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Tagebücher aus der Schwangerschaft

Eine neue wunderbare, aufregende und vielleicht auch lang erwartete Lebenszeit beginnt. Für unsere Tagebücher-Blogs haben wir immer 3-4 schwangere Frauen in unterschiedlicher Schwangerschaftsphase, die in freudiger Erwartung über jede Woche dieser spannenden Zeit schreiben, uns und die vielen tausend Follower:innen daran teilhaben lassen und damit unvergessliche Momente schaffen.
13. Schwangerschaftswoche

Fehlgeburt 2012

Die Erlebnisse meiner Fehlgeburt mit anschließender Ausschabung. Das Leben geht trotzdem weiter.

Hallo Zusammen,

wie ich ja letzte Woche schon geschrieben hatte, wurde ich überraschend 2012 schwanger. Ich war so perplex und musste es erst mal für mich begreifen. Es hat dann noch zwei Wochen gedauert, bis ich es meinem Mann erzählt habe. Auch er war völlig überrascht, dass es so einfach geht. Ohne Planung, ohne Terminkalender. Ich hatte dann im Internet nachgelesen, dass der Geburtstermin der 24.03.2013 sein wird. Das wird ja dann nix mit dem 15. Denn es soll schließlich nicht früher kommen. Also habe ich meinem Mann großzügig angeboten, dass wir den 27. anstreben, er hat an einem 27. und gehofft, dass es wieder viel länger dauert. Ich bin doch so gerne schwanger. Ich hatte diese Schwangerschaft beschlossen, dass ich nicht vor der 12. SSW zum Arzt gehe. Wenn etwas nicht in Ordnung sein sollte, dann bekomme ich einfach meine Tage und gut ist. Da zittere ich wenigstens die ersten 12 Wochen nicht von Termin zu Termin. Mir ging es, wie die anderen Schwangerschaften, richtig gut. Mein Bauch fing in der 8. SSW. an zu wachsen. Wie sollte ich das nur bis nach der 12. Woche geheim halten? Am Morgen von 10+1 ging es mir nicht gut. Ich war Joggen und anschließend war mich schlecht. Nachdem ich mich mit meiner Tochter Mittags zum Schlafen hingelegt hatte, war alles wieder gut. Wir waren im August für ein paar Tage in Hamburg auf einer Hochzeit und sind dann freitags zum Arzt. Sie war recht verwundert, als ich sagte ich sei schwanger, hat sich mit uns gefreut und auf dem Ultraschall auch gleich gesagt, ja da ist es. ABER……. Ich sagte dann, es ist kein Herzschlag zu sehen und da hat sie zugestimmt. Nach den ganzen Vermessungen ist das Baby seit der 9. SSW nicht mehr gewachsen. Ich war nun 11+5. Ich bin so lange mit meinem toten Baby im Bauch rumgelaufen ohne es zu merken? Wieso habe ich dann bitte nicht meine Tage bekommen? Ich wollte doch das Baby nicht sehen, wenn es schief geht, damit ich mir einreden kann, ich habe einfach zu spät meine Tage bekommen.
Ich wusste, dass so etwas passieren kann. Eine Klassenkameradin hat dies drei Mal mitgemacht. Einer Nachbarin ist das Kind wenige Tage vor Geburtstermin gestorben. Ich wusste es und trotzdem hat mich die Nachricht mit voller Wucht getroffen. Ich bin dann erst mal in Tränen ausgebrochen. Ich wollte nicht ins Krankenhaus und da hat sie mir angeboten, dass ihr Mann, der auch eine Frauenarztpraxis leitet, mittwochs in seiner Praxis operiert und ich könnte zu ihm. Abends kam der Anruf, dass es ausgerechnet an diesem Mittwoch keine Operationen geben wird. Also doch am Mittwoch noch mal zu ihr und danach ins Krankenhaus. Da saß ich nun. Mit meinem toten Baby im Bauch. Zum Glück habe ich schon zwei Kinder, an denen ich mich festhalten konnte. Wie mag es Frauen ergehen, die von niemandem zu Hause gefordert werden, die einfach so weitermachen müssen? Die mit der Frage fertig werden müssen: und wenn es beim nächsten Mal wieder nicht klappt und wir nie Kinder haben werden? An die Tage bis zum Mittwoch kann ich mich nicht erinnern. Ich weiß nur, dass ich einerseits wollte, dass ich Blutungen bekomme und mein Baby endlich aus meinem Bauch weg ist und andererseits wollte ich viel lieber, dass es trotzdem in meinem Bauch bleibt. Wir hatten die Schwangerschaft bis dahin geheim gehalten und wollten nun auch keinem sagen, dass es schief gegangen ist. Ich bin dann am Mittwoch erst zur Ärztin und da sich leider nichts anderes gezeigt hat, ins Krankenhaus. Die Voruntersuchungen haben sich bis mittags hingezogen und ich sollte dann am Freitag wieder kommen. Alle waren sehr nett und aufmerksam. Ich hätte nichts falsch gemacht. So wie sie es deuten, war kein Mutterkuchen angelegt worden und nachdem der Vorrat aus dem Eibläschen aufgebraucht war ist mein Kind einfach verhungert. Der Schnaps und auch das joggen waren nicht schuld. So sagte man mir das jedenfalls. Auch wenn ich heute noch immer darüber nachdenke.

Freitags um 5:30 Uhr war ich dann im Krankenhaus. Um 6:30 Uhr sollte es losgehen. Ich bekam ein Zäpfen, welches den Gebärmutterhals geschmeidig machen sollte und habe eine „Ist-mir-doch-Egal-Tablette bekommen. Konnte jedoch nicht feststellen, dass sie wirkt. Außerdem hatte ich einen Venenzugang bekommen. Danach kam eine Krankenschwester und hat mir aus dem anderen Arm noch mal Blut abgenommen, da nach ihrer Aussage mein roten Blutblättchen zu wenige sind (Thrombozyten =sie verschließen die Wunden) und der Arzt mich daher nicht operieren würde. Ich habe super Venen und bis zu diesem Zeitpunkt ist es jedem Anfänger gelungen mir ohne weiteres Blut abzunehmen. Sie hat neben die Vene gestochen. Ich hatte einen blauen Fleck von 20 auf 15 cm Länge. Hinterher sagte mir der Arzt, er hätte auf jeden Fall operiert. Die Blutabnahme wäre völlig umsonst gewesen. Zusätzlich hatte ich ein Armbändchen bekommen mit meiner Nummer drauf (ich wollte schon immer mal nur eine Nummer sein) welches so lose war, dass es ohne Problem vom Arm rutschte, hatte ein schickes, hinten offenes Krankenhaushemd, super sexy weiße halterlose Thrombosestrümpfe und ein Netzhöschen an. Es ist so würdelos, wenn man bei vollem Bewusstsein ist.
Es kamen dann zwei wirklich sehr nette Herren und haben mich durch lange Gänge zum OP gefahren. Dort musste ich warten. Lange warten. Man hatte mir mittlerweile mein Nachthemd abgenommen und mir dafür Elektroden auf die Brust gepappt. Es war so kalt, es war so langweilig. Irgendwann kam dann eine Schwester vorbei und meinte, es dauert noch etwas. Toll. Ich friere. Sie gab mir dann eine Heizdecke, die wurde an einen großen Föhn angeschlossen und mir wurde wenigstens warm. Und dann hat sie mir noch Ohrenstöpsel und Musik gebracht. Irgendwann kam sie wieder, hat mir etwas in den Venenzugang gespritzt und weg war ich.
Ich bin dann heulend aufgewacht. Mein Baby ist weg. Mein Geist war sofort voll da. Der Pfleger hat mir dann erst mal ein Taschentuch gebracht und versucht mich zu trösten. Ich bin ja noch jung, beim nächsten Mal klappt es. Echt? Kennt er auch die Lottozahlen vom Samstag? Kurz nach mir wurde eine Frau wach, sie hatte keine Haare und war von der Narkose noch total mitgenommen. Sie hat den Pfleger als erstes gefragt, ob die OP gut gelaufen ist und ob der Doktor gute Arbeit geleistet hat und ihre Haare wieder da sind. In dem Moment war es zwar schlimm ein Kind zu verlieren, aber es gibt schlimmeres. Meine beiden Kleinen sind gesund, meine ganze Familie ist gesund, ich bin gesund. Ich werde nach ein paar Stunden das Krankenhaus zwar alleine verlassen, aber gesund sein. Da ich gleich so fit war, wurde es mir langweilig. Hätte ich doch nur mein Buch mitnehmen dürfen. Der Pfleger, er war wirklich sehr nett, hat dann gesagt, wenn er eine Schwester findet, die nachschaut, ob ich stark blute und wenn mein Blutdruck von 40/80 wieder ein wenig höher ist, dann kann ich ins Zimmer. Es hat sich keine Schwester gefunden, er hat dann selbst geschaut. Super. Und nachdem ich ihm versprochen hatte, dass ich nicht alleine aufstehe, hat er mich aufs Zimmer fahren lassen. Einer der Männer, die mich vorher zum OP gebracht hatten, hat mich auch wieder aufs Zimmer gefahren. Wie sagte er: ...“jetzt siehst´e wieder vernünftig aus. Wie ich dich aus dem OP geholt hatte, warst du ein Häufchen Elend!“
Wieder auf dem Zimmer hatte ich dann der Schwester geklingelt. Ich hatte zwar schon lange nichts mehr getrunken, jedoch hing ich an einem Tropf und dadurch drückte die Blase mächtig. Sie ist mit mir dann auf Toilette. Pinkeln unter Aufsicht, falls ich umkippe. Irgendwann kam die Ärztin. Ich hatte keine starken Blutungen. Sie hat mir dann noch erklärt, dass ich nun für drei Wochen nicht schwimmen, saunieren oder Sex haben darf. Keine Tampons, sondern nur Binden benutzen soll. Wie nach einer richtigen Geburt. Gegen 14 Uhr wurde ich dann von meinem Mann abgeholt. Am nächsten Tag hatte meine Mutter Geburtstag und die Feier fand bei uns statt, da wir den meisten Platz haben. Meine Schwägerin war auch da. Sie hatte noch 8 Tage bis zum errechneten Geburtstermin. Darauf den Samstag hatte ich Geburtstag. Freitags wollte ich eine Torte machen und die Sahne wurde einfach nicht steif. Bis ich festgestellt hatte, das unser Kühlschrank nicht mehr kühlt. Also die ganzen Sachen, inklusive verhunzter Torte zu meinen Eltern gebracht, die eine Straße weiter wohnen. Am nächsten Morgen hatte ich zwei Kuchen gebacken und beide sind verbrannt, da mein Ofen anfing zu spinnen. Danach hatte ich dann meinen Zusammenbruch. Bis mittags hatte ich mich dann wieder gefangen. Zwei Samstage darauf kam meine kleine Nichte auf die Welt. Das Leben geht weiter, die Welt bleibt nicht stehen. Auch wenn man im Moment der schrecklichen Nachricht das Gefühl hat, die Welt müsste doch stehen bleiben. Die Menschen können doch nicht einfach so weitermachen, als wäre nichts geschehen.

Körperlich habe ich die OP gut überstanden. Ich hatte abends keinerlei Blutungen mehr. Dienstags war ich bei meiner Ärztin, sie machte Ultraschall und meinte, es ist noch Blut in der Gebärmutter vorhanden, was in der nächsten Zeit ausbluten würde. Das fing dann auch gleich abends an und dauerte ca. 3 Wochen. Bis zum nächsten Baby sollten wir zweimal meine Tage abwarten, damit sich die Schleimhaut zweimal aufbauen konnte. Da es ja das letzte Mal ohne Tabletten geklappt hatte, wollten wir es bis Januar dann auch wieder ohne versuchen. 6 Wochen nach der OP hatte ich meine Tage wieder.

Ich habe es nur wenigen Menschen erzählt. Bei allen war es das gleiche. Betroffenheit, kurzes in den Arm nehmen und dann das Thema wechseln und nie wieder ansprechen. Vielleicht ist das einfach so, wenn man es selbst nicht erlebt hat und nicht weiß, wie man damit umgehen soll. Ich habe für mich persönlich beschlossen, dass es für mich OK ist und ich es mit mir selbst ausmachen muss. Ich gehe jeden Montag zum Musizieren und habe eine Fahrzeit von 30 Minuten mit dem Auto. Auf dem Weg nach Hause habe ich lange Zeit bitter geweint. Ich bin jeden Sonntag joggen gegangen. Den ganzen Winter durch. Auch bei Schnee oder leichtem Regen und habe dabei das Geschehene immer wieder versucht zu verarbeiten.

Wie mein Mann damit umgeht? Männer trauern wohl anders. Habe ich in den Foren gelesen. Klar zu manchen Zeiten kommt es kurz zur Sprache. Weihnachten, Silvester oder auch am Entbindungstag. Ich habe das einzige Ultraschallfoto in einem Rahmen an meinem Schreibtisch stehen. Ich habe ein Passepartout in Form eines Sternes darum gebastelt. Im Nachhinein bin ich froh, dass ich das Bild habe. So ist unser Sternenkind, so unwirklich wie es für alle Außenstehende ist, für uns doch Wirklichkeit. Unsere Tochter war zu klein, um zu verstehen was vor sich ging. Unser Sohn war traurig. Wir hatten es ihm zwar nicht direkt gesagt, aber er hat es dann doch mitbekommen. Wir haben auch davor schon viel mit ihm über den Tod gesprochen. Er gehört zum Leben dazu. Ich war mit ihm danach auf einer Beerdigung von der Mutter einer Bekannten. Einfach, damit er sieht, wie so etwas abläuft, ohne dass wir zu emotional betroffen sind.

Wir warteten brav bis Januar, dann habe ich per Ultraschall meine Eibläschen zum Zeitpunkt des Eisprungs kontrollieren lassen. Es war wie gehabt. Sie wachsen schön, es sollte noch zwei Tage bis zum Eisprung dauern, ich sollte mit Teststäbchen kontrollieren, ob ich einen Eisprung habe. Aber die Tests waren eine Woche lang negativ. Und somit gab es wieder Tabletten. Und dank dieser Tabletten unser viertes Wunder.


Ab nächste Woche sind meine Berichte wieder aktuell. Ich wünsche eine schöne Zeit bis dahin.

Liebe Grüße, Bianca



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Kommentare von Lesern:

Claudia,Berlin18.06.2013 14:28

Ich fühle mit dir und habe ein paar Tränen vergossen...sorry

Ich habe eine Freundin verloren, die daran zerbrochen ist. Sie hat Zwillinge verloren und ich komme seit Jahren nicht mehr an Sie ran. Ich selber habe eine 1 1/2 Jahre alte Tochter und finde es so tapfer und unglaublich wie du das gemeistert hast....Respekt .....ich weiß nicht ob ich das schaffen würde trotz Kind..

Liebe Grüße aus der Haptstadt und bleibt alle gesund und heiter

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