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Selbstregulierung beim Baby: So hilfst du deinem Kind, sich selbst zu beruhigen

Wenn wir uns aufregen, fällt es uns manchmal schwer, uns selbst zu beruhigen – trotz Erwachsensein und gelernter Frustrationstoleranz. Wir spüren, wie eine zärtliche Geste, einfühlsame Worte, achtsames Zuhören und Verständnis unser Gemüt besänftigen. Emotionale Selbstregulierung ist ein Lernprozess im Baby- und Kindesalter, den wir unterstützen können.

In diesem Artikel:

Selbstregulierung fördern: Auf Augenhöhe mit deinem Baby

Madie hat das Spielzeug fest im Visier. Da will sie hin. Doch so sehr sie sich bemüht, immer wieder rutschen ihr die Beinchen weg und sie landet auf dem Bauch. Zunehmend frustriert beginnt sie zu strampeln und wütende Laute von sich zu geben. Jetzt bekommt auch Mama es mit. Sie setzt sich zu ihrer Tochter, streichelt ihr sanft über den Kopf und blickt ihr in die Augen. „Ah", sagt sie, „ich verstehe. Du bist wütend. Du hast es jetzt schon so oft versucht. Vielleicht kann der Bagger dir jetzt mal ein kleines Stück entgegenkommen.“
Mit der Hand rückt sie das Spielzeug ein wenig näher zu Madie. Diese kuschelt sich an Mamas Beine und lässt sich weiter von ihr streicheln. Dann aber fällt ihr Blick wieder auf den Bagger. Sie wagt einen neuen Versuch, und diesmal gelingt es ihr, sich so weit vorzuschieben, dass ihr Arm das Spielzeug erreicht. Voller Stolz wandert ihr Blick zur Mama. Sie lächelt. Sie freut sich.

Frustration bei Babys: Auf das Maß kommt es an

Wie die Geschichte von Madie zeigt, schöpfen bereits sehr kleine Kinder aus der Erfahrung von Frustration den Ansporn bestimmte Ziele zu erreichen. Sich auf die Seite drehen, in den Sitz kommen, krabbeln, das erste Mal auf eigenen Füßen stehen – all das geht nicht ohne dutzendfache Wiederholung. Stolpern, hinfallen, wieder aufstehen und am Ende der Stolz, es endlich allein geschafft zu haben. Ein tolles Gefühl, das wir alle kennen.
Dieses kann sich allerdings nur einstellen, wenn das Frustrationslevel ein kritisches Maß nicht überschreitet. In kleinen Dosen wirkt Frustration als Motivator. Ist die Dosis zu groß, brennen – bildlich betrachtet – im kindlichen Nervensystem die Sicherungen durch.

Beruhigungsstrategien deines Babys

  • Dein Baby nimmt sein Händchen oder seine Fingerchen in den Mund, um daran zu saugen. Dies beruht auf dem frühkindlichen Saugreflex.
  • Dein Baby wendet sich ab, weil es erschöpft ist und eine Pause braucht. Das heißt, es dreht sein Köpfchen zur Seite.
  • Dein Baby zieht die Beine an seinen Körper und führt die Füße zueinander. Oder es stemmt die Füße gegen deinen Körper.

Gefühlsregulation: Wann können sich Kinder selbst beruhigen?

Kinder können sich bis zu ihrem dritten oder vierten Lebensjahr nicht allein wieder beruhigen, wenn sie ein gewisses Stresslevel erst einmal erreicht haben.
Ihr Nervensystem ist dafür schlicht noch nicht genügend ausgereift. Sie beherrschen aber – auch wenn dies individuell unterschiedlich stark ausgeprägt ist – durchaus einige Beruhigungsstrategien.

Babys kommen mit einem bereits sehr gut funktionierenden Sympathikus auf die Welt. Das heißt, die Alarmanlage ist ab Tag eins scharf geschaltet. Evolutionsbiologisch sehr sinnvoll: Wird ein Baby einfach abgelegt, funkt die Alarmanlage automatisch „Achtung, Gefahr!“ Denn: Einfach abgelegt zu werden bedeutete für Steinzeit-Babys Lebensgefahr, da sie für Raubkatze oder Bär eine ideale Beute waren.

Achtung: Resignation ist keine Selbstberuhigung

Bei Stress und Gefahr schüttet der Körper die Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin und Kortisol aus. Blutdruck und Puls steigen. Das alles dient der Vorbereitung auf drei mögliche Reaktionsmuster: Flucht, Kampf, oder Starre. Flüchten kann das Menschenbaby ja nicht. Also bleibt nur der Kampf. Und das heißt: Das Baby schreit um sein Leben.

Bleibt das jedoch wirkungslos, bleibt ihm als der einzige Ausweg die Resignation: Das Baby erstarrt. Diese Art der Resignation ist also keine Art der Selbstberuhigung, die ein Baby – wie beispielsweise Madie – als stolzen Entwicklungsschritt für sich verbuchen kann, sondern ein steinzeitliches Notfallprogramm, um nicht noch mehr wilde Tiere anzulocken. Babys haben also eine sehr gut funktionierende Alarmanlage, aber eben keinen Aus-Schalter!

Selbstregulierung: Babys nehmen Gefühle und Stimmungen ungefiltert wahr

Kleine Kinder sind darauf angewiesen, für ihre Gefühlsregulation bei den Menschen um sie herum andocken zu können. Ungefiltert nehmen sie Stimmungen und Gemütszustände ihrer Umgebung war. Das machen Erwachsene genauso. Nur hat ein Erwachsener in der Regel gelernt, seine eigenen Gefühle von denen anderer Menschen unterscheiden zu können. Betritt er einen Raum, in dem eine angespannte Stimmung herrscht, nimmt er das durchaus als unangenehm war, muss dies aber nicht unmittelbar als bedrohlich empfinden. 

Co-Regulation: Hilf deinem Baby, Gefühle einzuordnen

Babys brauchen Mittler, die ihnen helfen, ihre eigenen Gefühle zu ordnen und einschätzen zu lernen. Das reicht vom Gefühl „Hilfe, ich wurde allein gelassen“ bis hin zum Frust von Madie, der die Mutter den begehrten Bagger nicht einfach in die Hand gedrückt hat, sondern die ihr dabei geholfen hat, das eigene Gefühl dank ihrer Feinfühligkeit, ihres Verständnisses und letztlich der Hilfestellung besser einordnen zu können.

Der Sympathikus, die körpereigene Alarmanlage, funktioniert einwandfrei. Nur wieder ausschalten können kleine Kinder sie noch nicht. Zur Selbstregulierung braucht es dann den Parasympathikus.

STabiles Nervenkostüm

Hat das Nervensystem deines Kindes dank einfühlsamer Co-Regulatoren bzw. Bezugspersonen gelernt, sich gut einzupendeln, läuft es nicht Gefahr, im Erwachsenenalter schneller aus der Balance zu geraten und unter einem konstant hohen Stresslevel zu leben.

Positive Erfahrungen trainieren den Parasympathikus

Der ist in den ersten Lebensjahren noch nicht ganz ausgereift und muss erst wie ein Muskel trainiert werden. Trainiert wird er am besten durch Menschen, die sich dem Baby im Alarmzustand zuwenden, ruhig und sanft mit ihm sprechen, es wiegen, streicheln, trösten, Blickkontakt mit ihm suchen und ihm damit helfen, seinen Puls zu senken, den Blutdruck runterzufahren und die Ausschüttung von Stresshormonen zu reduzieren. An all diesen Erfahrungen lernt das kindliche Nervensystem. Nach und nach wird das Kind immer besser in der Lage sein, sich durch eigene sanfte Wiegebewegungen, monotone wiederkehrende Laute oder zum Beispiel Saugen an den eigenen Fingern zu beruhigen.