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Tagebücher aus der Schwangerschaft von Gesa

Eine neue wunderbare, aufregende und vielleicht auch lang erwartete Lebenszeit beginnt. Für unsere Tagebücher-Blogs haben wir immer 3-4 schwangere Frauen in unterschiedlicher Schwangerschaftsphase, die in freudiger Erwartung über jede Woche dieser spannenden Zeit schreiben, uns und die vielen tausend Follower:innen daran teilhaben lassen und damit unvergessliche Momente schaffen.

23. Schwangerschaftswoche

nicht die

Bei uns sind manche Dinge eben anders und es gibt Gründe dafür.

Hallo!

Da mir Bedarf da zu sein scheint, werde ich heute unsere Situation aus meiner Sicht erläutern.

Dass wir mit unserer Familienstruktur nicht der Norm entsprechen, ist mir und meinem Umfeld bewusst. Aber was ist die Norm? Ist die Norm, nur weil sie die Norm ist, gut? Würde bei uns die Norm überhaupt passen? Und vor allem, ist die Norm gut für MICH?

Bei allen Kommentaren geht der jeweilige Schreiber von seiner persönlichen Situation aus und wenn er mit dieser zufrieden ist, ist er geneigt, diese als die Norm zum Vergleich zu setzen.

Zu meiner Person. Dass ich mit verschiedenen Pflegekindern aufwuchs, habe ich in der 19. SSW angerissen. Diese Pflegekinder kamen zu uns nicht in Pflege, weil es ihnen bei sich zuhause so gut ging, sondern weil es bei allen große, manchmal kaum aussprechbare Probleme gab. Diese Kinder haben mein Leben maßgeblich beeinflusst, denn ich habe durch sie früh gelernt mich zwischen schwierigen Personen zu bewegen. Meine Eltern und mein jüngerer Bruder haben jeweils ihre ganz eigenen Probleme und wohnen zudem weit weg. Wie ich bereits früher erwähnt habe, ist mir meine Selbstständigkeit sehr wichtig, denn ich kann von Seiten meiner Familie keine große Unterstützung erwarten.

Zur Person meines Mannes. Er konnte im Alter von 3 Jahren noch nicht Dreirad fahren, da ihm die Koordination fehlte. Wies man ihn im Alter von 7 an, den Fernseher lauter zu stellen, stand er auf und ließ den Rollladen runter, während des Essens vergaß er plötzlich zu kauen… Heutzutage würde man ein Kind wie ihn mit der Verdachtsdiagnose ADS zum Kinder- und Jugendpsychiater schleppen, solche Möglichkeiten gab es dortmals aber noch nicht. Jetzt könnte man glauben, aus solch einem Kind wird nie etwas. Doch! Er hat eine besondere mathematische Begabung und hat sehr gut studiert und gut promoviert. In unserer direkten Nachbarschaft sind mir nur drei Männer mit einem sechsstelligen Jahresgehalt bekannt. Mein Mann ist einer davon. Ich denke immer, es ist als wenn man im Computerspiel für seine Spielfigur eine gewisse Anzahl von Sternchen auf die einzelnen Fähigkeiten verteilen darf und er hat alle Sternchen auf eine Fähigkeit gesetzt. Seine seit der Kindheit vorhandene Zerstreutheit ist heute noch stark ausgeprägt. Es gibt zahlreiche Geschichten über ihn, die einen aus der Distanz zum Schmunzeln bringen. Aber ich denke, er wäre auch froh, wenn er seine Unterhosen nicht vergeblich in der Sockenschublade suchen würde, nach der Arbeit nicht feststellen müsste, dass er heute zwei verschiedene Schuhe angehabt hat, ... Es ist also nicht unbedingt Dummheit, die manche Menschen so sein lässt, wie sie sind, sondern manchmal einfach eine Störung oder psychische Erkrankung. Ihm war es in der Vergangenheit oftmals einfach nicht möglich die Bedürfnisse anderer zu erkennen, Abläufe zu strukturieren und den notwendigen Zeitaufwand abzuschätzen. Hieran kann man arbeiten (wir tun´s), aber Erfolge werden eben nur schrittweise erreicht.

Wenn er Zeit hat, verbringt er mittlerweile durchaus auch einen Teil davon mit den Kindern. Zeit aber ist bei uns ein knappes Gut. Unser Wecker klingelt vor 6°° früh und mein Mann kommt meistens um ca. 19°° nach Hause. Da wird dann zu Abend gegessen und da die Kinder 20°° im Bett sein sollen, verbleibt eigentlich kaum Zeit zum Spielen. Zudem ist mein Mann oft geschäftlich, meist in Entwicklungsländern, unterwegs. Fast immer gibt es eine größere Zeitverschiebung zu uns, ebenso funktioniert das mobile Telefonnetz dort nicht zuverlässig. Diese Reisen nehmen auch teilweise die Wochenenden in Anspruch. Das macht es gerade ihm in seiner Konfusion schwierig, sich um anderes zu kümmern. Wenn er nicht da ist kann er nichts tun. Wenn er da ist, braucht er verständlicher Weise auch einen gewissen Ausgleich. Sport ist nicht nur ein Hobby, sondern auch eine Gesundheitsprophylaxe. Er hat einfach Angst irgendwann einen Herzinfarkt zu erleiden.

Es ist in unserer Beziehung nicht immer leicht, aber wir ergänzen uns perfekt.

Ich habe in vergangenen Tagebüchern immer wieder gelesen, dass Frauen Angst vor Trennung vom Partner hatten oder nach solcher mit der Organisation verschiedener Dinge am Rande ihrer Kräfte standen, da sie nicht geübt darin waren. Auch ich bin nicht gefeit vor Trennung, das ist keiner. Aber ich habe sehr viel Übung im Management des Alltags und brauche deshalb vor vielen Dingen nicht die panische Angst zu haben, die andere empfinden. Mein Mann hingegen ist sehr abhängig von mir und wird sich deshalb wohl nicht leichtfertig anderweitig orientieren. Emanzipation ist für mich nicht nur Rechte in Anspruch zu nehmen und Aufgaben von sich zu schieben, sondern auch Pflichten und Aufgaben des anderen Parts zu übernehmen. In „Norm“beziehungen scheint mir durch eine nur partielle Emanzipation die Abhängigkeit oftmals einseitig von Seiten der Frauen auszugehen.

Für manche ist es dementsprechend gewöhnungsbedürftig, dass wir nicht nur verschiedene Namen haben, sondern die Kinder ausschließlich meinen Namen tragen. Auch bekommt mein Mann von mir ein „Taschengeld“ auf sein Konto überwiesen und nicht ich ein „Haushaltsgeld“, sondern sein gesamtes Gehalt.

Was bei mir oft Unverständnis aufsteigen lässt, ist der Neid einiger auf eine einzelne Facette des Lebens anderer. In unserer momentanen Politik schreiben sich viele „Soziale Gerechtigkeit“ auf ihre Fahnen. Wer viel verdient, soll viel zahlen. Dank unserer Progression etc. zahlt derjenige jedoch nicht nur viel, sondern sehr viel mehr. Gleichzeitig sind Bezüge wie z.B. Elterngeld gedeckelt. Eine Folge dieser Politik ist, dass mein Mann nicht in Elternzeit gehen wird/kann, denn er würde nicht einmal 50% seines Gehalts ersetzt bekommen.
Einige Familien (auch in unserer Nachbarschaft) opfern sehr viel, während andere von ihrem Opfer profitieren und dennoch nach noch mehr schreien ohne das Opfer zu erkennen, denn sie sehen nur diese eine Facette. Wir sind alle weit weg davon „reich“ zu sein. Was mir dennoch bei den beiden anderen „Gutverdienerfamilien“ auffällt, ist, dass sie eine ähnliche Familienstruktur wie die unsere haben, manchmal in einer auch mir schwer nachvollziehbaren extremen Art und Weise.

Ich werde meinen Kinder später aber trotzdem nicht sagen: „Arbeitet lieber ein bisschen weniger und überlasst die anstrengenden Dinge des Lebens anderen. Sie sollen euch dann einfach was abgeben und dann geht’s uns allen gut.“ Wie sie sich einmal entscheiden, überlasse ich ihnen. Was ich aber erwarte, ist, dass sie später hinter ihren Entscheidungen stehen.

Ich habe den Eindruck, dass jeder gerne mal ein bisschen jammert und so werde auch ich an dieser Stelle mich wahrscheinlich noch so manches Mal klagend äußern. Der Leser hat dadurch die Möglichkeit einfach mal hinter die Fassade einer anderen Familie zu schauen. Ich hingegen habe in meinem Beruf oftmals diese Möglichkeit erhalten und war auch so manches Mal schockiert. Es ist erstaunlich, was sich hinter den Fassaden so alles verbirgt.

Mein Mann war diese Woche beruflich im Ausland und ich war mit den Kindern alleine, auch am Vatertag. Die Kleine bewegt sich nun sehr viel, was mich stets beruhigt. Meine Rosa-Käufe gehen langsam voran. Das meiste werde ich aber von den Jungs wieder verwenden. Nur saisonal muss ich ein paar Neuanschaffungen tätigen.

Es bleibt anstrengend, aber schön.

Bis nächste Woche,
Gesa



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Kommentare von Lesern:

Gast09.06.2011 10:25

Hallo,
ich habe drei Kinder und bei mir geht vieles schneller und organisierter, wenn mein Mann nicht zu Hause ist!
Ich habe mich und die drei kids fertig gemacht, wir sitzen alle vier angeschnallt im Auto, na und auf wen warten wir wohl?Richtig!
Schönes langes Pfingstwochenende.
Gruß Nora

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Cat, Berlin08.06.2011 11:15

Hi Gesa,
hmmmm... also rechtfertigen musst Du Dich auch meines Erachtens nicht, aber wer ein öffentliches Tagebuch schreibt, muss sich halt zwangsweise auch damit auseinandersetzen, dass die Leser das Geschriebene kommentieren und bewerten . Will man das so nicht stehen lassen, bleibt einem die Erwiderung nicht erspart. Ich denke, dass die Leser, welche wohl vorwiegend Mütter sind, einfach schockiert waren, von Deinen Wochenbettberichten. Ich habe nur ein Kind und war die ersten Tage/Wochen nach der Geburt eigentlich zu nichts zu gebrauchen. Insofern war ich froh und dankbar, dass mein partner - der sich sonst auch nicht mit Ruhm bekleckert - zumindest da unglaublich viel Rücksicht genommen und mich umsorgt hat. Weder musste ich Kuchen backen noch Gäste bewirten, sondern konnte mich voll auf das kleine Wesen konzentrieren und ER hat Kuchen gebacken, Suppe gekocht, die Wohnung geputzt etc. Mag Dein Mann auch sein wie er will, aber zumindest solange Du im Wochenbett bis - welches schon aufgrund der anderen Kinder nicht so entspannt sein kann, wie meins war - sollte er sich doch bemühen, so viel wie möglich von Dir abzuhalten und Dich zu entlasten. Das hat nichts damit zu tun, wie sonst Euer Alltag geregelt ist, sondern sollte der besonderen Situation nach der Geburt geschuldet sein. Und - insofern gebe ich anderen Lesern Recht - Du magst eine Powerfrau sein und ein Organisationstalent mit 10 Armen und Beinen, was alles perfekt managt, ABER dieser Anstrengungen und Aufopferungen werden nicht immer spurlos an Dir vorübergehen und vielleicht muss man auch mal Aufgaben abgeben und deligieren, damit Du in 10 jahren auch noch leistungsfähig bis und nicht DU mit einem Herzinfarkt danieder liegst. Als Frau und Mutter von bald 4 Kindern musst Du trotzdem auch mal an Dich denken und Dir auch Deine Freiräume schaffen, wobei Dein Mnn - im Rhmen seiner Möglichkeiten - auch betragen sollte.
Ich wünsche Dir jedenfalls, dass Du Hilfe bekommst.
LG cat

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Anita, Regensburg08.06.2011 08:01

Hallo Gesa, auch ich finde es seltsam, dass du dich rechtfertigen mußt/sollst. Geht es irgend jemanden etwas an, wieviel ihr verdient??? Ist doch schön für euch. Ich finde es sehr mutig wie du über deinen Mann sprichst, hört sich bißchen wie ein 5.Kind an :-) (nicht böse gemeint). Ich kann mir vorstellen, wie er als Junge war, denn mein Sohn hat ADHS u. es ist nicht immer leicht. Hut ab , wie du das alles meisterst. Hast du denn überhaupt keine Unterstützung - schließlich mußt du auch noch bißchen auf dich aupassen. Noch was - wir haben seit 1 Woche unser 1. Pflegekind (16 Tage alt). Es macht Spaß dein Tagebuch zu lesen - mach weiter so und ich drück dir alle Daumen für deine Kugelzeit :-)
Gruß Anita

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Susanne07.06.2011 22:52

Liebe Gesa,
Eifrig lese ich Dein Tagebuch mit und finde es toll wie Du alles handhabst und (fast) alleine bald 4 Kinder versorgst.
Deinen neuen Beitrag hab ich mit Interesse gelesen und es tut mir leid, daß Du dich hier anscheinend rechtfertigen mußt.
Schließlich soll jeder seine Familie so aufbauen, wie er es möchte und richtig findet.
Ich habe bis jetzt nur 1 Sohn, Haus und Garten und bin oft ganz schön geschlaucht.
Ich ziehe also den Hut vor Dir, wie Du das alles mit 3 Kindern managest!!!
Alles Gute Für Dich & Deine Familie
Susanne

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Mimi Willich07.06.2011 14:41

Hallo liebe Gesa,
so abwegig von der "Norm" finde ich Dich gar nicht.Auch wir haben als Ehepartner jeder seinen Namen behalten.Auch unsere Kinder tragen ausschließlich meinen Familiennamen!Ich würde sagen auch mein Mann ist sehr zerstreut und auch schnell hektisch.Auch ich erledige neben dem Haushalt den Schreibkram,Steuer,Beihilfe,Elterngeldanträge etc.Leider verdiehnt mein Mann nicht ganz so gut,aber immerhin hat er es zum Arzt mit Beamtenstatus geschafft.Wir haben "nur"drei Kinder,zwei Jungs und auch ein Mädchen Nesthäkchen,tendiere allerdings eher zu rot und ein bißchen rosa und lila.Auch wir suchen ein familienfreundlicheres Auto, vielleicht euer Doblo?oder Caddy?Na ja,was ist schon normal?Jeder ist seines Glückes Schmied und mal klappt das mit dem Glück mehr und mal weniger.Übrigens hätte ich eine spontane Geburt gehabt, hätte ich meinen Mann gar nicht dabei haben wollen.Euer Weg ist gut,auch wenn er anstrengend ist, aber das ist das Leben!Viel Spaß mit Deiner BoyGroup und Deinem kleinen Mädchen
Mimi

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