Wie man den sichersten Auto-Kindersitz aufspürt
Katja Sadler ist kein Mensch, der etwas dem Zufall überlässt. Sie ist nicht nur als Friseurin selbstständig, sondern auch alleinerziehende Mutter einer fast sechs Monate alten Tochter. „Ohne Organisation geht es nicht“, erklärt sie.
Checkliste Autokindersitz
Download Checkliste für den Kauf eines Auto-Kindersitzes
Checkliste Autokindersitze (PDF)
Das fing schon in der Schwangerschaft an: Im sechsten Monat war das Babyzimmer komplett eingerichtet, und bereits vor der Geburt war Katja mit sämtlichen Möglichkeiten der Babypflege vertraut. Vor wenigen Wochen allerdings ist die 33-jährige Frankfurterin an ihre Grenzen gestoßen. „Meine Kleine ist zwar zierlich, aber lange wird sie nicht mehr in die Babyschale passen. Also habe ich mich zum Thema Kindersitz schlau gemacht.“ Oder besser: schlau machen wollen – denn besonders weit kam Katja nicht. Nach der Recherche im Internet war sie unsicherer als vorher: so viele Modelle, so viele Hersteller, so viele Extras, so viele Meinungen – und doch so wenig Orientierung. „Ich will ja nicht irgendetwas kaufen, schließlich soll meine Tochter im Ernstfall sicher geschützt sein!“ Und das geht eben nur im passenden Autositz. Wir haben hier zusammengefasst, welche Auswahlkriterien besonders wichtig sind.
Für eine erste Orientierung sorgt die Kennzeichnung „Universal“, die bedeutet, dass damit gekennzeichnete Auto-Kindersitze in allen Fahrzeugen verwendet werden dürfen, die mit einem Gurt nach der Norm ECE16 ausgerüstet sind. „Semi Universal“ heißt, dass außer dem Fahrzeuggurt ein zusätzlicher Verankerungspunkt im Auto nötig ist – hier bitte immer vorab prüfen, ob er im Lieferumfang enthalten ist. Bei „Speziell“ ist der Sitz ausschließlich für angegebene Autos zugelassen. Ebenso wichtig ist es, die Alters- beziehungsweise Gewichtsklassen zu beachten, sonst ist keine optimale Sicherheit gewährleistet.
Gebraucht ist okay – aber nur mit ausführlichem Check
Mitwachsende Sitze sind in Ordnung, man sollte jedoch keine zu großen Modelle kaufen, in welche die Kleinen erst hineinwachsen müssen. Für sämtliche Gewichtsklassen gilt, dass keine veralteten Modelle verwendet werden dürfen, die nicht die Prüfnorm ECE-R 44/03 oder höher aufweisen. Die neueste Prüfnorm ist die ECE-R 44/04. Es ist ebenfalls in Ordnung, einen gebrauchten Kindersitz zu kaufen – allerdings nicht ohne genauen Check: Vergewissere dich unbedingt, dass der Sitz unfallfrei ist! Andernfalls kann durch Materialschädigung die Schutzwirkung verloren gehen.
Ebenso wichtig für die höchstmögliche Sicherheit ist ein professioneller Einbau. Montagefehler lassen sich generell vermeiden, wenn man den Autokindersitz im Fachhandel kauft. Hier wird analysiert, welches Modell ins Fahrzeug und vor allem zum Kind passt, und Schritt für Schritt wird der Einbau vorgeführt. Am besten sind Papa und Großeltern auch direkt dabei. Achtung: Wird die Babyschale (Fahrtrichtung rückwärts!) auf dem Beifahrersitz montiert, sollte der Airbag unbedingt abgeschaltet sein! Beim Kindersitz darf der Airbag aktiviert sein, nur der Abstand muss angepasst werden.
Auf dem Schoß sind kleine Passagiere in Lebensgefahr
Nicht vergessen: Egal, wie kurz eine Autofahrt auch sein mag – der Kindersitz ist gesetzlich vorgeschrieben bis zu einem Alter von zwölf Jahren oder einer Körpergröße von 1,50 Metern. „Im Straßenverkehr bleibt ein Restrisiko, einen Unfall zu erleiden. Das ist pro gefahrenen Kilometer grundsätzlich gleich“, betont Dr. Lothar Wech vom TÜV SÜD. Ein Kind auf dem Schoß zu halten ist nicht ausreichend, da auch ein Erwachsener die Bremskräfte nicht ausgleichen kann.
Experten-Interview - Der richtige Autokindersitz
kidsgo: Wie schützt ein Kindersitz das Kind konkret?
Dr. Lothar Wech: Ein Kindersitz schützt im Grunde genauso wie das Rückhaltesystem (Gurt, Airbag) für Erwachsene. Es verhindert, dass sich zum Beispiel bei einem Frontalaufprall der Insasse ungebremst weiterbewegt und dann plötzlich auf harte Teile im Fahrzeug aufprallt, was dramatische Folgen haben und sogar tödlich enden kann.
Experten-Interview
Dr. Lothar Wech vom TÜV SÜD erklärt, auf welche Kriterien es beim Kauf des Autokindersitzes ankommt.
kidsgo: Es gibt unglaublich viele Autokindersitze. Wie findet man das individuell passende Modell?
Dr. Lothar Wech: Durch eine umfassende Beratung im Fachgeschäft – verbunden mit dem Lesen von Testberichten vorab (etwa bei „ADAC“, „auto motor und sport“ und im Internet). Am besten nicht allein losgehen, sondern immer mit Auto und Kind einen Sitz kaufen, damit alles auch wirklich passt.
kidsgo: Wie vermeidet man Fehler beim Einbau?
Dr. Lothar Wech: Nicht tüfteln, sondern die Anleitung genau lesen und beachten. Und wenn Fragen offen sind, sollte man nicht zögern bei der Hotline des Herstellers anzurufen.
kidsgo: Rückwärtsgerichtete Autokindersitze sind im Trend – sind sie wirklich so viel sicherer? Was hat es mit der i-Size-Verordnung auf sich?
Dr. Lothar Wech: Die schwersten Unfälle sind oft Frontalkollisionen. In diesem Fall kann ein Reboard-Sitz das Kind beziehungsweise das Baby viel besser unterstützen, nämlich großflächig mit der gesamten Schale – sonst funktioniert das nur über die Gurte. Die i-Size-Regelung ist eine neue Zulassungsvorschrift, die den aktuellen Stand der Technik besser berücksichtigt und umfangreichere Tests vorschreibt. Mit dieser Regelung können Reboard-Sitze auch länger (somit noch für größere Kinder) eingesetzt werden. Es gilt aber parallel zunächst die alte Regelung ECE-R 44 weiter, zukünftig werden jedoch immer mehr Sitze nach der neuen ECE-R 129-Regelung auf den Markt kommen. Auch wenn R 44-Sitze ebenfalls sicher sind, sollte man zukünftig einen i-Size-Sitz kaufen. Dies setzt allerdings ein nicht zu altes Fahrzeug mit ISOFIX-Verankerungen voraus.
kidsgo: In Europa gelten unterschiedliche Zulassungsregelungen. Was passiert, wenn man bei einer Urlaubsfahrt mit einem in Deutschland zugelassenen Sitz über die Grenze fährt?
Dr. Lothar Wech: Ein ECE-geprüfter Sitz gilt in ganz Europa. Die nationalen Straßenverkehrs-Ordnungen in unseren Nachbarländern können sich jedoch von der deutschen unterscheiden. In Deutschland schreibt die Straßenverkehrs-Ordnung in § 21 die Benutzung eines Kindersitzes (geprüft nach ECE) bis zwölf Jahre vor. In anderen Ländern kann die Kindersitzpflicht - insbesondere für größere Kinder - etwas anders geregelt sein. Aber auch wenn dort per Gesetz die Nutzung vielleicht nicht explizit vorgeschrieben ist, dürfen Sie natürlich den Kindersitz nutzen – und sollten das auch auf jeden Fall!
kidsgo: Vielen Dank Herr Dr. Wech für das Gespräch.