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Gewissenhafte Erstgeborene und rebellische Nesthäkchen? Was ist dran an der Theorie?

Die Geschwisterrangfolge spielt kaum eine Rolle bei der Entwicklung der Persönlichkeit. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die Wissenschaftler der Universitäten in Leipzig und Mainz im Jahr 2015 durchführten.

In diesem Artikel:

Nehmen Kinder Nischen im Familiengefüge ein?

„Ach kein Wunder, dass sie so dickköpfig ist. Schon als Kind musste sie sich ja laufend gegen ihre große Schwestern durchsetzen!“ – Wissendes Nicken beim Familientreff. Die Meinung, dass die Position in der Rangfolge der Geschwister auch die Persönlichkeit formt, ist weit verbreitet. Danach sind die ältesten Kinder gewissenhafter, weil sie sich verantwortlich für ihre jüngeren Geschwister fühlen. Nesthäkchen hingegen sollen besonders gern mal aufbegehren, während „Sandwich-Kinder“ als besonders sozial gelten. So nimmt jedes Kind seine Nische im Familien-Gefüge ein. Zu diesem Bild trug besonders die 1996 publizierte Theorie „Der Rebell der Familie“ (Born to Rebel) des US-Psychologe Frank Sulloway bei.

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Neue Studie: Welchen Einfluss hat die Rangfolge der Geschwister?

Bislang jedoch gab es zu solchen Erkenntnissen keine einheitlichen Daten. Daher wollten Psychologen von der Universität Leipzig nun herausfinden, welchen Einfluss die Rangfolge der Geschwister tatsächlich auf ihre Persönlichkeit hat. Die Studie führen Prof. Stefan Schmukle und Julia Rohrer zusammen mit Prof. Boris Egloff von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) durch. Dafür analysierte das Forscher-Team Daten von mehr als 20.000 Erwachsenen aus Deutschland, den USA und Großbritannien. Ihr Ergebnis für alle drei Länder: Die zentralen Persönlichkeitseigenschaften Extraversion, emotionale Stabilität, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit hängen nicht mit der Geschwisterposition in der Herkunftsfamilie zusammen.

„Nur sehr kleine Effekte“ beim IQ

Lediglich bei der Frage, wie Geschwister ihren Intellekt selbst einschätzen, zeigten sich minimale Unterschiede. So gaben Erstgeborene zum Beispiel häufiger an, über einen großen Wortschatz zu verfügen und abstrakte Ideen gut begreifen zu können. Einer gängigen Annahme zufolge nimmt der IQ vom Erstgeborenen zum Letztgeborenen im Durchschnitt leicht ab. Das bestätigten Stichproben im Rahmen der Studie. Dennoch ist zweifelhaft, ob dies für den Lebensweg bedeutsam ist. Dazu Schmukle: „Unser zentraler Punkt ist, dass die Geschwisterposition für die Persönlichkeit keine große Rolle spielt. Für Intelligenz und Intellekt finden wir sehr kleine Effekte, für die anderen Persönlichkeitseigenschaften gar keine, was sowohl prominenten psychologischen Theorien als auch verbreiteten Vorstellungen in der Bevölkerung widerspricht.“