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Nabelschnurblut einlagern - Zwei Hebammen zum Pro und Contra

Zur Geburt besteht die einmalige Gelegenheit, dem Kind eine besondere Vorsorge zu sichern. Stammzellen lassen sich aus dem Nabelschnurblut gewinnen und einlagern. Viele Möglichkeiten ergeben sich aber erst in der Zukunft. Ist die Vorsorge sinnvoll?

In diesem Artikel:

Nabelschnurblut – Segen der Medizin oder Geschäft mit der Angst?

Die Einlagerung von Nabelschnurblut bei der Geburt steht in der Diskussion. Viele Möglichkeiten, die Stammzellen eröffnen, werden erst in der Zukunft zur Verfügung stehen. Macht eine Nabelschnurblut-Entnahme Sinn? Zwei Hebammen nehmen Stellung.

Hebamme - Nabelschnurblut einlagern PRO

Nabelschnurblut einlagern - PRO

Constanze Schmidt
Geburtshaus Hellersdorf, Berlin

kidsgo: Würden Sie Ihren Schwangeren zur Entnahme von Stammzellen aus dem Nabelschnurblut raten?

Constanze Schmidt: Zumindest dann, wenn Eltern alle im Moment zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Prävention ausschöpfen wollen.

kidsgo: Viele Eltern wünschen sich eine Geburt in einem intimen, geschützten Umfeld. Stört die Nabelschnurblut-Entnahme den Geburtsablauf/das Geburtserlebnis

Constanze Schmidt: Auf keinen Fall. Das Entnahme-Set enthält alle notwendigen Materialien, die sehr einfach und schnell zu handhaben sind. Selbst bei einer Wassergeburt ist die Entnahme des Nabelschnurblutes unproblematisch. Die Abnahme des Nabelschnurblutes geht völlig lautlos von statten. Die Eltern werden sowohl durch die Firma, als auch von der Hebamme ausführlich über den Ablauf der Stammzellenentnahme aufgeklärt. Eltern, die diese Möglichkeit der Vorsorge nutzen möchten, wissen, dass die frischesten Stammzellen nur bei einer Sofortabnabelung gewonnen werden können. Selbstverständlich hat das Kind zum Zeitpunkt der Nabelschnurblutentnahme engsten Hautkontakt mit seinen Eltern.

kidsgo: Die private Nabelschnurblut-Einlagerung wird oft als beste medizinische Vorsorge angepriesen. Wie bewerten Sie diese Möglichkeiten angesichts des derzeitigen Forschungsstands?

Constanze Schmidt: Die aus Nabelschnurblut gewonnenen Stammzellen sind gesund und unverbraucht. Diese Stammzellen werden bei Tumorerkrankungen eingesetzt. Die Forschung geht dahin, dass in absehbarer Zeit auch Herzinfarkt, Arteriosklerose, Diabetes und MS behandelt werden können. Krankheiten, die heute leider in unserem Alltag schon zu den Zivilisationserkrankungen gehören.

kidsgo: Wie stehen Sie zu der Möglichkeit, das Nabelschnurblut, das in den meisten Fällen als Abfallprodukt entsorgt wird, öffentlichen Blutbanken oder der Forschung zu spenden?

Constanze Schmidt: Wenn das Unternehmen sich dafür verbürgt, dass das Nabelschnurblut zur Behandlung von Erkrankungen genutzt wird, sollte es der Forschung zur Verfügung gestellt werden.

Kontakt: Constanze Schmidt
www.geburtshaushellersdorf.de
info@geburtshaushellersdorf.de

Hebamme - Nabelschnurblut einlagern CONTRA

Nabelschnurblut einlagern - CONTRA

Frauke Lippens
Hebammenpraxis Jarrestraße, Hamburg

kidsgo: Würden Sie Ihren Schwangeren zur Entnahme von Stammzellen aus dem Nabelschnurblut raten?

Frauke Lippens: Letztlich müssen werdende Eltern ihre Entscheidung eigenverantwortlich treffen. Dafür sollten ihnen umfassende, vollständige Informationen zur Verfügung gestellt werden. Ich halte es mit der Ethik der Hebammen nicht für vereinbar, wenn Hebammen von Firmen Geld dafür erhalten, Schwangeren diese
Nabelschnurblutentnahme aufzuschwatzen.

kidsgo: Viele Eltern wünschen sich eine Geburt in einem intimen, geschützten Umfeld. Stört die Nabelschnurblut-Entnahme den Geburtsablauf/das Geburtserlebnis?

Frauke Lippens: Ja. Das wichtige Bonding in den ersten Minuten nach der Geburt wird gestört. Es muss unnötig geredet und manipuliert werden. Das Schlimmste: es muss früh abgenabelt werden. Jahrzehntelang haben Eltern dafür gekämpft, dass ihr Baby erst abgenabelt wird, wenn die Atmung sich stabilisiert hat. Nun heißt es wieder „Atme oder stirb!“ – das unnatürliche Frühabnabeln kann ein Neugeborenes in Todesangst versetzen.

kidsgo: Die private Nabelschnurblut-Einlagerung wird oft als beste medizinische Vorsorge angepriesen. Wie bewerten Sie diese Möglichkeiten angesichts des derzeitigen Forschungsstands?

Frauke Lippens: Ich bewerte das als Werbungs-Lüge, als aggressive Geschäftemacherei mit der Sorge junger Eltern, ihr geliebtes Kind könne ernsthaft erkranken. Vielleicht ist das Einlagern von Stammzellen in 20, 30 Jahren eine Möglichkeit der Vorsorge unter anderen.

kidsgo: Wie stehen Sie zu der Möglichkeit, das Nabelschnurblut, das in den meisten Fällen als Abfallprodukt entsorgt wird, öffentlichen Blutbanken oder der Forschung zu spenden?

Frauke Lippens: Dieser Möglichkeit, Forschung voranzutreiben, die nicht primär profitorientiert ist, sondern den Menschen dienen soll, stehe ich sehr aufgeschlossen gegenüber.

Kontakt: Frauke Lippens
www.hebammenpraxis-jarrestrasse.de
frauke.lippens@t-online.de