Sick: Bis weit in das 20. Jahrhundert hinein wurden Frauen diskriminiert und benachteiligt, indem man ihnen eigenes Geld vorenthielt und behauptete, sie hätten nicht die Fähigkeiten, damit erfolgreich umzugehen. Bis in die 1960er Jahre hinein durften Frauen nicht einmal ein eigenes Konto haben. Das ist jetzt lange her. Aber die jahrhundertelange Bevormundung von Frauen in Finanzfragen durch Ehemänner oder männliche Familienangehörige hat tiefe Spuren hinterlassen – bis heute.

Wie zeigt sich das heute konkret im Alltag?

Männer fangen meist schon mit Anfang 20 an zu sparen. Frauen leider erst mit Ende 30 oder sogar noch später. Und wenn sie dann etwas tun, investieren sie in der Regel viel zu kleine Beträge. Und versäumen damit viele Jahre, in denen ihr Erspartes wachsen könnte. Natürlich kann man in jedem Alter noch etwas für die Ruhestandsicherung tun. Nur: Je später damit angefangen wird, desto teurer wird es, weil ja die verbleibende Zeit bis zum Rentenbeginn immer kürzer wird – also die Zeit, in der noch gespart werden kann.

Der Trend geht gerade wieder Richtung Vollzeitmutter, also ganz für die Kinder und die Familie da zu sein. Wie erklären Sie sich diesen Trend und was bedeutet es für die finanzielle Absicherung?

Es gibt seit einigen Jahren eine Art Rückwärtsbewegung, einen „backlash“. Das heißt, gerade gut ausgebildete Frauen ziehen sich wieder zurück in die Familie, steigen wegen der Kinder lange, wenn nicht sogar ganz aus dem Beruf aus. Nach einer aktuellen Studie möchten 60 Prozent der in Teilzeit beschäftigten Frauen bis zum Renteneintritt weiter Teilzeit arbeiten. Das finde ich verhängnisvoll, denn das heißt ja auch, dass diese Frauen dauerhaft von ihrem Partner finanziell abhängig sind und bleiben. Was ist, wenn dieses Lebensmodell scheitert?

Aber ist Teilzeit nicht zumindest für einige Mütter gerade sinnvoll, um Job und Familie unter einen Hut zu bekommen?

Ja, aber nur vorübergehend, solange die Kinder klein sind. Aber keine Frau kann es sich heute noch leisten, viele Jahre aus dem Beruf auszusteigen. Denn mit einem Teilzeitjob über viele Jahre hinweg schafft es kaum eine Frau ihren Lebensunterhalt und den der Kinder zu erwirtschaften. Sie bleibt also abhängig vom Mann oder ist auf staatliche Unterstützung angewiesen. Und Teilzeitarbeit ist natürlich später auch Teilzeitrente.

Welches sind die wichtigsten Säulen für eine ausreichende Altersabsicherung?

Die Basis der Altersabsicherung ist für Angestellte immer die gesetzliche Rente. Sie allein reicht nicht aus, deshalb muss dazu privat vorgesorgt werden. Jede Frau mit Kind sollte einen Riester-Vertrag haben, am besten mit einem lukrativen Fondssparplan. Der Eigenbeitrag ist gering und die staatliche Förderung hoch. Vom Staat gibt es für das Kind eine Zulage von 300 Euro und für die Mutter 175 Euro, also 475 Euro jährlich. Das macht den Sparplan lukrativ, denn das ist Geld, das nicht selbst gespart werden muss.
Selbständige können nicht von der Riester-Rente profitieren. Für sie gibt es eine Alternative, die Rürup-Rente. Die Beiträge dafür sind steuerlich absetzbar. Wer gut verdient, kann damit eine Menge Steuern sparen.

Welche weiteren Möglichkeiten lohnen sich für eine Altersvorsorge?

Private Rentenversicherungen, die es heute in vielen Varianten gibt, sind ein sicheres Standbein bei der Altersvorsorge, und sie sind die einzige Geldanlage, die lebenslang Auszahlungen leistet – auch wenn die Empfängerin sehr alt wird und das vorhandene Kapital längst aufgebraucht ist. Nur: Ein Renditeturbo ist die private Rentenversicherung natürlich nicht. Für alle, die mehr Rendite möchten und bereit sind, ein begrenztes Risiko einzugehen, ist ein Aktienfonds-Sparplan sehr sinnvoll. Den kann man schon ab 25 Euro monatlich einrichten.

Wo kann sich eine Frau hierzu beraten lassen?

Bei der Planung ihrer Altersvorsorge sollten Frauen sich unbedingt qualifiziert beraten lassen, damit sie die Strategie finden können, die am besten zu ihrer individuellen Lebenssituation passt. Über das Finanzportal „HerMoney“ kann man im Internet nach Finanzberaterinnen in der Nähe des eigenen Wohnorts suchen.

Was sollten insbesondere (junge) Mütter beachten?

Das Wichtigste bei der Familienplanung ist der lange Blick voraus. Das heißt, Frauen sollten über dem aktuellen Glück mit ihrem Kind nicht ihre Zukunft vergessen. Wenn möglich, sollte die Elternzeit mit dem Partner geteilt werden. Dann müsste keiner von beiden zu lange aus dem Beruf aussteigen. Ist dies nicht möglich und bleibt demzufolge die Frau zu Hause, sollte aus dem Familieneinkommen für sie in einen Altersvorsorge-Sparplan eingezahlt werden. Ein Termin bei der Deutschen Rentenversicherung vor Ort kann Klarheit darüber bringen, wie sich diese Familienzeit auf die spätere Rente auswirkt. Elterngeld und Elterngeld Plus bringen Entlastung. Wenn der Krippen- oder Kindergartenplatz gesichert ist, sollte über Teilzeit langsam wieder in Vollzeit eingestiegen werden.

Frau Sick, herzlichen Dank für das Gespräch.

Buchtipp

Ein Mann ist keine Altersvorsorge Helma SickEin Mann ist keine Altersvorsorge – Warum finanzielle Unabhängigkeit für Frauen so wichtig ist

Helma Sick und Renate Schmidt

Die Betriebswirtin Helma Sick arbeitet als unabhängige Finanzberaterin – seit 1987 überwiegend für Frauen. Renate Schmidt (SPD) war von 2002 bis 2005 Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Sachlich und mit einer Prise Humor beschreiben die beiden Autorinnen, welche Fehler viele Frauen bei der Altersvorsorge machen, und haben jede Menge Lösungsvorschläge im Gepäck.

Kösel-Verlag, 5. Auflage 2018, ISBN 978-3-466-34594-6, 16,99 Euro

Drei Experten-Tipps von Helma Sick ...

… zu Versicherungen

Bevor es an den Vermögensaufbau geht, müssen eventuell vorhandene Schulden getilgt und existenzielle Risiken abgesichert werden. In jeder Lebensphase und jeder Lebensform wichtig sind eine Haftpflichtversicherung und eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Ein absolutes Muss ist außerdem eine Unfall- oder Invaliditätsversicherung für Kinder. Denn Kinder sind unfallgefährdet, weil sie Risiken noch nicht richtig einschätzen können. Ein Unfall oder eine schwere Erkrankung im Kindesalter kann gravierende Folgen haben. Die gesetzliche Unfallversicherung deckt nur den Weg zum Kindergarten, zur Schule oder zur Universität ab. Alles, was dem Kind in der Freizeit passieren könnte, muss privat abgesichert werden. Wichtig: Eine qualifizierte Beratung ist hier unerlässlich, weil die Details, auf die es ankommt, für Laien nicht zu durchschauen sind.

Bei Alleinerziehenden ist meist das Geld knapp. Die genannten existenzsichernden Versicherungen (siehe Hauptartikel) sollten aber nach Möglichkeit auch hier abgeschlossen werden. Zur Altersvorsorge ist für jede Frau mit Kind die Riester-Rente ideal – der Eigenbeitrag ist gering und die staatliche Förderung hoch, also ein lukrativer Sparvertrag.

… zur Steuerklasse

Die Elternzeit teilen und über Teilzeit langsam wieder in Vollzeit einsteigen. Mit dem Partner vereinbaren, dass während der Elternzeit für die Mutter in einen Sparplan eingezahlt wird. Nicht die Steuerklassen III (Mann) und V (Frau) wählen. Wer die Steuerklasse V wählt, macht aus der Erwerbstätigkeit ein Nullsummenspiel. Denn die Wahl der Steuerklasse III für den Hauptverdiener und der Steuerklasse V für die „Zuverdienerin“ bedeutet, dass der Mann steuerlich so behandelt wird, als wäre er weiterhin Alleinverdiener. Sein Gehalt wird also relativ günstig besteuert. Dafür zahlt die Frau  allerdings überproportional hohe Steuern und zwar ab dem ersten Euro, weil sie für ihr Einkommen keinen Grundfreibetrag mehr erhält (der wird beim Ehemann berücksichtigt). Was viele nicht wissen: Lohnersatzleistungen wie zum Beispiel Elterngeld hängen von der Höhe des Nettogehalts ab. Wer also Steuerklasse V wählt, schenkt dem Staat über Jahre hinweg viel Geld. Besser: Beide wählen Steuerklassenkombination IV/IV mit Faktor, der individuell zur gerechten Verteilung der Steuerlast berechnet wird.

… zu nichtehelichen Lebensgemeinschaften

Hier stehen Frauen, was ihre Existenzsicherung angeht, auf sehr dünnem Eis, wenn sie ihren Beruf wegen der Familie aufgeben.

FAKTENCHECK

In Deutschland waren im Jahr 2018 rund 2,17 Millionen Mütter und circa 407.000 Väter alleinerziehend.

Denn anders als bei Eheleuten gibt es bei Trennung keinerlei Anspruch auf Zugewinn- oder Versorgungsausgleich und auch nicht auf Unterhalt. Verstirbt der Partner und gibt es kein Testament oder einen Erbvertrag, erben seine Verwandten bzw. die gemeinsamen Kinder.

Wer nicht heiraten kann oder will, sollte die wichtigsten Dinge unbedingt schriftlich in einem Partnerschaftsvertrag regeln. Zum Beispiel wie ihre Situation aussieht, wenn er vor ihr stirbt, wie sie dasteht, wenn die Beziehung auseinander geht usw. Und es muss ein Testament oder einen Erbvertrag geben. In dem Buch „Ein Mann ist keine Altersvorsorge“ schreiben wir ausführlich darüber, was unbedingt geregelt werden sollte. Und es gibt im Anhang Muster für einen Ehevertrag und einen Partnerschaftsvertrag.

Helma Sick im Internet: frau-und-geld.com

Dorotheas Geschichte …

… beginnt mit der Trennung von ihrem Partner, mit dem sie fünf Jahre in „wilder Ehe“ lebte und eine gemeinsame vierjährige Tochter hat. Das Zerbrechen der Beziehung war per se schon ein harter Schlag, die daraus resultierenden finanziellen Probleme – jetzt und im Rentenalter – sind bis heute eine riesige Herausforderung. Rückblickend erzählt sie, wie es dazu kam: „Die elf Monate Elternzeit hatte ich allein genommen. Der Vater wollte daran keinen Anteil haben. Er arbeitete in einer Führungsposition und begründete es damit, dass er in seinem Job nicht zwei Monate ausfallen könne.“

Riestern – ja oder nein ?

Dorothea hat hin- und herüberlegt, ob sie einen Riestervertrag abschließen sollte. Sie hat sich bisher dagegen entschieden, da in den Medien wegen der Kosten für die Verwaltung oft davon abgeraten wurde. Helma Sick: „Es ist längst von vielen Fachleuten bewiesen, dass diese Negativbewertung nicht stimmt. Außerdem haben die Anbieter der Riester-Verträge mittlerweile die Kosten deutlich gesenkt, so dass auch das kein Abwehrgrund mehr ist."

Das inzwischen neunjährige Kind lebt seit der Trennung im Wechselmodell, pendelt also wöchentlich zwischen den Wohnungen von Mutter und Vater. Für Dorothea ist es schon wegen der Entfernung keine gute Lösung, fast eine halbe Stunde benötigen sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln. „Wir leben in verschiedenen Stadtteilen einer Großstadt. Das bedeutet, unsere Tochter wird jedes Mal aus ihrem sozialen Umfeld herausgerissen. Sie lebt sozusagen in zwei Welten.“ Hinzu kommt die finanzielle Belastung. „Wegen des Wechselmodells erhalte ich weder Kindesunterhalt noch Unterhaltsvorschuss, muss aber sämtliche Kosten für einen Zwei-Personen-Haushalt aus meinem alleinigen Einkommen stemmen. Der Vater beteiligt sich außerdem weder an Betreuungs- oder Vereinskosten noch an Kosten für das Schulessen des Kindes. Damit bin ich leider kein Einzelfall – inzwischen weiß ich, dass es sehr vielen Wechselmodell-Müttern so geht.“
Gedanken über eine finanzielle Absicherung und die Altersvorsorge hatte sich Dorothea bereits nach ihrem Studium gemacht und begonnen, kleine Raten in eine fondsgebundene private Altersvorsorge einzuzahlen. „Den Betrag wollte ich später schrittweise mit wachsendem Einkommen erhöhen, doch dann wurde ich schwanger, und bis dahin gab das mein Gehalt einfach nicht her.“ Durch die Elternschaft änderte sich zudem die Kostenstruktur, so dass es Dorothea auch nach der Elternzeit nicht möglich war, daran etwas zu verbessern. „Das ganze Ausmaß des sogenannten Pension Gaps war mir zu der Zeit jedoch noch nicht bewusst. Ich dachte, die ergänzende private Vorsorge und die künftige Erhöhung der Beiträge durch mein steigendes Einkommen würden für die Rente ausreichen.“

Große Lücken

Der Gender Pay Gap beschreibt den geschlechtsspezifischen Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern. 2018 lag der durchschnittliche Bruttostundenverdienst von Frauen um 21 Prozent niedriger als der Verdienst der Männer.

Mit Gender Pension Gap ist die Rentenlücke gemeint, die sich bei Frauen durch die schlechtere Bezahlung und/oder längere Phasen der Teilzeitarbeit wegen Kindererziehung ergibt. Frauen bekommen am Ende des Erwerbslebens im Durchschnitt 26 Prozent weniger Rente als Männer.

Alleinerziehenden besser stellen

Dann kam die Trennung – und mit ihr noch mehr Kosten. Nun war erst recht nicht an eine Gehaltserhöhung oder eine ergänzende Vorsorge zu denken. „Die gesamte Kostenlast für mich und mein Kind liegt auf meinen Einkommensschultern als Mutter“, resümiert Dorothea. „Wie soll das eine Alleinerziehende mit dem herrschenden Gender Pay Gap und oft nicht einmal einem Vollzeit-Gehalt schaffen? Von zusätzlicher privater Altersvorsorge kann man da nur träumen.“
„Finanziell geht es alleinerziehenden Frauen in Deutschland deutlich schlechter als in Frankreich oder in Skandinavien“, ist Helma Sick überzeugt. „Und daran hat die Politik ihren Anteil.“ In Deutschland kann ein Gutverdiener mit nicht arbeitender Ehefrau über das Ehegattensplitting jährlich Tausende von Euro Steuern sparen, auch wenn kein Kind (mehr) zu versorgen ist. „Für berufstätige Alleinerziehende gibt es lediglich den Entlastungsbetrag von 1.908 Euro jährlich. Das muss sich dringend ändern.“

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