Es gibt nur einen Platz wo er eigentlich immer zufrieden ist – draußen. Wir sind oft noch in der Hofeinfahrt, ich leere den Briefkasten, da hat er sich im Kinderwagen schon auf den Bauch gedreht. Dann ist der Boss zur Abfahrt bereit und wir zockeln durch sein Viertel. Im Vierfüßlerstand, von der sicheren Kapitänsbrücke, wird dann alles und jeder angestarrt und besonders gern auch hinterher geschaut.
Die Tage sind mal wieder so dahin gerast. Mats isst jetzt regelmäßig einen Brei pro Tag und der Möhrenpamp ist genau sein Ding. Wobei wir schon bei Karotte-Kartoffel angekommen sind. Genau am Sonntag war dann, perfekt geplant, kein orangefarbenes Gläschen mehr im Schrank und wir versuchten es mit Pastinake. Hatte vorher schon öfters überlegt, ob ich wohl gleich erkennen würde was er mag und was nicht. Nach drei Löffeln von der weißen Rübe wusste ich Bescheid – Mats und die olle Knolle werden keine Freunde.
Er hat die Lippen auseinander gezogen und den Mund weit aufgemacht, dabei recht verkniffen geschaut und der helle Brei ist von der kleinen Zunge vorsichtig wieder raus geschoben worden. Das gleiche Spiel hatten wir auch noch mit Tomatengemüse und dann gab’s keine weiteren Versuche mehr, sondern eine Flasche Tüten-Milch.
Wobei auch das nicht unkompliziert war. Ich hatte die Tage vorher probiert ihm Wasser bzw. Tee schmackhaft zu machen, hatte aber null Erfolg und nur zwei kleine Hände, die vehement die Flasche wegschubsten und eindeutig ihren Willen kundtaten.
So brauchte es einiges an Geduld, bis er erkannte, dass die Pulle nicht mehr mit Mamas Wunschgetränk gefüllt war, sondern wieder mit seiner leckeren (bääh) Pre-Milch. Am Wochenanfang kaufte ich also nicht nur ne Menge Möhrengläschen, sondern auch verschiedene dünne, zuckerfreie Säfte. Die Getränke-Vielfalt hat aber bei meinem Söhnchen keinen Eindruck gemacht und so kam ich erst nach ein paar hilfreichen Müttergesprächen drauf, dass es ja auch die Flasche sein könnte - und so war’s dann auch.
Die neue Trinklerntasse hat bunte Griffe, die wie Segelohren abstehen, ist dickbauchig und hat vor allen Dingen einen ganz anderen Sauger. Das Teil scheint mehr einer Brustwarze nachempfunden zu sein und besitzt ein Rückschlagventil. Der Kleene muss richtig arbeiten, um was raus zubekommen und hat nach zwei Probiertagen den Dreh jetzt raus. Er nimmt die Buddel auch schon mit Begeisterung selbst in die Hände, das haut zwar nur im Liegen und dann auch nur bedingt hin, aber es geht vorwärts. Nur mit meinem geliebten Wasser kann er sich immer noch nicht anfreunden, aber das jubel ich ihm hoffentlich auch noch irgendwie unter.
In Sachen Fortbewegung geht’s, im wahrsten Sinne des Wortes, immer weiter - denn er überschreitet jetzt auch Zimmergrenzen. Das Kriechen schaut schon recht dynamisch aus und wenn zum Beispiel ein Stück Papier erspäht wird, geht’s auch ziemlich schnell. Die Tage hab ich in einer gering gefüllten Windel, dazu passende Fremdkörper gefunden, zwei 1x3 cm große Papierschnipsel. Die sind, rein optisch, unangetastet wieder zum Vorschein gekommen, wir haben trotzdem beschlossen, dass Zeitungen und ähnliches von der Speisekarte gestrichen werden.
In Sachen Essen gibt’s noch weitere Vereinbarungen zwischen Mats und mir, z. B. dass während der Fütterung Füße nichts im Mund zu suchen haben. Ich bin immer ganz begeistert über seine schon ziemlich ausgereifte Performance, die olle Mohrrübe mithilfe aller Extremitäten komplett auf ihn, mich, Stuhl und Tisch zu verteilen. Überflüssig zu erwähnen, dass der kleine Racker mit diesen Entscheidungen nicht wirklich glücklich ist. Seufz, seufz.
Wenn er schweren Hunger leidet und der Bauch scheinbar vor gähnender Leere schmerzt und das tut er mehrmals am Tag, gibt’s ein Geschrei als würden wir ihn darben und schmachten lassen – fehlt nur noch das Kellerverlies und die Ketten. Wir geben ihm ja sowieso nur unter Androhung von Gemecker und Geheul irgendetwas zu schlabbern … jaaaa, so kommt das gerne rüber. Wenn er uns in 14 Jahren als Teenie die Haare vom Kopf und den Kühlschrank leer frisst, ohne ein Wort darüber zu verlieren, werd ich wohl gerne an diese Zeiten zurückdenken – aber jetzt ist es doch manchmal ganz schön Nerven zerreißend.
Es gibt nur einen Platz wo er eigentlich immer zufrieden ist – draußen. Früher war das der Wickeltisch, aber auf den wird man ja abgelegt und Rückenlage hat für Mats scheinbar langsam was von Bestrafung. Das Genöhle hört sich dann meist an wie: „Ihr lasst mich hier liegen, stundenlaaang. Keinaaa kümmert sich um mich. Niiiiemand hilft mir.“ Fehlt nur noch, dass er nach dem Babybeauftragten verlangt.
Wenn er aber in die Softtasche gelegt wird, fängt er an zu grinsen, yippieh, gleich geht’s nach draußen. Außerhalb der Wohnung findet er alles so interessant, dass jegliche Beschwerden warten können. Wir sind oft noch in der Hofeinfahrt, ich leere den Briefkasten, da hat er sich im Kinderwagen schon auf den Bauch gedreht. Dann ist der Boss zur Abfahrt bereit und wir zockeln durch sein Viertel. Im Vierfüßlerstand, von der sicheren Kapitänsbrücke, wird dann alles und jeder angestarrt und besonders gern auch hinterher geschaut. Er verdreht sich dann ganz ungeniert den Hals, bis es wirklich nicht mehr geht – schaut unheimlich lustig aus und ich finds einfach nur schön, dass er so ein interessiertes Kind ist.
In der S-Bahn hängt man meist ziemlich nah aufeinander und so starrt er oft, ganz unbefangen, minutenlang meine Sitznachbarn an. Die meisten feixen mit ihm, aber es gibt tatsächlich Leute, die lassen sich durch den neugierigen Blick eines Kindes verunsichern – kaum zu glauben, aber wahr.
Apropos draußen, Mats hat am Wochenende seine ersten echten Berge gesehen und um nicht zu kleckern, haben wir gleich mal geklotzt. Von Ehrwald gondelten wir, inklusive Fütterung, erst ein wenig aufwärts, um dann mit stetem Blick auf das Zugspitzmassiv zur Seebenalm auf 1556 m Höhe zu wandern. Da mein Rücken fast schon wieder wie neu ist, nur noch die Hüfte beim Sitzen zwickt, die Osteopathin grünes Licht für jeglichen schmerzfreien Sport gegeben hat – waren wir mit dem Tragesack unterwegs. Dem Knirps hat’s gut gefallen, entweder hat er alles gespannt angeschaut oder entspannt geschlafen.
Und jetzt wünsch ich Euch allen einen entspannten Start in den September,
bis nächste Woche,
Nicole
Bild: privat