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Vaterrolle: Entdecken, bewegen, sich ausprobieren – wie Väter von Beginn an die Entwicklung ihres Kindes prägen

„Männer (…) trauen den Kindern mehr zu und ermuntern, auch mal ein kleines Risiko einzugehen. Diese andere Umgangsweise ist wichtig, um die Vielfalt der Möglichkeiten kennenzulernen, die das Leben zu bieten hat“, so Pädagoge Tom Karcher. Er plädiert dafür, Väter einfach mal machen zu lassen.

In diesem Artikel:

Vaterrolle: Papas fördern Autonomie und Entdeckertum

Papa wirft das Baby in die Luft, es jauchzt und lacht. Die beiden haben ihren Spaß, definitiv. Und Mama? Ihr bleibt das Herz stehen. Im Geiste bereitet sie sich schon mal auf alle denkbaren Unfallszenarien vor.

Klischee oder nicht? Tatsache ist: Väter spielen anders mit ihren Kindern als Mütter – wilder und körperbetonter und erfüllen damit eine andere Aufgabe in der Eltern-Kind-Beziehung. Die Wiener Kinderärztin Josephine Schwarz-Gerö hat sich mit diesem Thema genauer befasst. Herausgekommen ist das im Patmos Verlag erschienene Buch Ein Papa ist keine Mama. Was ein Baby von seinem Vater braucht. Sie stellt darin fest: „Die Mutter ist der Hafen, der Schutz und Geborgenheit bietet. Der Vater ist die Meeresbucht vor dem Hafen. Hier lernt das Kind Entdeckerfreude und Autonomie, ist aber immer noch geschützt.“

Damit stellt Papa einen wichtigen Motor der kindlichen Entwicklung dar – übrigens auch weit über das Zwergen-Alter hinaus. Das heißt am konkreten Beispiel: Natürlich fängt Papa das Baby nach dem Kurzflug wieder auf. In Minis Bauch kitzelt es so lustig, wenn es nach oben fliegt. Eine ganz neue Erfahrung! Und bevor die „Was-mache-ich-eigentlich-so-weit-hier-oben-ohne-Mama-und-Papa“-Sorge einsetzt, ist das Kleine wieder sicher in Papas starken Armen geborgen. So erfährt es sofort Vertrauen auf den kleinen Schreck. Das ist eine gute Lektion für erste Gehversuche und spätere Spielplatzabenteuer: Auch hier kann man hinfallen und sich eine Schramme holen. Aber es wird wieder gut, und weiter üben macht’s  einfacher und sicherer – das kindliche Selbstvertrauen wächst peu à peu.

Unser Experte

Tom KarcherTom Karcher ist Heim- und Jugenderzieher, Erlebnis- und Naturpädagoge sowie Vater eines Sohnes. Er hält speziell für Väter vielfältige Angebote im Raum Wiesbaden bereit.

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„Am liebsten sind Väter mit ihren Kindern in Bewegung“

Selbstverständlich hat ein Baby auch ohne Akrobatikwürfe Urvertrauen zu seiner Mama. Und ebenso wahrscheinlich hätte Mama ihr Baby nicht in die Luft geworfen. Zwei völlig verschiedene elterliche Stile also. Und das ist gut so!

„Am liebsten sind Väter mit ihren Kindern in Bewegung. Sei es beim Kitzeln, Toben oder die Kleinen in die Luft werfen und fliegen lassen. Das Wichtigste sind Spaß und Lachen!“, sagt Pädagoge Tom Karcher, der in der Erwachsenenseelsorge für Männer tätig ist und in seinem neuen Projekt „Vätercamp“ in der Evangelischen Familienbildungsstätte Wiesbaden junge und werdende Papas auf dem Weg „Vom Mann zum Vater“ gemeinsam mit Coach Martin Noack  begleitet.

„Väter beeinflussen die Entwicklung des Kindes positiv“

Inwiefern ist gerade der andere Umgang als mit Mama förderlich für die kindliche Entwicklung sowie die Ausbildung und Intensivierung der Vater-Kind-Bindung?  „Väter beeinflussen die Entwicklung des Kindes positiv, indem sie eine zweite enge Bindung zur Bindung mit der Mutter hinzufügen. So wie Gleichberechtigung nicht bedeutet, dass Frauen und Männer gleich sind, ist der Umgang der Väter mit den Kindern auch verschieden zum Miteinander zwischen Mutter und Kind. Männer tragen das Kind nicht neun Monate in sich, sie bringen es nicht zu Welt und sie stillen auch nicht. Väter müssen einen anderen Zugang zu ihrem Kind finden und dies führt zu einer anderen Qualität der Beziehung“, erläutert Pädagoge Karcher.

Vaterrolle heute: Väter werden als Bezugsperson immer wichtiger

„Es macht die Verbundenheit nicht besser oder schlechter, sondern anders. Da unsere Familien eher kleiner werden, wird der Vater als weitere enge Bezugsperson immer wichtiger. Männer sind zum Beispiel im Allgemeinen im Umgang weniger behütend, trauen den Kindern mehr zu und ermuntern, auch mal ein kleines Risiko einzugehen. Diese andere Umgangsweise ist wichtig, um die Vielfalt der Möglichkeiten kennen zu lernen, die das Leben zu bieten hat.“

Was das Hereinwachsen in die Vaterrolle erschwert

Was so logisch klingt, hat seine Tücken im Alltag. Denn viele Väter kämpfen im Umgang mit ihrem Baby mit Unsicherheiten, da das Rollenbild von Frauen und Männern stark im Wandel begriffen und die Vaterrolle immer weniger eindeutig definiert ist. „Die traditionellen Vorstellungen werden noch oft gelebt oder sind zumindest noch in unseren Köpfen. Die neuen Rollenbilder sind alles andere als gefestigt, sondern eher in stetiger Veränderung.

Vater werden und Vater sein

Im Gespräch erzählen Caro und Martin sehr offen über ihre Anfänge als Eltern: Wie sie Schwangerschaft und Geburt erlebten, welche Erfahrungen sie als Mama, Papa und als Partner:in bisher gemacht haben zum Nachlesen und Drübernachdenken!

Dies ist keine Situation, in der klar ist, was macht einen Mann oder einen guten Vater wirklich aus. Es gibt eine Unzahl an Vorbildern, Rollen-Klischees und auch Erwartungen an Väter“, kennt Karcher die typischen Stolpersteine. „Erfolgreich muss der Mann nicht mehr nur in Beruf und als (Mit-) Ernährer sein, sondern auch in der gleichberechtigten Partnerschaft und als fürsorglicher Vater.“

Ein Patentrezept existiert nicht, aber mit einer gesunden Einstellung sei viel getan:  „Wirklich wichtig finde ich Zeit, Liebe und Verständnis für das Kind und sich selbst zuzugestehen, dass man nicht immer alles richtig machen wird.“  

Exklusive Zeit stärkt Vater-Kind-Beziehung

Cedric ist Vater eines drei Jahre alten Sohnes. Für ihn stand von Anfang an fest, dass er eine innige Bindung zu seinem Sohn aufbauen und ein aktiver Papa sein möchte: „Ich will nichts verpassen von den Entwicklungsstufen. Die schönen Momente, aber gleichzeitig natürlich auch die anstrengenden Momente.“ Das erste Lachen, das erste Fingerdrücken seien einmalige Erinnerungen.

Für eine innige enge Papa-Sohn-Bindung verbringt Cedric exklusive Zeit mit seinem Sohn – dazu gehören sowohl Freizeitaktivitäten wie auch gemütliche Rituale: Raufen, Rollenspiele, wildes Herumspringen. „Bei mir macht er Sachen, die er bei Mama nicht darf.“ Auch das Baden und die Gute Nacht-Geschichte machen die Jungs unter sich aus.

Papas spielen anders – gut so!

Papas gehen anders mit ihren Kindern um, spielen anders – und das ist auch genau richtig. Denn so lernt der Nachwuchs, dass Papa und Mama unterschiedlich sind und unterschiedlich mit ihm umgehen und beides ist so in Ordnung. Trotzdem gibt es Momente, da will das Kind nur Mama.  „Klar trifft mich das“, gibt Vater Cedric zu. Verständlich. Denn gefeit vor Eifersucht ist man gerade in einer intensiven emotionalen Bindung nicht – zumal viele Säuglinge ja direkt von Geburt an zunächst sehr auf Mama fixiert sind.

Väter einfach mal machen lassen

Papas Zeit sei bereits vor der Geburt gekommen, betont Pädagoge Tom Karcher. Die Beziehung beginne nicht, wenn Papa mit dem Kind „etwas anfangen“ kann. Jeder Vater könne bereits während der Schwangerschaft Kontakt mit dem Ungeborenen aufnehmen.

„Ich habe zum Beispiel viel mit dem Kind im Bauch geredet und auch Schlaflieder gesungen. Wenn ich den Raum und die Möglichkeit habe, dann entsteht von ganz allein, was nur Papa und Kind miteinander teilen.“

Außer wenn Mama dazwischenfunkt, weil sie glaubt, alles besser zu wissen und zu können. „Natürlich leiden Väter unter Kindesentzug und Bevormundung durch überfürsorgliche Mütter. Wenn Mütter die Vater-Kind-Beziehung unterstützen wollen, ist es für alle wichtig, darauf zu vertrauen, dass der Partner sein Kind gleichermaßen liebt und nur das Beste will. Wenn Papa und Kind allein Zeit verbringen können, und der Papa auch seine eigenen Erfahrungen machen darf, ist das ja auch eine Entlastung. Das kann vom ersten Tag an gelingen und wenn die Mama den Papa auch noch eigene Fehler zugesteht, kann dieser in manches hineinwachsen.“