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Darmaufbau nach Antibiotika - warum Probiotika bei Kindern so wichtig sein können

Wenn mein Kind krank ist, bin ich erst einmal Mutter. Ich halte die Hand, erkläre, tröste und manchmal gebe ich auch ein Antibiotikum. So wie viele Eltern stehe ich dann in einem inneren Spannungsfeld: Einerseits bin ich froh, dass wir ein Medikament haben, das schwere bakterielle Infektionen wirksam bekämpfen kann. Andererseits weiß ich um die empfindliche Balance im Darm, die durch Antibiotika oft stark gestört wird, gerade bei unseren Jüngsten. Gastbeitrag von Dr. med. Celine Schlager Ärztin für ganzheitliche Familienmedizin und Mutter

In diesem Artikel:

GASTBEITRAG

Dr. Med Celine Schlager

Dr. med Celine Schlager, Bild von der der Ärztin für ganzheitliche Familienmedizin

Dr. med. Celine Schlager ist Ärztin für ganzheitliche Familienmedizin und selbst Mutter. Sie vereint fundiertes medizinisches Wissen mit umfassenden Weiterbildungen in den Bereichen Ernährung (auch vegan/vegetarisch), Nährstoffe, Beikost, Familienkost, Stillen, Mikrobiom, orthomolekulare Medizin, Erste Hilfe und Impfungen im Kindesalter. Mit viel Empathie und auf Augenhöhe begleitet sie Familien im Alltag - praxisnah, realitätsbezogen und stets ganzheitlich. Als Expertin ist sie für Unternehmen, Kongresse und Online-Veranstaltungen gefragt und bietet eigene Kurse zu Erster Hilfe am Kind und Impfentscheidungen an. Auf Social Media folgen ihr rund 70.000 Menschen, ihr erstes Buch über die Mythen der Kindergesundheit ist bereits erschienen. Ihr Ziel ist es, Eltern medizinisch fundiertes Wissen verständlich, undogmatisch und alltagsnah zu vermitteln. Für mehr Sicherheit, Vertrauen und gesunde Entscheidungen im Familienleben.

 

Besuch sie gern auf ihrem Instagram-Kanal: @dr.med.celine und ihrer Homepage: drmedceline.com

Was Antibiotika im Darm anrichten und warum das Folgen haben kann

Antibiotika töten nicht nur krankmachende Keime, sondern oft auch viele der „guten“ Bakterien in unserem Darm. Das Mikrobiom, also die Gesamtheit der Darmbakterien, verliert an Vielfalt. Studien zeigen: Nach einer Antibiotikatherapie dauert es bei Kindern oft viele Monate, bis sich die ursprüngliche Mikrobiomzusammensetzung wieder annähert und bei manchen bleibt sie dauerhaft verändert (Dethlefsen et al., 2008; Korpela et al., 2016). Besonders in den ersten Lebensjahren, wenn sich das Immunsystem noch „trainiert“, kann ein gestörtes Mikrobiom weitreichende Folgen haben: Mehr Infekte, häufigere Verdauungsprobleme, ein erhöhtes Risiko für Allergien, Neurodermitis oder sogar chronisch-entzündliche Darmerkrankungen im späteren Leben werden in der Forschungimmer wieder mit einem früh gestörten Darmmilieu in Verbindung gebracht (Gensollen et al., 2016).

Probiotika: nur Hype oder echter Schutz?

Die Idee ist einfach: Wenn durch Antibiotika ein Teil der „guten“ Darmflora verloren geht, kann eine gezielte Gabe lebender, nützlicher Bakterien (Probiotika) helfen, das Gleichgewicht wiederherzustellen. Doch funktioniert das wirklich? Ja, sagt die Wissenschaft. In einer Metaanalyse von Cochrane (2019) zeigten sich Probiotika bei Kindern wirksam darin, antibiotikaassoziierte Durchfälle zu reduzieren. Besonders Lactobacillus rhamnosus GG und Saccharomyces boulardii sind hier gut untersucht. Doch auch über die kurzfristige Wirkung hinaus gibt es vielversprechende Erkenntnisse: Einige Studien deuten darauf hin, dass Multistamm-Probiotika langfristig das Mikrobiom positiv beeinflussen, die Diversität fördern und die Ansiedlung unerwünschter Keime wie Clostridioides difficile verhindern können (McFarland et al., 2018). Wichtig ist jedoch: Nicht jedes Probiotikum wirkt gleich. Die Auswahl sollte gezielt, individuell und am besten ärztlich begleitet erfolgen.

Wie lange, wie viel, welches Präparat?

Für Kinder ist besonders wichtig:
 
  • Die Probiotika sollten lebende, gut dokumentierte Stämme enthalten
  • Multispezies-Präparate (also Kombinationen mehrerer Bakterienarten) gelten als
  • besonders wirkungsvoll
  • Eine Einnahmedauer von mindestens 2–4 Wochen, besser 6–12 Wochen, ist empfohlen,um nachhaltige Effekte zu erzielen
Je jünger das Kind, desto sensibler sollte die Auswahl erfolgen. Für Säuglinge gibt es spezifisch abgestimmte Tropfenpräparate, für ältere Kinder gut schmeckende Pulver oder Kapseln.
 
Was Eltern zusätzlich tun können
 
Ein gesundes Mikrobiom lässt sich nicht allein durch ein Präparat aufbauen. Eltern können
die Darmgesundheit ihrer Kinder aktiv fördern:
 
  • Ballaststoffreiche Ernährung (z. B. mit Hafer, Gemüse, Hülsenfrüchten)
  • Fermentierte Lebensmittel, wenn altersgerecht (z. B. milder Joghurt, Sauerkraut, Kefir)
  • Zucker und hochverarbeitete Produkte reduzieren
  • Stress vermeiden. Auch emotionale Belastung beeinflusst das Mikrobiom
  • Viel Bewegung und Naturkontakt fördern die mikrobiologische Vielfalt

 

Ein Fall aus meiner Praxis

Ein zweijähriger Junge kam zu mir mit häufigem Bauchweh, wechselndem Stuhl, Infektanfälligkeit. In seiner Vorgeschichte: drei Antibiotikagaben im ersten Lebensjahr. Gemeinsam mit den Eltern starteten wir eine darmsanierende Therapie mit einem auf ihn abgestimmten Multistamm-Probiotikum, verbunden mit einer ballaststoffreichen Ernährung, probiotischer Hautpflege (wegen beginnender Ekzeme) und gezielter Stressreduktion. Drei Monate später war der Unterschied deutlich spürbar: stabilerer Stuhlgang, weniger Infekte – und ein fröhlicheres, entspannteres Kind.
 
Fazit
Antibiotika können Leben retten - keine Frage. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass sie auch ein Eingriff in das komplexe Ökosystem Darm sind. Die gute Nachricht: Wir können heute gezielt unterstützen mit evidenzbasierten Probiotika, darmfreundlicher Ernährung und einem ganzheitlichen Blick auf das Kind.
Wenn Eltern gut informiert sind, können sie diese Balance wiederherstellen; ohne Angst, aber mit Wissen. Und genau dafür schreibe ich.  Als Ärztin und als Mama.
 
In meinem Webinar erfährst du, wie du nach Antibiotika das Mikrobiom deines Kindes
stärken kannst, mit praktischen Tipps, Studienübersicht und Raum für deine Fragen.
 
Noch mehr Wissen im Buch:
Mein neues Buch „Schluss mit Darmproblemen“ erscheint bald und enthält alles rund um
Verdauung, Mikrobiom und praktische Begleitung für Eltern. Wissenschaftlich fundiert,
alltagsnah und mit Herz. 
 
Schreib mir gerne: Was hat euch nach Antibiotika geholfen? Welche Fragen habt ihr
noch? Kommentiere oder teile deine Erfahrungen – ich freue mich auf den Austausch.
 

Dr. Med. Celine Schlager

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Literatur (Auswahl):
* McFarland, L. V., et al. (2018). Probiotics for the primary and secondary prevention of C. difficile infections. Cochrane Database of Systematic Reviews.
* Korpela, K., et al. (2016). Intestinal microbiome is related to lifetime antibiotic use in Finnish pre-school children. Nature Communications, 7, 10410.
* Gensollen, T., et al. (2016). How colonization by microbiota in early life shapes the immune system. Science, 352(6285), 539–544. [https://doi.org/10.1126/science.aad9378]
* Cochrane Review (2019): Probiotics for preventing antibiotic-associated diarrhea in children. [https://doi.org/10.1002/14651858.CD004827.pub5]
* Dethlefsen, L., et al. (2008). The pervasive effects of an antibiotic on the human gut microbiota. PLoS Biol, 6(11), e280. [https://doi.org/10.1371/journal.pbio.0060280]