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Welchen Sinn hat Schwangerschaftsübelkeit?

Frauen auf der ganzen Welt leiden darunter – und bis heute weiß niemand, warum. Übelkeit in der Schwangerschaft gibt der Forschung immer noch Rätsel auf. Vieles deutet aber daraufhin: So unangenehm sie auch sein mag, Schwangerschaftsübelkeit war ursprünglich ein Schutzmechanismus des Körpers.

In diesem Artikel:

Übelkeit in der Frühschwangerschaft kommt schon Jahrtausende vor

Übelkeit in der Schwangerschaft ist zumindest kein Problem der Neuzeit und damit auch keine Zivilisationskrankheit. Schon der griechische Arzt Soranos von Ephesos, der um 100 nach Christus in Rom tätig war, hat darüber berichtet. In seinen aus der Antike überlieferten Schriften beschreibt er das Phänomen so: „Das Leiden äußert sich durch Aufstossen von Flüssigkeiten und überflüssige Nässe im Magen, Ueblichkeit und Appetitlosigkeit bald für alle, bald nur für die eine und andere Speise“. Auch ein „Verlangen nach ungewöhnlicher Nahrung, wie z. B. nach Erde, Kohlen, sauren Weintrauben, unreifem und saurem Obste”, hatte Soranos bei schwangeren Frauen beobachtet. „Bei Manchen zeigt sich ferner noch ein periodisches Erbrechen von allem Genossenen, Druckgefühl, Schwindel, Kopfschmerzen, Abfluss einer Menge roher Säfte (Lienterie), Blässe, Abmagerung, harter Stuhlgang”, schrieb der Arzt in seinem Buch.

Hausmittel können Beschwerden bei Übelkeit in der Frühschwangerschaft lindern

Soranos Empfehlung war Fasten: „Sobald sich die ersten Anzeichen des Leidens zeigen, soll man Enthaltsamkeit von Speisen für einen Tag an empfehlen, damit der Magen dadurch, dass er nicht zu seinen natürlichen Verrichtungen veranlasst wird, ungestört in Ruhe gehalten werde.”

Dieser Ratschlag stimmt nicht ganz mit dem überein, was Ärzte und Ärztinnen heute empfehlen. Tatsächlich sollten zwar Schwangere ihren Magen nicht überlasten. Eine Fastenkur ist aber auch nicht ratsam. Stattdessen sollte der Magen möglichst immer leicht gefüllt sein.

Der Brauch, Erde zu essen, den Soranos bei Frauen im antiken Rom beobachtet hat, hat hingegen bis in die Neuzeit überdauert. In Gambia essen manche Frauen bis heute Tonerde, weil dies gegen Sodbrennen und Übelkeit in der Schwangerschaft helfen soll. Und auch in Deutschland setzen einige Schwangere auf Heilerde – gereinigte Tonerde aus der Drogerie – um Übelkeit und Sodbrennen zu lindern. Erfahrungsberichte zeigen: Welches Hausmittel oder Medikament bei Schwangerschaftsübelkeit am besten hilft ist oft individuell und kann sich von Frau zu Frau unterscheiden . Ein Wundermittel, das alle Beschwerden beseitigen kann, wurde bisher aber noch nicht gefunden.

Übelkeit in der Schwangerschaft sollte Embryo schützen

Bis heute ist nicht abschließend geklärt, was genau Übelkeit in der Frühschwangerschaft eigentlich auslöst. Warum leiden so viele Schwangere unter starker Übelkeit und Erbrechen in der Schwangerschaft, während bei anderen keine Übelkeit in der Schwangerschaft auftritt? Vermutet wird, dass die Übelkeit früher eine Schutzfunktion hatte.

Samuel Flaxman und Paul Sherman, zwei Experten für Evolutionsbiologie, hatten vor einigen Jahren einen Beitrag hierzu veröffentlicht. Sie gingen davon aus, dass die Übelkeit in der Schwangerschaft in der frühen Phase der Menschheit einen evolutionären Nutzen bedeutete: Dass also die Kinder von Frauen mit Schwangerschaftsübelkeit einen Überlebensvorteil und diese Frauen in der Folge mehr Nachkommen hatten. Eine Veranlagung zu Übelkeit in der Schwangerschaft könnte so immer weiter vererbt worden sein. Insoweit kann Übelkeit in der Schwangerschaft auch als gutes Zeichen gewertet werden.

Die Wissenschaftler hatten mehrere Studien zur Übelkeit in der Frühschwangerschaft ausgewertet. Dabei hatten sie untersucht, welche Lebensmittel Schwangere aufgrund von Übelkeit mieden und gegen welche Speisen sie eine Abneigung entwickelten. Sie stellten fest, dass Lebensmittel tierischen Ursprungs wie Fleisch, Fisch, Geflügel und Eier am stärksten gemieden wurden. Ebenso lösten Gemüse mit starkem Eigengeschmack sowie Kaffee und Alkohol bei vielen Frauen Unwohlsein aus. Flaxman und Sherman sahen sich dadurch bestätigt. So wurden durch tierische Lebensmittel vor allem in vorindustrieller Zeit häufig Krankheitserreger übertragen, auch bei Kaffee und Alkohol ist der schädliche Einfluss bekannt. Aber selbst einige Pflanzenstoffe, die sogenannten Phytochemikalien, können im Übermaß dem ungeborenen Kind schaden, so die Theorie der Wissenschaftler. Aus diesem Grund würden auch manche Gemüse von Schwangeren teils als abstoßend empfunden. Pflanzliche Lebensmittel auf Maisbasis hingegen, die wenig Phytochemikalien enthalten, waren in der Untersuchung von Schwangeren nicht abgelehnt worden.

Unklar ob Übelkeit in der Schwangerschaft heute noch eine Schutzfunktion hat

Als weiteren Beweis für ihre These führten die Wissenschaftler an, dass die Schwangerschaftsübelkeit und die Unverträglichkeit bestimmter Lebensmittel und Gerüche meist in der sechsten bis 18ten Schwangerschaftswoche vorkommt. In dieser Phase entwickeln sich die Organe des Embryos und er ist besonders gefährdet für schädliche Einflüsse. Übelkeit und Erbrechen seien daher eine Abwehrreaktion des Körpers, um keine schädlichen Stoffe mit der Nahrung aufzunehmen. Oder, um diese wieder auszuscheiden, glauben die Evolutionsbiologen.

Ratgeber Übelkeit in der Schwangerschaft

 

Diese Themen behandeln die Artikel unseres Ratgebers:

 

Woher die Übelkeit kommt

Erfahrungen von Schwangeren

Welchen Sinn hat Schwangerschaftsübelkeit?

10 Tipps und Hausmittel, die helfen

Schwangerschaftsübelkeit und Medikamente

So können Partner und Umfeld helfen

Wichtige Begriffe die du kennen solltest

 

Der komplette Ratgeber zum Download

 

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Sicher beweisen lässt sich die Theorie von Flaxman und Sherman nicht. Sie steht aber auch nicht im Widerspruch zu neueren, wissenschaftlichen Erklärmodellen. So weiß man heute, dass wohl bestimmte Hormone und Botenstoffe an der Schwangerschaftsübelkeit beteiligt sind. Das schließt aber nicht aus, dass genau diese Stoffe im Laufe der Evolution eine Schutzfunktion hatten.

Dass die Übelkeit in der Schwangerschaft auch heute noch das ungeborene Kind schützt, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Einzelne Studien deuten zwar darauf hin, dass das Risiko, eine Fehlgeburt zu erleiden, bei normaler Schwangerschaftsübelkeit etwas geringer sein könnte. Andererseits kann die schwere Form von Schwangerschaftsübelkeit, die Hyperemesis Gravidarum, die Gesundheit von Mutter und Kind auch gefährden. Klar ist: Viele Frauen würden gerne auf Erbrechen und Unwohlsein in der Schwangerschaft verzichten. Und sie würden in der Schwangerschaft ohnehin riskante Nahrungs- und Genussmittel meiden, was heute noch dazu einfacher ist als in der Steinzeit.