Im Alltag angekommen machen sich zwei Kinder mehr doch bemerkbar.
Liebe Leserinnen und Leser,
puh, nach dieser Woche fühle ich mich einfach irgendwie erschöpft. Ich merke, dass die Realität und der Alltag uns wieder eingefangen haben. Es ist immer etwas zu erledigen oder eines der Babys weint oder die Grossen streiten. Wenn ich da so mitten drin bin, dann fällt mir das gar nicht auf. Ich kümmere mich um die Kinder und versuche wenigstens etwas ausgewogen zu kochen. Die Grossen sind ganz normale Drei- respektive Vierjährige, welche momentan auch in der Trotzphase sind und selbst nicht immer wissen, was sie eigentlich wollen. Somit muss ich da auch immer mit einem Ohr dabei sein, sind sie doch auch fleißig am Grenzen austesten. Ja, ich weiß inzwischen, dass Wasser ein tolles Spielelement ist – dass man mit der Duschbrause wunderbar spritzen kann, auch wenn nicht Badezeit ist – dass Stoff-Puppen auch im Wasser baden wollen und auch nach drei Tagen wieder trocken sind – etc.
Am Freitag traf jedoch wirklich die Situation ein, dass alle vier Kinder beschlossen zur gleicher Zeit Mittagsschlaf zu halten. Ich war erstaunt wie ruhig es war, setzte mich mit einer Tasse Tee und einem Buch in den Sessel. Da bemerkte ich, wie anstrengend der Alltag eigentlich ist und die zweistündige Pause war eine wahre Erholung. Eigentlich wollten wir ja alle gemeinsam ins Freitagsgebet. Bei uns ist ja der Freitag vergleichbar mit dem Sonntag bei euch. Es findet während dem Mittagsgebet eine Predigt statt. Diese hallt dann, Lautsprechern sei Dank, durch die Strassen. Da die Moscheen recht dicht beieinander stehen und jede ihre eigene Predigt verbreitet, herrschte ein ziemliches Stimmenwirrwarr in einer nicht überhörbaren Lautstärke. Ich liebe diese Stunde in der Woche. Für mich ist sie ein wichtiger Bestandteil meiner neuen Heimat. Diesen Freitag genoss ich es in Ruhe und versuchte die einzelnen Wortfetzen zu verstehen.
Diese Predigten sind für mich somit auch immer wieder eine gute Übung Sprachkenntnisse in Hocharabisch zu vertiefen. Bis zur Geburt der Zwillinge besuchte ich täglich Lektionen. Das Erlernen der Sprache des Islams, war und ist unter anderem einer der Gründe, weshalb ich in Kairo lebe. Als ich vor sieben Jahren zum Islam konvertierte war für mich klar, dass ich den Quran lesen und verstehen möchte. Die Übersetzungen sind ja nur ungefähre Bedeutungen. Somit beschlossen wir nach Abschluss meiner Ausbildung nach Kairo auszuwandern und hier Arabisch zu lernen. Nach drei Monaten kam dann auch Nusaybah hier zur Welt. Als ich dann nach einem Jahr in die Schweiz zurückkehrte, merkte ich rasch, dass ich hier nicht mehr leben möchte. Für meine Kinder sehe ich eindeutig den Vorteil darin die Sprache ihrer Religion schon von Kind auf zu lernen. Zudem finde ich es schwierig für ein Kind seine eigene Identität zu finden, wenn die mitgegebenen Werte von der Gesellschaft nicht akzeptiert werden. Da mein Mann aber noch sein Studium in der Schweiz abschließen möchte, haben wir beschlossen, dass ich mit den Kindern mehrheitlich in Kairo leben werde. Mein Mann versucht uns so oft wie möglich zu besuchen und durch das Medium des Internets besteht auch für die Kinder ein intensiver Kontakt. Nusaybah wusste immerhin schon mit drei Jahren, wie man Skype bedient. ;) Für uns ist in dieser Situation die momentane Lösung nicht immer einfach, aber doch die beste. Wie sich unsere Lage nach Abschluss des Studiums verändern wird, ist noch offen. Ich bin auf jeden Fall auch dafür offen, in anderen Ländern zu leben. Aus diesen Überlegungen heraus werden unsere Kinder auch eine internationale Schule besuchen. Englisch gehört hier so oder so zu unserem Alltag und zudem wird hier in den Schulen alles auf Englisch unterrichtet. Soviel mal zu mir... wie ich zum Islam kam und warum ich mich verschleiere, werde ich ein anderes Mal erzählen.
Sonst kaufte ich diese Woche nun zwei Krabbeldecken. Denn es war mir nicht möglich eine große zu finden. Diese werden nun auch mit Begeisterung beäugt oder von Nusaybah und Zainab für ihre Puppen verwendet. Sakinah und Abd ar Rahman tragen nun mit fast zwei Monaten endlich Größe 50. Abd ar Rahman ist eindeutig größer und kräftiger. Die Tochter des Bawabs hat mich gestern sogar gefragt, ob sie am gleichen Tag geboren seien. Ja, definitiv sie sind Zwillinge.
Rückblickend wurde mir diese Woche wirklich bewusst, dass es anstrengend ist mit den vier Kindern. Aber jetzt ist es wieder wärmer und wir können raus. Die Stunden, welche wir vor dem Haus verbringen, sind auch erholsam für mich. Nusaybah und Zainab buddeln im Sand, spritzen mit Wasser und ich wiege Abd ar Rahman und Sakinah auf den Armen. Hin und wieder ergibt es sich auch, dass sie zufrieden im Kinderwagen schlafen und ich ein Buch aufklappen kann. Aber trotz allem... ich bin glücklich und unheimlich stolz auf alle vier! Es ist so schön zu sehen, wie sie größer werden, selbständiger und zu eigenen Persönlichkeiten heranwachsen!
Liebe Grüsse Nora