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Vertrauliche Geburt – Beratung, Ablauf und die Zeit danach

Wenn die Geburt bereits kurz bevorsteht, die schwangere Frau sich niemandem anvertrauen möchte oder kann, oder eine reguläre Adoption aus verschiedenen Gründen nicht in Frage kommt, besteht die Möglichkeit einer sogenannten „vertraulichen Geburt“. Lies hier zu Beratung, Ablauf und der Zeit danach.

In diesem Artikel:

Vertrauliche Geburt: Was ist das eigentlich?

Im Mai 2014 trat das Gesetz zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt in Kraft. Die Option der vertraulichen Geburt soll in erster Linie eine gute medizinische Betreuung bei der Geburt gewährleisten und das Kind schützen. Gleichzeitig kann die Frau umfassend und dennoch weitestgehend anonym betreut werden. „Bisher war es so: Wenn eine Frau anonym bleiben wollte, konnte sie nicht ins Krankenhaus gehen. Dennoch haben Frauen das manchmal gemacht: Sie sind ins Krankenhaus gegangen und sind danach einfach abgehauen, sofort nach der Entbindung. Oder Frauen entbinden einfach heimlich“, erläutert Elisabeth Kastner, Leiterin der pro familia Beratungsstelle in Göttingen, sichtlich besorgt. Hierbei handelt es sich um eine anonyme Geburt. Auch wenn Kliniken solche Geburten anbieten – sie bewegen sich damit in einer rechtlichen Grauzone. Wie auch im Fall der Babyklappe kann dem Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung (Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 GG) hier nicht entsprochen werden. Dieses Recht soll die Option der vertraulichen Geburt wahren.

Vertrauliche Geburt: Überblick

  • Generell: Frauen können ihr Baby medizinisch sicher und vertraulich zur Welt bringen. Sie werden von einer Beraterin, die an die gesetzliche Schweigepflicht gebunden ist, beraten und begleitet: nach Wunsch vor und auch nach der Geburt. Für die werdende Mutter wird ein Pseudonym vereinbart. Die wahre Identität wird nur einmalig gegenüber der Beraterin preisgegeben (die persönlichen Daten werden sicher hinterlegt).
  • Ablauf: In der Regel benachrichtigt die Klinik nach der Entbindung die jeweiligen Beratungsstellen. Diese nehmen dann Kontakt zu den beteiligten Einrichtungen auf, um z.B. die Vormundschaft zu klären oder die Abrechnung sicherzustellen.
  • Nach der vertraulichen Geburt: Entscheidet sich die Mutter gegen das Kind, wird ein Adoptionsverfahren eingeleitet. Ab dem 16. Lebensjahr hat das Kind das Recht, den Namen der Mutter zu erfahren.

Der Ablauf der vertraulichen Geburt

Die Mitarbeiterinnen der Beratungsstellen sind für den Fall einer vertraulichen Geburt speziell ausgebildet: „Wir hatten bislang zwei Fälle. Die Frauen sind in der Klinik gewesen und die hat uns angerufen“, so Hildegard Schütz von der Caritas. Auch pro familia wird vorwiegend von den Krankenhäusern direkt kontaktiert: „Dann gibt es eine Beraterin, die erfährt den richtigen Namen von der Frau. Im Gespräch wird ein Pseudonym vereinbart. Dann läuft alles beim Standesamt, Krankenhaus etc. über das Pseudonym“, so Kastner. Die Beratungsstellen nehmen anschließend Kontakt zu allen beteiligten Stellen auf, um die Vormundschaft zu klären oder die Abrechnung sicherzustellen. Für das Gespräch haben die Beraterinnen der Caritas spezielle Fragebögen entwickelt: „Weil wenn die Frau weg ist, ist sie weg. Die kriegt man auch nicht wieder“, berichtet Schütz. Deshalb sei es wichtig, dass bestimmte Informationen über bestimmte Krankheiten der Mutter, Hautfarbe, Größe etc. im Anschluss zur Verfügung stünden. Die Mutter darf im Zuge dieses Gesprächs auch einen Namen für das Kind bestimmen. Sie kann sich sogar bis zum endgültigen Adoptionsbeschluss des Jugendamtes für ein Leben mit ihrem Kind entscheiden.

Und was kommt nach der vertraulichen Geburt?

Entscheidet sich die Frau gegen das Kind, wird das Adoptionsverfahren eingeleitet. „Ziel ist schon, dass die vertrauliche Geburt in eine Adoption umgewandelt wird“, so Schütz, „dass die Mutter sich darauf einlassen kann. Das ist immer besser, weil man dann eben auch einen Zugriff über das Jugendamt auf die Mutter hat.“ Erreicht das Kind das 16. Lebensjahr, hat es das Recht den Namen der Mutter zu erfahren. Dieser werde sicher in einem Umschlag beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) verwahrt. Wenn die Mutter auch darüber hinaus anonym bleiben möchte, muss sie die Beratungsstelle während des 15. Lebensjahres ihres Kindes erneut aufsuchen, erläutert Gabriele Becker von der Caritas. „Da müssen ganz bestimmt Gründe vorliegen, dass sie nicht möchte, dass das Kind den Umschlag sieht. Das muss dann aber vom Gericht entschieden werden“, so Becker weiter.

Die vertrauliche Geburt als echte Option?

„Es ist kritisch zu sehen, die vertrauliche Geburt“, äußert Kastner nachdenklich, „denn zu verhindern, dass eine Frau, ich sage das jetzt mal ganz krass, ihr Kind in die Mülltonne schmeißt, ist durch die vertrauliche Geburt nicht gegeben. Weil da sind die Frauen in einem Ausnahmezustand, und in einem Ausnahmezustand informiert man sich nicht: ‘Wo gibt es jetzt Beratung‘.“ Natürlich sei es eine bessere Option für die Frauen, die keine andere Option sehen, als das Kind zu bekommen und anschließend auszusetzen, betont Schütz. Es gäbe aber immer noch die Option der gedeckten Adoption, die sich für alle Beteiligten besser darstelle.

Weitere Links

Mehr Infos zur vertraulichen Geburt findest du unter

Adoption und Schamgefühl – ein gesellschaftliches Problem

„Wir haben eine gute Zusammenarbeit mit den Adoptionsvermittlungsstellen“, so Kastner, „aber das muss viel mehr in der Gesellschaft aufgewertet werden.“ Auf der einen Seite würden Schwangerschaftsabbrüche verurteilt, auf der anderen Seite eine Frau, die ihr Kind zur Adoption freigebe, aber mindestens ebenso. Das sei ein gesellschaftliches Problem, an dem gearbeitet werden müsse. Wenn auch du dich in einem fortgeschrittenen Stadium deiner Schwangerschaft befindest und nicht weißt, ob du dir ein Leben mit dem Kind nach der Geburt vorstellen kannst, scheue nicht, dich an die lokalen Beratungsstellen zu wenden.