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Geburtserlebnisse - Warum brauche ich eine Beleghebamme?

Keine Ahnung. Ich bin nicht schwanger. Ganz genau genommen wird mir diese intensive Erfahrung auch ein Leben lang fehlen. Ich kann nicht schwanger werden. Ich bin ein Mann.

In diesem Artikel:

Warum brauche ich eine Beleghebamme?

Birgit dagegen war schon mächtig schwanger, als sie mir zum ersten Mal von einer Beleghebamme erzählte. Nie gehört. Was war das? Ich kannte belegte Brötchen? Belegen diese Hebammen im Krankenhaus vorab schon einmal ein Bett - womöglich mit einem Handtuch. Liegt so jemand während der Geburt mit im Bett? Kein Reim 'drauf zu machen.

Birgits Überzeugungsarbeit traf mich unvorbereitet und außerdem bin ich manchmal ein wenig schusselig, finde ein Thema noch lange nicht akut, will mich gerade mit etwas anderem befassen - kurzum nehme das Thema nur mit einem Ohr auf und sage mir, wenn's soweit ist, werde ich mich schon noch rechtzeitig und angemessen damit befassen können. Au weia!

Als Jutta, die 'Beleg'-Hebamme, zum ersten Mal zu uns kam, hörte ich zwar aufmerksam interessiert, aber doch noch nicht so ganz den zu erwartenden Ernst der Lage begreifend, zu. Irgendwie war das doch ein Frauengespräch, bei dem ich nur aus Solidarität und 'weil das halt so ist' dabei saß. Ich konnte nicht über Cremes, Windeln und Stilltees fachsimpeln. Jutta war nett und dass Sie uns bei der Geburt unseres Sohnes begleiten und helfen würde, hatte Birgit ja sowieso schon längst entschieden. Genaueres wollte ich gar nicht wissen.

Die ersten Wehen

Am Nachmittag um fünf kamen sie dann: die ersten Wehen. Was war denn das, bitte schön? So geht eine Geburt los? Natur macht Sachen! Alle Theorien, alles Gelesene war plötzlich kaum mehr etwas wert, denn die wiederkehrenden Schmerzen deuteten auf große sich ankündigende Ereignisse hin. Leichte Unsicherheit verbunden mit der Frage, ob ich ausreichend vorbereitet bin? Hatte ich bei den Salben, Windeln, Stilltees und all dem anderen richtig zugehört? War mir da vielleicht ein Detail entgangen? Ich schaue meine sonst so tatkräftigen Hände an: plötzlich beides Linke. Wo gibt's jetzt Rat? Anruf bei Jutta und der beruhigende Vorschlag, dass wir vielleicht doch schon 'mal ins Krankenhaus kommen könnten.

Wehenschreiber, CTGs, Blutdruckmessungen, kleine Herztöne von David - blöde Frauenzeitschriften sollen die ungewisse Warterei verkürzen. Gibt's nix für ruhig zu stellende werdende Väter?

Doch! Schon wieder Jutta! Irgendwie hält sie mich während der gesamten Geburtsstunden mit banalen Kleinigkeiten auf Trapp - ohne dass mir das so bewusst wird. Ihre Kunst ist das Subtile. So kann ich nicht doof 'rumstehen, habe etwas zu tun. Denke auch noch, dass sei sinnvoll,: "Ich glaube Birgit hat Durst, magst Du ihr nicht Reubuschtee holen?

Massier ihr doch den Rücken - ich zeige Dir wie? Hol' doch schon 'mal das Bett für nach der Geburt aus Trakt D, vierter Stock, Station sowieso, und grüß' Schwester Maria. Ein feuchter Waschlappen auf Birgits Stirn wäre jetzt nicht schlecht. Das Kirschkernkissen müsste auf der Heizung noch einmal aufgewärmt werden… ". Alles ganz ruhig, sehr leise und erst viel später kapiere ich, wie raffiniert ich eingebunden werde. Wunderbar, denn es vertreibt auch mir die Zeit und ich fühle mich Birgits großen Anstrengungen immer mehr gewachsen - auch wenn ich nur ein Mann bleibe. Das große, wirklich eindrucksvolle und Ehrfurcht gebietende Geschehen der Geburt lastet zwar nicht auf mir, aber ein ganz kleines bisschen kann ich es mit tragen.

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Dabei beobachte ich ebenso beteiligt wie außenstehend fasziniert, was hier über Stunden abgeht. Ich neige in solchen Situationen nicht zu Ohnmachten und bleibe der zunehmend Fahrt aufnehmenden Maschinerie des Krankenhauses dicht auf den Fersen. Diverse Ärzte für unterschiedliche Kontrollen und Vorbereitungen. Auch übrigen Hebammen des Krankenhaues, die mit Jutta - obwohl extern - eine sehr geübte Arbeitsteilung zu kennen scheinen, stehen redundant im Hintergrund. In Western rief der Doc bei Geburten immer nach weißen Tüchern und ganz viel heißem Wasser - während die Indianer das Fort mit Pfeilen attackierten. Derlei benötigt hier wohl niemand. Alle Bleichgesichter sehr routiniert und professionell. Gar nicht hektisch und aufgeregt: unsere Beleghebamme Jutta ist längst zur wichtigsten Bezugsperson geworden - für Birgit und mich.

Alles Neue, Unerwartete, noch nie Geübte federt Sie ab und scheint immer genauestens zu wissen, wo der Hammer gerade hängt. Ich muss Jutta nicht suchen, sie ist da! Als könne sie jede Minute von Birgits stundenlanger Hochleistungsarbeit einzeln verorten.

Erfahrung halt. Aber auch sehr viel Gespür für Birgit, die längst lieber auf Jutta hört, als auf mich - fast wie zuhause, wo ich ja manchmal auch sagen kann, was ich will … Immer, wenn sich eine neue Steigerung der Unannehmlichkeiten andeutet, leitet Jutta dies erst ganz kurz vorher mit 'ich wollte Dir übrigens noch sagen, gleich wirst Du Folgendes empfinden…' ein. Birgit bekam nie auch nur die geringste Chance, sich im Vorhinein über irgendetwas lange zu sorgen. Jutta parierte jede Zeigerbewegung der Geburtsuhr 'just in time'. Wiederum umhüllt von einer großen Menge feiner Tricks, die auch Birgit ein wenig ablenkten und ihr Linderung verschafften: "Ich habe da für Dich noch etwa zum Riechen von zu Haus mitgebracht. Hier ist mein Lieblingsöl zum Einreiben. Die nächsten drei
Wehen atme ich mit Dir gemeinsam weg …"

Es mag komisch klingen, aber sehenden Adlerauges auf etwas sehr sehr Neues und Großes - unseren kleinen David - zuzusteuern und keine Ahnung davon zu haben, mit welcher Schleuder er wohl zu uns kommen wird, war für mich über lange Strecken dieser Nacht deshalb so leicht, weil ich etwas eingelullt wurde. Jutta gab Sicherheit. Erst ab etwa ein Uhr war dann nicht mehr zu übersehen, dass jetzt wohl der wirklich spannende Teil der Geburt beginnen würde. Allerlei medizinisches Gerät füllte auf kleinen Tischchen und Wägen akkurat sortiert den Raum. Das CTG dampfte und spukte immer ernstere Töne aus. Jutta trug plötzlich einen Krankenhauskittel. Das war jetzt offiziell! Ärmel wirkten hochgekrempelt. Jeder Handgriff, jede Körperbewegung, jeder Satz mit der Ärztin erschien fast choreografisch. Birgit offenbarte ungeahnte Bärenkräfte und den unbedingten Willen, unseren Sohn jetzt zu gebären. Nichts davon kannte ich: ich brauchte jetzt eine Beleghebamme!

Wie sehr hatte ich Juttas Leistungsfähigkeit bei Cremes, Windeln und Beruhigungstees unterschätzt. Immer war ich mir sicher, mich auf sie verlassen zu können und Birgit bei ihr in den besten zwei rechten Händen zu wissen, die es gibt. Auch, dass es nach so langen Stunden ein, zwei, drei und schließlich drei Uhr fünfzig nachts werden musste, bis David uns das erste Mal anpiepste, schien keinen Eindruck bei ihr zu hinterlassen. Wird die nie müde? Vielleicht hat sie sich das Größte aber auch für sich selbst aufgespart - ihre höchsteigene Freude über unseren Sohn mit uns zu teilen! Welche Wärme für uns drei?

Welche Begrüßung für David? Welcher Respekt davor, dass Birgit plötzlich Mutter und ich ein Vater bin.

Birgit und ich hielten David fest und spielten mit seinem Armbändchen aus Buchstabenperlen. An seiner Wiege hing ein Schild mit seinem Namen: David Christoph - ein Bezug zum Zweitnamen von Birgits Vater. Aber irgendwer war vielleicht doch zu erschöpft, das noch richtig zu schreiben. Da stand 'David Christopf'. Ein klitzekleiner Schreibfehler. Wir haben sehr gekichert und sind alle drei glücklich eingeschlafen. Um fünf Uhr morgens.

Danke Jutta!