Babys schon in der Schwangerschaft fördern?
Eine Schwangerschaft verändert vieles. Mit alten Gewohnheiten wird gebrochen, neue kommen dazu. Wir tun so ziemlich alles, damit es dem Bauchbaby auch wirklich gut geht. Ein Beispiel: Meine Bekannte Annalena hat sich – kaum, dass sie mit 31 Jahren ihren ersten positiven Schwangerschaftstest in ihren Händen hielt – um 180 Grad gedreht: Obwohl sie trotz mehrfacher Versuche von Seiten ihrer Klassik-begeisterten Oma einfach keinen Zugang zu Mozart und Co. fand, spielte sie ihrem Ungeborenen immer wieder klassische Musik vor. „Ich wollte mich bestmöglich auf die Ankunft meines Babys vorbereiten.“
In der Schwangerschaft hat sie sich verrückt gemacht, um ihrem Kind beste Startpositionen zu verschaffen – deshalb auch die Klassik-Hörstunden –, weil sie gelesen hatte, dass dies bereits die geistige Entwicklung Ungeborener fördere. „Quasi mit Mozart auf direktem Weg aufs Gymnasium … Aber das setzt nur unter Druck. Und ob klassische Musik allein Babys wirklich schlauer macht, bezweifele ich mittlerweile!“ Ihr Sohn Benno ist inzwischen vier Jahre alt und ein aufgeweckter, fröhlicher Junge. Das Einmaleins kann er nicht und er unternimmt auch keinerlei Versuche, seine Bilderbücher selbst zu lesen. „Warum auch? Dafür sind später die Schulen da“, sagt seine Mama sichtlich entspannt.
Gehirnentwicklung im Mutterleib
Tatsächlich konzentriert sich die Hirnentwicklung eines Fötus‘ zunächst auf die Fähigkeiten, die er unmittelbar nach der Geburt benötigt, um sein Überleben zu sichern: Atmen, schmecken, riechen, hören, schlucken gehören zum Beispiel dazu – Japanisch lernen oder Lyrikrezitationen sicherlich nicht.
Diese grundlegenden Kompetenzen bilden sich also ganz ohne die Beschallung von Mozart, Bach und Co. aus – wenngleich finnische Wissenschaftler mittels Messung der Hirnaktivität belegen konnten, dass Ungeborene in den zwölf Wochen vor der Geburt im Mutterleib gehörte Melodien in ihrem Langzeitgedächtnis abspeichern können.
Wie du dein Neugeborenes beruhigst
Nach der Geburt wartet eine fremde, neue Welt auf jedes Neugeborene. Umso wichtiger, dass dein Baby in dir von Beginn an einen wichtigen Bezugspunkt findet. Erfahre hier, wie du dein Neugeborenes beruhigen und innige Nähe schaffen kannst.
Entwicklung des Gehirns: ein Schwamm, der alles aufsaugt
In den ersten Lebensphasen geht es jedoch um einen ganz anderen Lernerwerb. Denn auch wenn ein Neugeborenes von außen betrachtet wenig aktiv wirkt, vor allem schläft und trinkt, passiert in seinem Gehirn jetzt unglaublich viel. Das liegt auch daran, dass es nach den neun Monaten in Mamas Bauch eine völlig neue Welt voller Töne, Farben und Gerüche erlebt, wie Manfred Spitzer in seinem Buch „Wie Kinder denken lernen“ anschaulich erklärt.
Alle diese neuen Eindrücke saugt es auf wie ein Schwamm und verarbeitet sie. Mit direkten Lerneffekten: Klatscht beispielsweise jemand in die Hände, zuckt ein Baby beim ersten, zweiten und auch dritten Mal zusammen. Danach aber hat es abgespeichert, also gelernt, dass ihm bei dieser Art Geräusch nichts passiert – und erschrickt sich auch nicht mehr.
Wie lernen Babys sehen?
Ein noch größeres Aufgabenfeld ist das Sehen. Denn das ist für einen Säugling ebenfalls Neuland, hat es doch im Mutterleib außer ein paar Hell-Dunkel-Wechseln nicht viel erkannt. Erst sieht das Baby nur Strukturen: farbig, gedreht, kantig, niedrig, hoch und vieles mehr.
Später klärt sich der visuelle Brei: Es lernt Gesichter zu erkennen und voneinander zu entscheiden: Das ist Mama, das ist Papa, das der große Bruder und das die Nachbarin. Außerdem gibt es Objekte oder Lebewesen wie Blumen und Bäume, Hunde und Katzen, Löffel und Töpfe, Strümpfe und Autos. Für ein Babyhirn ist es eine enorme Leistung, all dies zu kategorisieren und es sich langfristig zu merken.
Wann können Babys Reize filtern?
Wir Erwachsene können bewusst entscheiden, ob beziehungsweise mit welchen Dingen wir uns befassen möchten. Babys nicht. Auf sie strömt alles um sie herum ungefiltert ein – und dem, was am markantesten ist, schenken sie dann notgedrungen ihre Aufmerksamkeit.
Mit etwa fünf Monaten ändert sich das: Dann ist das Hirn deines Babys so weit gereift, dass es sich von einem Reiz abwenden und einem anderen zuwenden kann.
Grundlage der Gehirnentwicklung: Nervenzellen verbinden sich
Lernen kann das Baby in den Wochen zuvor trotzdem eine große Menge. Schon im Gehirn eines Neugeborenen sind Milliarden von Nervenzellen angelegt. Sobald sich die Synapsen – also die Verbindungsstellen – der Nervenzellen miteinander verbinden, kann das Lernen beginnen: Alle Beobachtungen, Eindrücke, Empfindungen jagen als Impulse durch neu geknüpfte Nervenverbindungen. Das Lernen beginnt und lässt mit der Zeit neuronale Netze wachsen – Gedächtnisspuren entstehen. Zum Beispiel: Das Kind sieht einen Vogel und bemerkt, dass er zwitschert – diese Information wird gespeichert und auf zukünftige „Vogelsichtungen“ übertragen.
Dies ist eine enorme Steigerung innerhalb weniger Tage und Wochen: Dank des schon bei der Geburt entwickelten Hirnstamms sind zwar alle basalen überlebenswichtige Körperfunktionen möglich: Babys Herzchen schlägt, dein Baby atmet und sein Blut zirkuliert. Doch seine Hirnrinde – der sogenannte Cortex – , die bzw. den es fürs detaillierte Lernen braucht, bildet sich erst nach und nach aus: In den ersten drei Lebensmonaten entwickeln sich dort vorrangig die Sinne und die Bewegungsabläufe. Danach folgt die Bildung einfacher Laute. Und dann – im Alter von vier bis sechs Monaten – geht es ratzfatz: Dein Kind erkennt durch Wiederholungen erste Wörter – zum Beispiel seinen Namen. Und es kann gurren und säuseln, sogar bewusst lachen!
Vielleicht bemerkst du auch, dass dein Kleines nun Menschen aufmerksam und willentlich beobachtet. Sogar Hunde von Katzen kann es nun unterscheiden. In dieser Entwicklungsphase braucht dein Baby viel Schlaf, denn in dieser Zeit verarbeitet sein Gehirn alle neuen wichtigen Informationen, indem sich Nervenzellen in seinem Gehirn miteinander verbinden.
Das Baby ahmt nach und imitiert dich
Ab dem siebten Lebensmonat reduzieren sich die Nervenverbindungen. Nicht etwa, weil Mini jetzt nichts mehr lernt. Im Gegenteil: überflüssige Nervenverbindungen werden gekappt und abgebaut, die wesentlichen wiederum werden verstärkt und somit leistungsfähiger. Zum Beispiel werden so all die komplexen Koordinationsabläufe möglich, die das Kind krabbeln lassen. Mit acht Monaten beginnt zudem das große Nachahmen: Papa greift nach einem Lappen? Dann mache ich das auch! Mama drückt auf die Fernbedienung? Gib her, das kriege ich auch hin!
Gugus-Dada-Spiele sind jetzt der Hit
Ab dieser Entwicklungsstufe kannst du schon einfache Versteckspiele mit deinem Kind spielen. Wenn du ein Spielzeug mit einem Tuch verdeckst, weiß dein Kind, dass es immer noch da ist – vorher konnte es das noch nicht verstehen. Dass dies jetzt klappt, liegt am Arbeitsgedächtnis, das im Alter von sieben bis neun Monaten Erinnerungen mit aktuellen Situationen verknüpft. Ein Meilenstein! Dein Baby versteht nun, dass sein Lieblingsteddy nicht einfach verschwindet, wenn du ein Tuch darüber legst. Es sucht mit seinen Blicken nach dem verschwundenen Kuscheltier. Zuvor galt noch das Prinzip: Aus dem Augen aus dem Sinn! Woran das liegt? Neugeborene haben noch kein Kurzzeitgedächtnis. Wenn etwas aus ihrem Gesichtsfeld verschwindet, ist es für sie nicht mehr da.
Genau das hat sich nun verändert, das Baby kann sich erinnern. Entwicklungsexpert:innen sprechen jetzt von der sogenannten Objektpermanenz.
Fremdelt es? Die Acht-Monats-Angst beim Baby
Doch nicht nur kognitives Lernen steht im Vordergrund; nun entwickeln sich auch Gefühle wie Ärger, Freude oder auch Angst. Jetzt kann es passieren, dass sich dein Baby, das bisher vielleicht noch keine Angst vor anderen Menschen hatte, an dich klammert und sein Gesichtchen in deinen Arm verbirgt. Gut ist es dann, dein Kind emotional zu unterstützen, indem du es auf den Arm nimmst und/oder beruhigend mit ihm sprichst. Überrede es nicht, Kontakt aufzunehmen, sondern akzeptiere seine Trennungsangst. Tatsächlich durchlaufen Kinder aus unterschiedlichen Kulturkreisen diese Fremdel-Phase, die auch unter dem Begriff „Acht-Monats-Angst“ bekannt ist. Und auch wenn Oma nach einigen Wochen wieder zu Besuch kommt, kann es sein, dass sich dein Baby am liebsten in deinem Schoss verkriechen möchte.
Wie wichtig ist die Krabbelphase?
Euer Kleines beginnt auf allen vieren durch den Raum zu krabbeln? Und „Mama“ und „Papa“ sagt es auch schon? Ihr erwartet, dass euer kleines Wunder sich perfekt entwickelt? Unser Tipp: Setzt euch damit lieber nicht unter Druck, denn Babys entwickeln sich unterschiedlich schnell; die Spannbreite ist sehr weit. Das ist völlig normal – lies hier, was die Kinderärztin Dr. Tanja Brunnert dazu sagt.
Laufen erweitert den Lernradius
Kann dein Baby erst einmal laufen, erschließt sich ihm eine völlig neue (Lern-)Welt. Es kann eigenständig Gegenständen erreichen, die es interessieren. Sie gezielt anfassen und mit Fingern und oft auch mit dem Mund untersuchen, um sich einen Eindruck zu verschaffen. Auch erste Erfahrungen zum Prinzip Ursache und Wirkung sind dabei: Stupst man den Schlüsselbund auf dem Tisch fest an, fällt er mit Radau auf den Boden – das kann man zur Verifizierung dann auch dreißig Mal ausprobieren!
Gut aufpassen muss man auf die kleinen Welt-Eroberer in dieser aktiven Phase allemal, damit alle Abenteuer glimpflich verlaufen. Denn das Baby ist mit dem ersten Geburtstag zum Kleinkind geworden, das eine eigene Persönlichkeit entwickelt und Dinge selbst ausprobieren und machen will – essen, trinken, Zähnchen putzen, Strümpfe anziehen. Mitunter eine Geduldsprobe für die Eltern, aber ein weiterer Meilenstein für die Entwicklung: Nicht nur Babys Selbstständigkeit reift, sondern auch sein Sprachvermögen: Vielleicht sagt es schon „Mama“ oder „Papa“ – und wenige Monate später sprudeln die ersten Wörter nur so heraus …