Die beste Medizin: einfach da sein
Die Wangen glühen, die Augen sind glasig, und immer wieder möchte er in den Arm genommen werden. Der dreijährige Fabian hat Fieber, 38,5 Grad zeigt das Thermometer an. Ein grippaler Infekt, ergab der Arztbesuch, nichts Dramatisches also, und doch:„So anhänglich und ängstlich habe ich ihn schon lange nicht erlebt“, sagt Maren, die Mama des kleinen Patienten und selbstständige Architektin. „Ich mag kaum den Raum verlassen, dabei braucht das Kind doch nun auch viel Ruhe.“ Um in der Nähe sein zu können, hat sie die Couch im Wohnzimmer zum Krankenlager umfunktioniert und schreibt nebenan am Laptop ein Konzept für einen Kunden. Doch ist das nicht etwas zu viel des Guten?
Unser Experte
Kinderarzt Dr. Herbert Renz-Polster ist Autor zahlreicher Elternratgeber. Seine Hauptthemen umfassen die Kindesentwicklung und Pädagogik.
Kranke Kinder gehen vermehrt auf Tuchfühlung
„Nein, so ist es genau richtig“, bestätigt Dr. Herbert Renz-Polster, Kinderarzt und Fachbuchautor. „Die meisten Kinder benötigen besonders viel Nähe, wenn sie krank sind, und gehen dabei regelrecht auf Tuchfühlung. Viele machen dabei auch einen Rückschritt in ihrer Entwicklung. Regression heißt dieser Prozess.“ Es kann so weit gehen, dass zuvor bereits trockene Kleinkinder vorübergehend wieder Windeln benötigen oder fast schon abgestillte Säuglinge wieder häufiger an die Brust möchten.
Wie dein krankes Kind rundum gut umsorgt ist
Zuwendung, Verständnis, Liebe – alles, was kleine Kinder oder Babys auch sonst benötigen, brauchen sie doppelt und dreifach, wenn sie krank sind, lautet ein Fazit des Experten, der sich in Büchern wie „Gesundheit für Kinder“ auch besonders dem Thema Trost widmet. Denn auch davon benötigen die Kleinen nun jede Menge. Trotz der ihnen zustehenden Betreuungstage können viele berufstätige Mütter oder Väter ihren Alltag nicht einfach unterbrechen, doch soweit möglich, solle man nun herunterschalten. „Vieles lässt sich verteilen, etwa indem die Nachbarn, ältere Geschwister oder andere Verwandte unterstützend einspringen. Auch das trägt dazu bei, dass das Kind sich gut umsorgt fühlt.“
BUCHTIPP
Gesundheit für Kinder
Herbert Renz-Polster, Nicole Menche, Arne Schäffler, Kösel Verlag, 9. Auflage 2017, ISBN 978-3-466-30904-7
Mitgefühl, aber kein Mitleid
Allerdings gilt es dabei zwischen Mitgefühl und Mitleid zu unterscheiden. „Mitgefühl unterstützt beim Gesundwerden, während Mitleid genau das Gegenteil bewirken kann.“ Mit anderen Worten, ein bemitleidetes Kind fühlt sich erst recht krank. Zum förderlichen Trösten hingegen gehöre es auch, Rückschritte und Regression zuzulassen. „Säuglinge dürfen nun ruhig wieder häufiger gestillt werden, auch wenn es anders geplant war“, ergänzt Renz-Polster. „Das hilft ihnen über die schwersten Tage.“
Auch ein wenig Verwöhnen schade nicht. Die Mischung aus dem Gefühl, behütet zu werden und sich trotzdem zurückziehen zu können, ist nach seiner Einschätzung genau das richtige Maß. „Ein Kind, das krank ist, braucht keine ständige Bespaßung. Viel wichtiger sind Ruhe, viel Trost und eine ausgeglichene Umgebung.“